Business Transformation Digitalisierung

Ein Aufbruch der Vielen …

Gegen den Rollback in Richtung einer alten Effizienz-Logik mehren sich die Stimmen, die gerade jetzt einen Aufbruch fordern. Damit diese Forderungen am Ende auch wirklich Relevanz erreichen, müssen aus Einzelstimmen vernetzte Transformatoren werden. Mit einem breit getragenen Aufbruch gelingt auch eine inklusive Gesellschaft einfacher, die eine drohende Dualisierung verhindert.

Photo by Alessio Lin on Unsplash
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Aufbruchsstimmung

Diese Woche war vielleicht eine entscheidende Woche im Rahmen der Transformation der alten Deutschland AG. Jetzt, da an vielen Stellen ein Rollback im Sinne der alten ökonomischen Effizienz-Logik droht und selbst ehemalige New Work-Evangelisten re-konvertieren, hat Joachim Rotzinger, Geschäftsführer von Haufe-Lexware, eine neue Lust zum Aufbruch eingefordert.

Thorsten Schaar aus demselben Hause wies zeitgleich darauf hin, dass die Bewertung von Apple in dieser Woche erstmalig die Bewertung ALLER DAX-30-Unternehmen zusammen überstieg. Was könnte ein besserer Indikator dafür sein, dass die alte ökonomische Logik der Deutschland AG, der Fokus auf Effizienz in den klassischen hierarchischen und stark arbeitsteiligen Organisationen, alleine langfristig keine Zukunft im komparativen Wettbewerb mit den USA und China (und dem Rest der Welt) hat? Selbst wenn wir uns jetzt noch einmal ein bisschen kurzfristigen Erfolg herausschwitzen. Zurecht fordert Thorsten Schaar ein neues Unternehmens-Design …

Die Transformation beginnt von unten

Marc Wagner von Detecon steht wie kaum ein anderer für das „neue Design“ der Organisation bzw. ein Company Rebuilding, wie Detecon eines ihrer zentralen Leitthemen nennt. In seinem Beitrag zu „Auswegen aus der Effizienzfalle“ fragt er ironisch: „Reisekostenreduktion und Entlassungen werden uns retten?“, um auch gleich zu antworten: „Sicherlich NICHT“. Aber was ist die Alternative?

Seine Forderung in Richtung Ambidextrie lautet: „GLEICHZEITIG das bestehende Geschäft laufend effizienter zu gestalten und disruptive Innovationen hervorzubringen, die im Zweifelsfall das Geschäft von morgen darstellen und dabei auch schon mal das bestehende Business in Frage stellen.“ Joachim Rotzinger wiederum weist in seinem Beitrag zurecht daraufhin, dass nicht jede Innovation immer disruptiv sein müsse, aber beide Extreme – die effizienzgetriebene Logik zur Optimierung des bestehenden Geschäfts versus einer disruptiven Innovationslogik für radikal neues Geschäft – stellten die beiden Extrempunkte dar, wo Zukunftssicherung kein „Entweder-Oder“, sondern ein „Sowohl-Als-Auch“ in einem breiten Kontinuum ist.

Damit bleibt Wagner übrigens in bester Tradition weiterer (z.T. ehemaliger) Telekom-Vordenker. Thomas Sattelberger hat in seinem Jahresrückblick den Fokus auf New Spaces im doppelten Sinne gefordert: „New Spaces kann und muss mehr sein als ein Synonym für die neue Relevanz der Raumfahrtindustrie. Im Idealfall wird New Spaces für diese und andere (alte und neue) Branchen eine Metapher für neue Räume und Chancen sein, die wir erschließen, um jenseits der alten Risiken erfolgreich zu sein. Ein solcher Wandel fällt nicht vom Himmel, wir müssen ihn erkämpfen, auch im politischen Raum, um im Wettbewerb der Nationen nicht zurückzufallen.“

Oracle und WHU mit Evidenz zur neuen Logik

Ein ambitioniertes Mittelstands-Unternehmen und ein Konzern und seine Beratungstochter machen noch keinen Innovations-Frühling. Aber viele Pflänzchen sprießen an vielen Stellen und stärken die Erkenntnis, dass ein Aufbruch nicht alternativlos ist (Misserfolg ist auch eine Alternative), aber zumindest ökonomisch klug. Besonders erfreulich: Manchmal schlägt Evidenz den neuen Populismus. Joachim Skura von Oracle und seine wissenschaftlichen Mitstreiter an der WHU waren es leid, dass in solchen Diskussionen oft mehr Ideologien als Sachverstand aufeinander trafen. Sie haben 6.500 Unternehmensvertreter befragt, um herauszufinden: „Wie bleiben Unternehmen erfolgreich?“ Was erwartet man von Oracle als Antwort? Mehr Digitalisierung bzw. mehr Technologie? Das Erstaunliche ist: Genau das Gegenteil kam heraus.

Technologie für sich bringt als Cargo-Kult bzw. Sternenstaub fast nichts: „Technologie allein ohne sieben entscheidende Schlüsselfaktoren kann die Business-Effizienz gerade einmal um 4,6 Prozent steigern. Mit den sieben Erfolgsfaktoren steigt dieser Wert aber auf 64 Prozent, was dann eine Steigerung von 42 Prozent bei der Unternehmens-Performance bedeutet.“ Schaut man sich die Faktoren genauer an, unter anderem unternehmerische Kultur (10,1 Prozent) und Flexibilität und die Bewältigung von Veränderungen (10,2 Prozent), erkennt man, dass zwei der drei Top-Erfolgsfaktoren für ein „Adaptable Business“ in Richtung einer neuen ökonomischen Logik weisen, wie sie Konzepte wie FLEAT und Rebuilding (Detecon-Ansatz) und auch andere Ansätze neuer ökonomischer Logik konkretisieren. Erfolgsfaktor Nummer 1, die datengesteuerte Entscheidungsfindung (11,6 Prozent), ist potenziell eher ein Unterstützungsfaktor der Effizienz-Logik, was aber dann auch für die ambidextre Erfolgslogik des Sowohl-Als-Auch spricht.

So weit, so gut, so evidenzbasiert.

Ein Aufbruch vieler …

Weitere Innovationsimpulse kommen aus Bewegungen für eine humanzentrierte Transformation. Schon im Frühjahr 2019 argumentierte der Autor dieses Beitrags im Kontext von New Management, warum die „humanen Bewegungen“ für die Große Transformation zusammenarbeiten sollten. Humanzentrierung ist der natürliche Bruder einer neuen ökonomischen Logik, weil ein Mehr an Innovation, Kreativität oder Empathie humanzentrierter ist, als ein Mehr an Effizienz-Ausschwitzen, und weil umgekehrt auch die neue ökonomische Logik eine neue Humanzentrierung braucht.

Gemeinsam ein Momentum für den Aufbruch erzeugen.
Gemeinsam ein Momentum für den Aufbruch erzeugen.

Warum nicht ein noch größerer gemeinsamer Aufbruch? Die New Work-Netzwerke (Nadine Nobile & Co), die Digitalen Women (Tijen Onaran & Co), die WOLer (John Stepper, Katharina Krentz, Sabine Kluge & Co) … eine Vielzahl von Graswurzel-Bewegungen haben einen beeindruckenden Aufbruch bereits hinter sich. Und Graswurzel ist nicht genug. Auch neue Aufsichtsräte braucht das Land und Pioniere in den „Mittelschichten“. Günther Wagner meinte zurecht im Rahmen der Diskussionen zum Aufbruch „Lass uns unsere Kräfte bündeln, ein Momentum erzeugen – was andere ansteckt“.

Im ersten Aufbruchsartikel schrieb ich in Anlehnung an Monty Python: „Nun werden die oben genannten humanen Teilbewegungen nicht ihre Existenz bzw. Identität aufgeben, um sich zu vereinen. Vielleicht reicht ja ein wie auch immer geartetes lockeres Dach und dann die vielfältige Kollaboration der Akteure.“ Das gilt auch im größeren Bild, wenn es uns zumindest gelingt ein einendes Narrativ zu finden und zu leben, so etwas wie ein Commitment zu einem Next Act .

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Es geht darum, eine inklusive Wirtschaft zu schaffen.

Eine inklusive Gesellschaft als Ziel

Mit einem breit getragenen Aufbruch gelingt auch eine inklusive Gesellschaft einfacher, die eine drohende Dualisierung verhindert. 2020 ist das Thema des Druckerforums in Wien in diesem Sinne „Leadership Everywhere“. 2016 war das noch anders. Damals war das Thema in Wien die „Entrepreneurial Society“. In Wien wurde Unternehmertum und Innovation von einigen Köpfen relativ exklusiv verstanden. Exklusivität in diesem Sinne bedeutet aber nicht nur Ignoranz gegenüber vielen Potenzialen, sondern vor allem auch Sprengstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Übrigens: Wir laden in diesem Sinne alle gerne zum NextAct 2020 ein, am 26. Mai 2020, wie immer in Köln, wo sich viele engagierte Transformatoren treffen.

PS: Enorme Erfolgspotenziale

Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Weder Human- noch Innovations-Orientierung sind gutmenschlicher Selbstzweck. In einem weiteren Beitrag wird klargestellt, welche enormen Erfolgspotenziale damit zu heben sind! Dafür allerdings sind Mut und Entschlossenheit notwendig.