Change Management Organisationsentwicklung

„Der Teambonus hat die Zusammenarbeit im Vertrieb verstärkt“

Interview Individuelle Boni im Vertrieb abschaffen? „Das geht nicht“, lautet die landläufige Meinung. Haufe umantis hat es 2017 trotzdem gewagt. Thorsten Schaar, heute Co-Founder and Mission Lead für das FLEAT-Modell und damals Vertriebsleiter, spricht im Interview über Vorteile, Stolpersteine und Zukunft dieses Vergütungsansatzes.

Individuelle Boni sind, nicht nur im Vertrieb, nicht der Weisheit letzter Schluss.
Individuelle Boni sind, nicht nur im Vertrieb, nicht der Weisheit letzter Schluss.

Individueller Bonus als limitierender Faktor

Thorsten, Ihr habt 2017 individuelle Boni im Vertrieb von Haufe umantis abgeschafft. Warum? Gab es einen speziellen Auslöser?

Die Vertriebskollegen waren mit den individuellen Boni keinesfalls unzufrieden. Der Treiber war ein anderer: Es kommt durchaus vor, dass ein Verkäufer mit seinem Vertriebsstil beim Kunden nicht ankommt. Unser bestehendes Vergütungsmodell hat es in so einem Fall natürlich unglaublich schwierig gemacht, Kunden oder einzelne Deals an einen Kollegen abzugeben – schließlich hing die eigene Vergütung von eben diesem Deal ab. Hinzu kam, dass wir seinerzeit damit begonnen haben, mit Kunden in Co-Creation zu arbeiten. Um in solchen komplexen Verkaufssituationen die beste Durchdringung zu erzielen, brauchten wir Selling-Teams, die wir mit einer hohen Flexibilität und Passgenauigkeit in der Beratung zusammenstellen konnten. Die individuellen Vergütungsanreize waren dafür ein limitierender Faktor.

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Ein Teambonus kann die Zusammenarbeit verbessern und Ergebnisse im Sales pushen. Sagt Thorsten Schaar.

Wie sah Euer neues Vergütungsmodell aus?

Das Fixgehalt blieb gleich, aber statt individueller Boni gab es Teamboni. Je nach Gehaltsstufe lag der variable Split Fixgehalt zu variablem Anteil bei 70/30, 60/40 oder 50/50. Im Arbeitsvertrag hatten wir nur geregelt, wie das Verhältnis sich gestaltet, für den Bonus gab es eine Sondervereinbarung, die wir dann entsprechend der Ziele für die Landesgesellschaften Team Schweiz-Österreich oder Team Deutschland geändert haben.

Es war auf einmal völlig okay, wenn die Kollegen gefragt haben, wo die anderen mit ihren Aufträgen stehen. Wir haben uns stärker ausgetauscht, was der nächste Schritt beim Kunden sein könnte.
Thorsten Schaar, Mission Lead FLEAT, Haufe

Sicherheit für den Vertrieb

Wie haben die Vertriebler darauf reagiert – begeistert oder eher ablehnend?

Wir haben die Leute in Einzelgesprächen abgeholt und ihnen die Hintergründe erklärt. Das war für die meisten okay. Sie haben erkannt: Meine Verkaufszahlen schlagen sich nicht direkt auf meinen Bonus nieder, dafür habe ich jetzt einen viel größeren Kuchen, an dem ich beteiligt werde und einen stetigeren Einkommensfluss. Das war für viele ein wichtiger Punkt: die Sicherheit. Oft hatten die Vertriebler drei bis vier große Deals im Jahr, sonst eher Grundrauschen. Einmal hatte ich den Fall, dass ein Verkäufer am 31.12. um 13.30 Uhr eine Unterschrift für einen richtig großen Vertrag reingeholt hat. Er hatte vorher in dem Jahr keine anderen Abschlüsse und das war ein krasser, ungesunder Druck. Wenn diese Großaufträge nicht reinkommen, ist das das ein herber Verlust. Nun mussten mit der neuen Regelung für einen möglichst hohen Bonus einfach insgesamt viele Deals zustande kommen.

Für viele MitarbeiterInnen im Vertrieb war das ein wichtiger Punkt: die Sicherheit in punkto Vergütung. 
Thorsten Schaar, Mission Lead FLEAT, Haufe

Was hat das an der Zusammenarbeit geändert?

Der Teambonus hat die Zusammenarbeit verstärkt: Es war auf einmal völlig okay, wenn die Kollegen gefragt haben, wo die anderen mit ihren Aufträgen stehen. Wir haben uns stärker ausgetauscht, was der nächste Schritt beim Kunden sein könnte. In den Sales Meetings stellten die Leute vor, woran sie arbeiten – das war vorher eher ein Tabu. Jetzt halfen die Kollegen bereitwillig und überlegten mit, wie jemand beim Kunden weiterkommen kann. Wenn jemand gesagt hat, ich würde jetzt gerne einen strukturierten Prozess für Feedback aufsetzen, haben die anderen mitgearbeitet. Eine Produktsession, ein Meeting, ein Scoring, was würden wir jetzt an Stelle des Kunden erwarten – dafür haben sich die Leute auch mal aus ihrem Vertriebsalltag rausgenommen. Das hat die Wissensbasis im Team erweitert und die Arbeit am Kunden besser gemacht. Für mich als Führungskraft war es so viel einfacher, Enabler für mein Team zu sein.

Gegenseitige Unterstützung

Hat das neue Vergütungssystem zu einer größeren Kundenzufriedenheit geführt?

Der Wunsch, dass ein Verkaufsteam immer ganz spitz auf den Kunden zugeschnitten ist, hat sich so vielleicht nicht ganz bewahrheitet. Aber es haben sich Teams gebildet, die zusammen gut funktioniert haben. Da sind schon Sales Manager und Sales Consultants gemeinsam losgezogen, die gut miteinander konnten und die sehr gut bei den Kunden angekommen sind. Und schließlich haben wir mit diesem Vergütungsmodell signifikante Deals gewonnen und eine sehr starke Wachstumskurve vorweisen können. Davon hatten dann alle etwas.

Es heißt ja immer, Vertriebler ticken anders – sie brauchen diese extrinsische Motivation durch Vergleich, Lob, Wettbewerb. Ist das dann nur ein Mythos?

Das ist vielschichtig. Einerseits muss ich schon zugeben, dass die Ausrichtung auf den individuellen Bonus ein sehr verbreitetes Verhalten in der Berufsgruppe ist – das habe ich auch in Vorstellungsgesprächen immer wieder gemerkt. Vertriebler reizt es, wenn der Bonus „non-top-stop“ ist, also keine Deckelung nach oben hat und ein Abschluss dann finanziell richtig zündet. Dabei geht es aber nicht nur ums Geld, sondern auch um den Wettbewerb. Wenn ich da mal von mir spreche: Ich freue mich immer, wenn ich einen Bonus bekomme, aber das treibt mich morgens nicht aus dem Bett. Es geht um den sportlichen Anreiz, den auch viele Unternehmertypen haben. Für Vertriebler fühlt es sich doch oft so an, als ob sie dafür verantwortlich sind, dass im Unternehmen die Rechnungen am Ende des Monats bezahlt werden können. Deshalb finden sie es fair, wenn sie entsprechend profitieren.

Andere Mitarbeiter, die mehr im Hintergrund agieren oder an Produkten arbeiten, tragen aber doch auch wesentlich zum Erfolg bei. Wenn das Produkt schlecht ist, kann der Verkäufer noch so gut sein. Wenn das Produkt hingegen genau für den Kunden passt, muss der Verkäufer viel weniger Überzeugungsarbeit leisten.

Das stimmt. Und trotzdem trägt der Verkäufer gefühlt eine unglaubliche Verantwortung im Unternehmen. Der Bezug zum Business, also zum Kunden, fehlt manchmal in anderen Unternehmensteilen. Als Führungskraft ist es auch eine Aufgabe, dass alle Mitarbeiter diese Verantwortung spüren. Prinzipiell finde ich einen gewissen Wettbewerb dabei nicht schlecht. Es kann anspornen, wenn Mitarbeiter besser sein wollen als andere.

Ich freue mich immer, wenn ich einen Bonus bekomme, aber das treibt mich morgens nicht aus dem Bett. Es geht um den sportlichen Anreiz, den auch viele Unternehmertypen haben.
Thorsten Schaar, Mission Lead FLEAT, Haufe

Was ist entscheidend dafür, dass dieser Ehrgeiz nicht zu Ellbogenmentalität, sondern zu Teamspirit führt?

Das ist schon ein gewisses Dilemma und deshalb sind wir ja irgendwann beim Teambonus gelandet. Im Geschäftskundenvertrieb sind die Vertriebler nicht so sehr auf Taktung getrimmt. Da muss man die Kunden strategisch durchdringen. Deshalb ist ein Team-Bonus sicher leichter durchzusetzen als anderswo. Wir hatten ja nun statt Einzelkämpfer Länderteams und es war ein Ansporn, besser als das andere Länderteam zu sein. Der Wettbewerb muss sich außerdem nicht auf das eigene Unternehmen beziehen, sondern besser auf die Konkurrenten am Markt. Dafür braucht man ein gutes Team, in dem alle an einem Strang ziehen und auf einem ähnlich guten Niveau sind. Bei uns war das so.

Was würde passieren, wenn man sogenannte „Low Performer“ im Team hat?

Das habe ich bei Haufe umantis beobachtet, als ich nicht mehr Vertriebsleiter war. Da ergaben sich neue Konstellationen und dann wurde der Ruf nach individuellen Boni wieder lauter. Die Gefahr ist, dass Einzelne das Niveau des Teams runterziehen können, wenn sie nicht so gut in das Team passen. Ich kann das aber aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Es war eher so: Sobald andere geliefert haben, ist der Druck auf die Leute gestiegen, die noch keine Abschlüsse hatten. Da muss man als Führungskraft manchmal moderierend wirken und immer wieder sagen, bleibt trotzdem locker.

Vertriebler sind schon fast Business Developer

Das FLEAT-Konzept beinhaltet Subeinheiten, die maximal autonom sind, was ihre Art der Führung, Zusammenarbeit und Entlohnung betrifft. Welcher Ansatz passt da für die Vertriebsvergütung?

An dieser Frage arbeiten wir gerade. Bei Haufe umantis lebt der Teambonus auch im Vertrieb fort, in der Haufe Gruppe insgesamt hat Sales eine Mischung aus Team- und Einzelzielen, je nach Produktpalette, Vertriebsplanung und Team.

Es wird vermutlich auch künftig keinen einheitlichen Ansatz geben. Insgesamt kann es der Teambonus noch nicht gewesen sein. Wir haben immer weniger klassischen Produktvertrieb. Die Vertriebler sind schon fast Business Developer und können am Anfang eines Produktzyklus auch die Gründer und Unternehmer sein. Wir denken deshalb über verschiedene Formen der Mitarbeiterbeteiligung nach. Außerdem überlegen wir, wie die Vergütung zu OKRs passt, die wir gerade in vielen Teams einführen.

Es wird vermutlich auch künftig keinen einheitlichen Ansatz geben. Insgesamt kann es der Teambonus noch nicht gewesen sein.
Thorsten Schaar, Mission Lead FLEAT, Haufe

Inwiefern fehlt Vertrieblern jenseits vom Bonus die Wertschätzung und Anerkennung?

Der Bonus ist tatsächlich eine wichtige Anerkennung für die vertriebliche Leistung. Ansonsten kommt die Wertschätzung manchmal ein bisschen zu kurz. Wir arbeiten in einem rauen Umfeld, haben wenig Office-Zeiten, sind viel unterwegs. Auch als Teil eines Selling-Teams sieht man die anderen oft wochenlang nicht. Da fehlt das direkte Feedback. Es wäre spannend, wie man das virtuell unterstützen kann. Viele Apps arbeiten ja heute mit Gamification, Spielerrankings und Batches als Belohnungssystem. Genau das ist es, was uns antreibt: Der spielerische Vergleich ist für Vertriebler die intrinsische Motivation. 

Bei mir ist es jedenfalls so: Ich habe Lust zum Kunden rauszugehen, brauche den Pitch und dieses Adrenalin beim Kunden. Das macht so einen Spaß. Ich liebe dieses Gefühl, wenn der Auftrag reinkommt. Wir Vertriebler mögen unseren Job.