Business Transformation Digitalisierung

New Spaces! Von Klumpenrisiken der Old Economy zu neuen Chancenräumen

Kommentar Die Transformation der deutschen Automobilbranche und des traditionellen Maschinen- und Anlagenbaus kann ein Prototyp sozialer Marktwirtschaft in der Ära der Digitalisierung werden. Wenn wir es besser hinkriegen als beim langen Sterben der deutschen Kohle. Meint Thomas Sattelberger, Management-Urgestein und Politiker.

"Auf ins Weltall!", fordert Thomas Sattelberger. Eine neue Erzählung für neue Zeiten.  Photo by NASA on Unsplash
"Auf ins Weltall!", fordert Thomas Sattelberger. Eine neue Erzählung für neue Zeiten. Photo by NASA on Unsplash

Autoindustrie: Die neue Steinkohle?

„Ende Dezember (2018, Anmerkung des Autors) hat Deutschland sich noch einmal symbolisch verneigt. Auf einer Zeche in Bottrop haben wir unseren Steinkohlebergbau endgültig beerdigt – das Herzstück der Montanindustrie, Leitbranche der frühen Bundesrepublik. Heute mehren sich die Anzeichen, dass auch unsere Autoindustrie einem quälenden Siechtum entgegenfahren könnte.“

So begann im Februar 2019 meine Kolumne im Manager Magazin zu den Klumpenrisiken der Automobilbranche für Deutschland. Diese Botschaft - schon seit 2016 eines meiner wichtigsten Transformationsthemen – vertiefte ich immer wieder in Beiträgen und Vorträgen, u.a. bei meiner Keynote für das Next Champion-Event 2019.  Was dann folgte, waren neben einigen zustimmenden Kommentaren auch viele kritische Anmerkungen in den sozialen Medien, die mein Thema als zu pessimistisch empfanden. Verständlich! Im Alter bis 45 haben die meisten Menschen in Deutschland ja auch noch nie bittere Krisen im Arbeitsmarkt erlebt. Um die Jahrhundertwende war mit dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase die letzte spürbare Krise. Die Weltwirtschaftskrise 2007 ff erlebte Deutschland ja dann als Insel der Seligen. Konjunktureinbruch höchst sozial abgefedert.

Klumpenrisiken der Old Economy werden in der Breite sichtbar

Doch die Transformation der Automobilbranche ist strukturell bedingt. Zu lange hatte die Branche nicht nur Teslas Elon Musk belächelt, sondern auch die harten US-amerikanischen Abgasnormen unterlaufen. Die Zeichen der Disruption wurden angesichts der Absatzrekorde ausgeblendet. So wie blauäugige New Worker und Transformationsevangelisten jetzt erstmals in ihrem Berufsleben wie scheue Rehe im Scheinwerferlicht der Disruption stehen. Mitte 2019 begannen – wie abzusehen – Ankündigungen und Ketten an Werksschließungen, Kurzarbeit, Restrukturierungen, die die Analysen und Prognosen zu bestätigen begannen.

Bis 2030 verlieren wir 200.000 Arbeitsplätze allein rund um den klassischen Antriebsstrang, rechnete Fraunhofer vor. Die in diesem Jahr von Unternehmen der deutschen Automobilbranche verkündeten Entlassungen liegen bereits über 50.000. Die mit Industrie 4.0 einhergehenden Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung und Roboterisierung sind allemal in den Zahlen nicht enthalten. Und jeder verlorengehende Arbeitsplatz in der Automobilindustrie zieht über zwei Arbeitsplätze in Dienstleistungsbranchen mit in den Strudel.

Zulange hat sich die Branche in Deutschland auf ihren alten Erfolgen und ihren alten Geschäftsmodell- und Organisationslogiken ausgeruht. Zulange hat sich die alte Kaste digitalbefreiter Effizienzmanager gehalten, zu lange haben Berater Restrukturierung und Verluste an Old Work, die Frithjof Bergmann erst zur Fundierung der New Work- Philosophie brachten, als nicht-existent betrachtet. Recht zu behalten, gefällt mir angesichts der Verwerfungen überhaupt nicht. Trotzdem bleibe ich zur Verwunderung vieler Optimist. Mein Beitrag für das Manager Magazin wie auch meine Keynotes enden immer optimistisch, auch wenn es anscheinend zu oft überlesen und überhört wird. Die Transformation der deutschen Automobilbranche, aber auch des traditionellen Maschinen- und Anlagenbaus kann ein Prototyp sozialer Marktwirtschaft in der Ära der Digitalisierung werden, wenn wir es besser hinkriegen als beim langen Sterben der deutschen Kohle.

Wir brauchen Ökosysteme für New Business & New Work ebenso wie auch Ökosysteme für die Transformation von Old Work.
Thomas Sattelberger, MdB

2020 ff: „New Spaces“ im doppelten Sinne

Denn mein Fokus gilt nicht nur der Automobilbranche und der etablierten Wirtschafts-Szene, sondern auch spiegelbildlich dem „New Space“ als der Wiederentdeckung der Weltraum-Chancen, nicht nur durch Elon Musk und Richard Branson, sondern auch durch den deutschen Space-Mittelstand und die tollen Space-Startups  – denen beiden mein besonderes Engagement gilt. Diese Zukunftsbranche wurde von der Bundesregierung, aber auch von der bayrischen Staatsregierung lange sträflich vernachlässigt. Anlässlich des 50. Jahrestags der ersten Menschen auf dem Mond forderten wir daher im Juli 2019 die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung im Rahmen eines Space- Events im bayrischen Landtag auf, ihr Engagement für die Davids der deutschen  Raumfahrt deutlich zu steigern und nicht nur die europäischen Goliaths wie z.B. Airbus zu fördern. Wir, das waren unter anderen Ernst K. Pfeiffer für den Verband mittelständischer Raumfahrtunternehmen „Best of Space“, Wolfgang Heubisch als MdL und Bayerischer Staatsminister a.D. für Wissenschaft, Forschung und Kunst und ich gemeinsam mit vielen Unternehmen der Branche.

Wir brauchen international leuchtende Innovationszentren für Raumfahrt, damit DeepTech wachsen kann.
IThomas Sattelberger, MdB

New Space(s) ist dabei nicht nur eine Branche unter anderen. Sie ist eine Zukunftsbranche nicht nur mit hohem Wirtschaftspotential, sondern vor allem mit großem narrativen Potenzial. Neil Armstrongs erste Schritte auf dem Mond haben die Menschen auf der Erde tief bewegt. 50 Jahre später ist es Zeit für einen neuen Schub. Europa und Deutschland müssen klotzen statt kleckern. Wir müssen jetzt wirksame Rahmenbedingungen schaffen, damit Raumfahrt hierzulande mindestens Schritt halten kann: nicht nur mit den Wettbewerbern in den USA und China, sondern auch mit denen in Schweden, Schweiz, Luxemburg und Indien. Innovationskraft lässt sich hierzulande nur entfalten, wenn Politik nicht im Kleinklein verharrt. Von hoher strategischer Bedeutung ist es vor allem, die vier Raumfahrt-Cluster Berlin, München, Stuttgart-Bodensee und Bremen zu weltweit sichtbaren Innovationscampus in einem vernetzten Ökosystem weiterzuentwickeln. Nur so gewinnen wir die besten Talente für DeepTech upstream ins All und downstream vom All auf die Erde.

New Space als Vorbild für viele New Spaces

Das Narrativ „New Space“ kann Prototyp und Vorbild für viele New Spaces in Deutschland werden. „New Spaces“ kann und muss mehr sein als ein Synonym für die neue Relevanz der Raumfahrtindustrie. Im Idealfall wird New Spaces für diese und andere (alte und neue) Branchen eine Metapher für neue Räume und Chancen sein, die wir erschließen, um jenseits der alten Risiken erfolgreich zu sein. Ein solcher Wandel fällt nicht vom Himmel, wir müssen ihn erkämpfen, auch im politischen Raum, um im Wettbewerb der Nationen nicht zurückzufallen.