Republica: Ringen um New Work

Die Zukunft der Arbeit wurde auf der Republica 2019 von ganz unterschiedlichen Akteuren betrachtet. Vielleicht können sie voneinander lernen.

Teil der Republica 2019 war eine Installtion, die den gesamten Text des Romans  "Moby Dick" abbildete.
Teil der Republica 2019 war eine Installtion, die den gesamten Text des Romans "Moby Dick" abbildete.

Was machen digitale Technologien und das Internet mit uns? Wem gehört das Netz? Und was muss getan werden, damit mithilfe digitaler Technologien ein Mehrwert für Viele geschaffen werden kann? – Das sind Fragen, mit denen sich die Digitalkonferenz Republica nun schon seit 13 Jahren in Folge beschäftigt. Auch um die Neue Arbeit wurde auf der Republica 2019 gerungen – aus ganz unterschiedlichen Blickwickeln.

Angst vor Kontrollverlust

„Es geht um die Frage, wie wir unsere Gesellschaft gestalten und wie wir leben wollen. Das betrifft vor allem die Frage: Was passiert mit der Arbeitswelt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil in seiner Rede auf der Republica. Weder der kalifornische noch der chinesische Weg seien dabei die richtige Antwort für Deutschland und Europa. „Wir müssen uns fragen, wie können wir in der digitalen Transformation unsere Werte behaupten?“ Digitalisierung dürfe nicht Ausbeutung bedeuten, so Heil und man dürfe vor lauter Euphorie nicht vergessen, dass manche Menschen auch Angst vor der Zukunft hätten.

Dass digitale Geschäftsmodelle Arbeit nicht nur zum Guten verändern können, verdeutlichte unter anderem die kanadische Autorin Alex Rosenblatt, die Recherchen zu ihrem Buch „Uberland: How Algorithms are rewriting the rules of work“ vorstellte. Uber-Fahrer, so fand sie heraus, können keineswegs so selbstständig arbeiten, wie es das Wort „selbstständig“ suggeriere. Vielmehr seien sie abhängig von den Weisungen der Algorithmen, die ihnen vorgeben, welche Menschen sie zu transportieren haben, die ihren Lohn berechnen und die auch darüber entscheiden können, ob ein Fahrer seine Arbeit verliert.

Und natürlich wurde auch in diesem Jahr intensiv über die Monopolstellungen der großen Internetkonzerne debattiert, deren digitale Geschäftsmodelle auf den Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer aufbauen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sprach über Gerechtigkeit und Fairness in der digitalisierten Welt und unterstrich, dass Technologien und Märkte den Menschen dienen sollten und nicht umgekehrt.

Chancen für die Neue Arbeit

Wird in der digitalisierten Arbeitswelt also alles schlechter? Nein, diesen Eindruck hinterließ die größte Digitalkonferenz Deutschlands keineswegs. Denn neue Technologien verursachen nicht nur neue Probleme, sondern auch Chancen – gerade für die Art, wie Menschen arbeiten. Das bewiesen unter anderem die Gründerinnen und Gründer, die auf der Republica zu Wort kamen. Fabian Dittrich war einer von ihnen. Er berichtete darüber, wie er für ein paar Monate sein Unternehmen aus einem Land Rover heraus, mit dem er und seine Mitgründer durch Südamerika reisten, leitete. Seine Erkenntnis: „Technologie kann unser Leben verbessern.“ Denn nicht nur konnten die Gründer dank mobiler Internetverbindung von überall aus arbeiten, mit Hilfe intelligenter Tools gelang es ihnen außerdem, ihre Aufgaben in der Hälfte der Zeit, die sie in Deutschland dafür gebraucht hatten, zu erledigen.

Gleiche Ideen – gleiche Probleme

Und wo digitale Transformation ist, ist New Work nicht weit, auch bei der Republica. Dass Unternehmen Hierarchien abbauen, Anreize ändern, Teams stärken und Führung überdenken sollten, schallte von so manchen Bühnen an den drei Konferenztagen. Besonders aber in der neu geschaffenen Recruiting Area, in der sich Unternehmen und Bewerberinnen und Bewerber vorstellen konnten. „Die klassische Schornsteinkarriere war gestern“, sagte etwa Elke Eller, Personalvorständin der Tui Group. Karriere ginge um die persönliche Entwicklung im Arbeitsleben. „Geht immer mal wieder in euch und überlegt, wo ihr in fünf oder in zehn Jahren stehen wollt.“ Ein Unternehmen müsse den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich machen, wie sie sich weiterentwickeln können – ohne dabei gleich in hierarchischen Karrieren zu denken. „Karrieren werden spiralförmig“, sagte Hermann Arnold, Mitgründer von Haufe-umantis. Die Neuausrichtung von Führung stelle alle Menschen im Unternehmen vor Herausforderungen. „Nicht nur die da oben müssen Macht abgeben, auch die da unten müssen Dinge in die Hand nehmen.“ Elly Oldenbourg, Senior Industry Managerin bei Google, betonte, was New Work für sie bedeutete: Kollaboration, Wertschätzung, Anerkennung und eine Gesellschaft, in der Erwerbsarbeit einen weniger wichtigen Platz im Leben der Menschen einnimmt. Janina Kugel, Personalvorständin von Siemens, hob die Bedeutung von Weiterbildung und auch Diversität in den Unternehmen hervor.

Dass dieser Wandel in den Unternehmen kein einfacher ist, betonten alle Vortragenden. Die Realität des Arbeitsalltags zeigte sich trotzdem besonders in den Fragen, die im Anschluss an die gut besuchten Auftritte gestellt wurden. „Welche Anreize können Sie denn geben, um diesen alten hierarchischen Bau abzuschaffen“, fragte etwa eine Zuhörerin, die bei Siemens arbeitet, Personalchefin Janina Kugel. Ein anderer Zuhörer bezog sich auf Kugels Wunsch nach Diversität und erzählte, dass er bei einem Workshop mit einem 50-köpfigen Siemens-Team zusammen gearbeitet hatte, das zu hundert Prozent aus Männern bestand. „Ich bin ehrlich, ich glaube, wir brauchen zwei weitere Generationen bis es genauso viele weibliche wie männliche Absolventen in den technischen Studiengängen gibt“, antwortete Kugel, „und bis wir Gleichberechtigung und Parität in Unternehmen erreicht haben, bin ich tot.“ Auch auf die Frage, wie man Menschen für einen Wandel begeistert, konnten die verschiedenen Rednerinnen und Redner nicht immer befriedigende Antworten für das Publikum geben. Wo neue Chancen entstehen, entstehen eben auch neue Probleme.

Arbeit aus einer anderen Perspektive

Das Lob auf die Arbeit in diversen Teams, hierarchiefreie Arbeitsplätze, die Lust auf das lebenslange Lernen und Anreize, die jenseits von Geld liegen, konnte ein ganz anderer übrigens ebenso gut vermitteln wie die Firmenvertreterinnen, Berater und Gründer: Alexander Gerst. Der Astronaut und Geo-Physiker berichtete auf der Republica über seine Zeit im All auf der Internationalen Raumstation ISS. „Wenn du weit kommen willst, gehe gemeinsam“, sagte er vor einer vollbesetzten Halle und berichtete von der Arbeit des internationalen Teams auf der Raumstation, das er als Kommandant zwar formal leitete, diesen Führungsanspruch aber nur in gefährlichen Situationen in Anspruch nahm.

Um mehr über neue Arbeit zu erfahren, müssen Interessierte aber nicht unbedingt ins All oder zu den Vorträgen der Republica. Denn es gibt noch einen anderen Ort, an dem Zusammenarbeit mit ganz anderen Regeln als in der herkömmlichen Arbeitsorganisation funktionieren kann: das Internet. „Wer etwas über die Zukunft der Arbeit lernen möchte, sollte Minecraft spielen“, sagte Martin Wiens. Der Produktentwicklungs-Berater stellte vor, wie vernetzt, intrinsisch und kreativ die Spielerinnen und Spieler des Open-World-Spiels vorgehen.

Vielleicht sind es genau diese Kreativität und diese Idee vom Internet als hierarchiefreien und demokratischen Raum, von denen sich Unternehmen und Menschen, die nach Lösungen für die neue Art der Zusammenarbeit suchen, inspirieren lassen können.