Selbstorganisation Organisationsentwicklung

Lernklebstoff: Mit Team-Content gegen das Vergessen

Nur wenn wir Lerninhalte und Verhaltensweisen mehrfach wiederholen, erinnern wir uns und entwickeln Kompetenzen. Doch wie lässt sich erfolgreiches Verhalten reproduzierbar machen? Die Haufe Group tut dies mit MS Teams und ihrer eigenen Lernplattform.

Selbstgesteuert lernen, gemeinsam und team-übergreifend: Das ist der Kern von Neuem Lernen. Photo by Tim Mossholder on Unsplash
Selbstgesteuert lernen, gemeinsam und team-übergreifend: Das ist der Kern von Neuem Lernen. Photo by Tim Mossholder on Unsplash

Hoher Lernbedarf

In turbulenten Zeiten haben Unternehmen einen extrem hohen Lernbedarf: Beschäftigte sollen beispielsweise lernen, wie sie agile Methoden in sich ständig wechselnden Teams anwenden können. Reflexartig ruft die Personalentwicklung dann normalerweise nach Trainings, Workshops und E-Learnings, in denen sich die MitarbeiterInnen in ein paar Tagen entsprechend weiterbilden sollen.

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Brainwash funktioniert nicht

Doch letztlich ist klar: Brainwash und Bulimie-Lernen funktionieren nicht. Wir wissen seit Hermann Ebbinghaus, dass wir schon nach etwa 20 Minuten nur noch circa 60 Prozent, und nach einem Tag lediglich noch 34 Prozent des Gelernten abrufen können. Dauerhaft bleiben nur etwa 15 Prozent des Lernstoffes in unseren Köpfen haften. Doch je häufiger wir etwas wiederholen desto länger bleiben Kenntnisse und Fähigkeiten präsent und desto seltener ist eine Auffrischung nötig. Außerdem bleiben uns Lerninhalte dann besser im Gedächtnis, wenn sie das Wesentliche prägnant auf den Punkt bringen und mit Erfahrung verknüpft werden. Dann geht uns das Gelernte allmählich in Fleisch und Blut über.

Je häufiger wir etwas wiederholen desto länger bleiben Kenntnisse und Fähigkeiten präsent.

Wie entsteht ein solcher Lernklebstoff aber im agilen Kontext? Die Schwierigkeit dabei: Es geht darum, Menschen zu befähigen, eine komplexe und sich wandelnden Welt für sich zu erobern. Das lernen Beschäftigte am besten durchs Tun, durch ihre Erfolge und Misserfolge. Prinzipiell müssen Organisationen dafür Freiräume schaffen, insbesondere mithilfe von Kollegen und Führungskräften, die sich als Enabler verstehen. Das lässt sich in folgenden Kernaussagen zusammenfassen:

  • Formales und informelles Lernen haben den gleichen Stellenwert.
  • Die Führungskraft sorgt dafür, dass Lernen im Alltag eine hohe Priorität hat. 
  • Bereichsübergreifender Austausch ist ganz normal.

Bei der Haufe Group sind dies keine Lippenbekenntnisse, sondern wichtige Entwicklungsgrundsätze, die in einer Betriebsvereinbarung verankert wurden. Damit die Menschen in der Organisation diese Grundsätze in der Praxis auch leben können, braucht es neben der entsprechenden Haltung die nötigen Methoden und Tools.

Schritt 1: Wissen dokumentieren und gewinnen durch Arbeitshilfen in MS Teams

Wenn ein Team etwas Neues probiert, zum Beispiel mit agilem Arbeiten beginnt, macht es viele positive Erfahrungen, fällt aber auch an vielen Stellen gehörig auf die Nase. Die folgende Grafik zeigt unten (A) ein „Team Blau“, das sich überlegt, wie es näher an den Sweetspot des optimalen Verhaltens gelangen kann, das am erfolgreichsten macht und am effektivsten ist (dunkelblauer Bereich). Wie können wir positive Erfahrungen (grüner Bereich) für die weitere Zusammenarbeit im Unternehmen bewahren und kultivieren und wenig nützliches Verhalten (roter Bereich) möglichst vermeiden?

Wie können alle von Erfahrungen einzelner Teams profitieren?

Ein Problem dabei: Learnings sind in Teams häufig nur für einen Teil der KollegInnen reproduzierbar. Die Teammitglieder machen zum Beispiel am Ende einer Sprint-Phase einen Review, in dem sie darüber sprechen, was gut lief und was nicht. Auf einer Fuck-up Night erzählen sie ein paar Wochen später, was dabei alles so richtig in die Hose ging. Wer nicht live oder remote dabei ist, bekommt Lernerkenntnisse allerdings nicht mit, Außenstehende gehen leer aus. Hinzu kommt: Irgendwann wechseln MitarbeiterInnen das Unternehmen, es kommen neue, die nicht dabei waren, und so geht dem Unternehmen das Erfahrungswissen verloren. Deshalb begannen die Haufe-KollegInnen, ihre Erfahrungen in MS Teams zum Beispiel in Checklisten für die Zukunft nutzbar zu machen oder in ihrem Team-Wiki zu dokumentieren, um sie so miteinander zu teilen.

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Vom einzelnen Team zur unternehmensweit vernetzten Lerngruppe: Die Zukunft des Lernens.

Schritt 2: Gelerntes im Team reproduzieren

Wenn das „Team Blau“ ein paar Wochen später wieder vor einer ähnlichen Herausforderung steht, kann es auf diese Tipps im MS Teams zugreifen und das gewünschte Verhalten einfacher wiederholen. Doch im nächsten Sprint können andere Dinge schief gehen oder besonders gut laufen, die es sich lohnt, festzuhalten und unternehmensweit zu kommunizieren. Die KollegInnen merken schnell, dass dabei eine kleine Geschichte oder eine persönliche Präsentation, zum Beispiel ein Handyvideo, helfen können. So kommen viele sogenannte Lern-Nuggets zustande – oft unprätentiös, authentisch, sehr glaubwürdig und mit hohem Nutzwert.

Lernplattform mit Suchfunktion

Um schnell das Passende zu finden, braucht es eine umfassende Verschlagwortung. Das wäre händisch eine ganze Menge Arbeit. Das gesprochene Wort aus dem Video wird auf der Learning Experience-Plattform von Haufe automatisch transkribiert und damit in einer Suche auffindbar. So ergänzen sich die Lernplattform und MS Teams, denn beide unterstützen sowohl die Kollaboration als auch das selbstgesteuerte Arbeiten und Lernen. Daher lag es nahe, das Lerntool in Teams einzubinden.

Schritt 3: Wissen ohne Grenzen

Die Learning Experience-Plattform ist für alle KollegInnen erreichbar – unternehmensweit kann jedeR MitarbeiterIn das dort dokumentierte Wissen direkt anzapfen – über Bereichs- und Ländergrenzen hinweg. Dank dieser Erweiterung starten andere Teams (Rosa und Lila) oft schon mit einem gewissen Vorwissen und sind der erfolgreichen Lösung im Sweetspot näher. Da die Teammitglieder bereits eine gute Orientierung darüber haben, was zum Erfolg führt, wird der Lernschatz größer (siehe dunkelblau dargestellter Sweetspot, der größer wird und nach oben anwächst). Davon können auch neue Teammitglieder profitieren, die eine ähnliche Aufgabe das erste Mal angehen.

Schritt 4: Unternehmensübergreifende Lernteams bilden

Noch größer wird der Nutzen für das Unternehmen, wenn mehr Menschen den gemeinsamen Lernschatz zu einem Thema teilen und anreichern. Das passiert zum Beispiel dann, wenn einzelne Mitglieder von „Team Blau“ sich auch unternehmensübergreifend in Lernteams zusammentun – nämlich dann, wenn sie an ähnlichen Lerninhalten interessiert sind (rot dargestellte Personen in den Teams).

Selbstgesteuertes Lernen: MitarbeiterInnen posten auf der Lernplattform eigene Videos, interessante Artikel oder hilfreiche Bilder und schaffen so neue, teamübergreifende Lerngruppen.

Denn oft kommen die KollegInnen in unterschiedlichen Bereichen gleichzeitig auf die Idee, neue Methoden auszuprobieren. Dann wird häufig dazu eine erfahrene Kollegin um Rat und Unterstützung gebeten, die sich schon mit einer agilen Methode beschäftigt und Content erstellt hat. Um diesem Prozess effizient zu begegnen, ständige Erklärschleifen zu vermeiden und Zeit zu sparen, postet die erfahrene Kollegin zusätzliche Videos, PDFs oder Links zu externem Content. Sie eröffnet eine neue Lerngruppe genau zu dem Thema und lädt die interessierten KollegInnen dazu ein. Auch andere können im Verlauf auf der Learning Experience-Plattform die Gruppe aufspüren und sich dazugesellen oder von Mitgliedern eingeladen werden. Sie profitieren von den bereits zur Verfügung gestellten Inhalten und ergänzen im Gegenzug ihre persönlichen Erfahrungen und Tipps.

So bildet sich eine vernetzte Lerngruppe, die für das Thema brennt und unabhängig von persönlichem Umfeld, KollegInnenkreis oder Arbeitsort funktioniert. Wissen und Lernerlebnisse werden ständig weiter potenziert und für das Unternehmen gesichert. Menschen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Organisation zahlen darauf ein, dass der Lernschatz im Sweetspot weiterwächst und die Mitarbeitenden die nötigen Kompetenzen für eine sich schnell ändernde Zukunft aufbauen können.

Neues Lernen lernen

Neues Lernen basiert auf den in der Betriebsvereinbarung der Haufe Group verankerten Entwicklungsgrundsätzen und bedeutet vor allem auch vernetztes Lernen. Damit vernetztes virtuelles Lernen funktioniert, sind die richtigen Tools wichtig. Und es kommt auf die entsprechende Haltung der PersonalentwicklerInnen an: Wenn sie sich öffnen und nicht als alleinige Masterminds der Weiterbildung verstehen, können sich die Menschen in Lern-Communities besser selbst und gegenseitig helfen. Unternehmen müssen weniger fertigen Lerncontent bereitstellen, sondern den KollegInnen die nötigen Freiräume für die Produktion von User Generated Content schaffen. So entstehen für das Unternehmen hochrelevante Lerninhalte. Neu Gelerntes wird in der Regel schnell vergessen, und wirklich wertvolle Erfahrungen werden nur im Tun gemacht. Unternehmen sollten deshalb Arbeiten und Lernen eng zusammenführen. Echter Lernklebstoff entsteht mit dem passenden Mindset: Neues Lernen heißt Geben und Nehmen.