New Work Selbstorganisation

Wann sind wir erfolgreich – und wie kommen wir dahin?

Was heißt Erfolg? Was hat beruflicher Erfolg mit unserer Persönlichkeit zu tun? Und vice versa? "Unser Lohn liegt in geglückten Etappen, im Lernen aus Fehlern und dem leisen Gefühl des Wachstums", meint Michael Andrick.

Ob unser Leben für uns gelingt, liegt nicht allein am Erfolg im Beruf.  Photo by Jen Theodore on Unsplash
Ob unser Leben für uns gelingt, liegt nicht allein am Erfolg im Beruf. Photo by Jen Theodore on Unsplash

Welcher Maßstab für Erfolg?

Die Arbeitswelt kann die Personen, die in sie eintreten, verundeutlichen: Jeder kennt Menschen, die als Rechnungsprüfer, als Restaurantleiter oder als Rechtsanwalt denselben charakteristisch uncharakteristischen Eindruck vermitteln würden wie in ihrer tatsächlichen Tätigkeit. Sie könnten genauso gut einer anderen Arbeit nachgehen.

In unseren Arbeitswelten werden Erfolgsmöglichkeiten für uns veranstaltet, die ihren Zwecken dienen. Jahresziele und Beförderungsregeln sind Beispiele dafür.

Dennoch kann nach unserem Sprachgebrauch auch jemand, der keine persönliche Sinnerwartung an seine Arbeit hat, erfolgreich sein. Paul könnte jeden der genannten Berufe ausüben, doch er wäre stets ein mehr oder weniger erfolgreicher Rechnungsprüfer, Restaurantleiter oder Rechtsanwalt. Der Maßstab des Erfolgs oder Versagens in diesen Rollen hat also nichts mit Pauls Persönlichkeit zu tun.

Philosophie der Arbeitswelt
Michael Andrick macht sich in einer Artikelserie Gedanken über den Sinn der Arbeit und gelingendes Leben.
Teil 1: Irgendwas muss man ja machen?

Das ist ein simpler, aber wichtiger Punkt. Die Institutionen, in denen wir unsere Laufbahnen verfolgen, sind zweckgebunden. Ihr Zweck legt fest, was als Erfolg und was als Versagen gilt. In unseren Arbeitswelten werden Erfolgsmöglichkeiten für uns veranstaltet, die ihren Zwecken dienen. Jahresziele und Beförderungsregeln sind Beispiele dafür.

Die Antworten auf die Fragen dieses Artikels unserer Serie sind also einfach: Wir sind in dem Maße erfolgreich, wie wir dem Zweck der Institution dienen, in der wir arbeiten. Und wir erringen diesen Erfolg durch einfachen, emsigen Konformismus.

Diese Antworten sind unter-, nicht überwältigend; sie stellen nicht zufrieden. Wir haben es so nicht gemeint. Eigentlich wollen wir wissen, wie wir als wir selbst – als Menschen mit bestimmten Wertvorstellungen, Träumen und Hoffnungen – im Leben erfolgreich sein können. Ginge es mir nur darum, in irgendeinem bezahlten Job zu reüssieren, dann wäre ich der geldfixierte Materialist aus dem Artikel der Vorwoche.

Wir sind in dem Maße erfolgreich, wie wir dem Zweck der Institution dienen, in der wir arbeiten. Und wir erringen diesen Erfolg durch einfachen, emsigen Konformismus. Aber diese Antwort ist unbefriedigend.

Jenseits des Geldverdienens

Wer das nicht sein will, kann weiterlesen und mit nachdenken, wie ein reicherer Maßstab des Erfolgs aussieht und wie wir in seinem Sinne erfolgreich sein können. (Wer überzeugter Materialist ist und bleiben will sollte sich jetzt wieder den aktuellen „Meilensteinen“ widmen. Und vorher Gymnastik machen: Vielleicht lässt sich nicht jede Karrierestufe im aufrechten Gang nehmen.)

Noch dabei? Gut, lassen wir uns von Niklas Luhmann weiterhelfen: „Die Arbeit selbst ist rational organisiert. Aber ihre Konsequenz ist nicht die innere Konsequenz des persönlichen Lebens. Daher bleibt der Arbeitende in dem, was er gerne möchte, oft ungehört; in dem, worin er sein Eigenstes darstellt, ungesehen.“ Das erfasst den Hintergrund der vielseitigen „Sonderwege“, die Menschen über ihre Berufstätigkeit hinaus einschlagen.

Die Wertvorstellungen, denen sich Menschen selbst verpflichten, geben ihnen einen reicheren Maßstab für das Gelingen ihres Lebens, als eine Karriere in der Arbeitswelt ihn bieten kann.

Denken wir z.B. an den Büroangestellten, dessen Leidenschaft die archäologischen Grabungen sind, denen er seine Urlaube widmet; oder an den Arzt, der das Geldverdienen für seine Einsätze bei „Ärzte ohne Grenzen“ unterbricht und dabei seine eigene Gesundheit aufs Spiel setzt; oder an den besorgten Bürger, der einen Verein gründet, um uns über gemeinwohlwidrige Aspekte des aktuellen Finanzsystems aufzuklären.

Was haben diese Leute gemeinsam? Sie stellen Ansprüche an sich, die über das Geldverdienen hinausgehen. Sie richten ihr Leben so ein, dass sie für das kämpfen können, was ihnen über den industriellen Betrieb hinaus gedacht entscheidend wichtig vorkommt. Der eine will das alte Ägypten enträtseln helfen, der andere will unmittelbar Bedürftigen zur Seite stehen, der dritte will das Casino des „Investmentbankings“ schließen. Ich will philosophieren.

Direkte Erfahrung sinnhaften Tuns

Die Wertvorstellungen, denen sich diese Menschen selbst verpflichten, geben ihnen einen reicheren Maßstab für das Gelingen ihres Lebens, als eine Karriere in der Arbeitswelt ihn bieten kann. Vielleicht vermindern diese „Sondertätigkeiten“ die Erfolgsaussichten solcher Menschen in der Arbeitswelt. Aber sie ermöglichen die direkte Erfahrung sinnhaften Tuns, das nicht egozentrisch, sondern mit anderen solidarisch ist.

Der Erfolg der Erwerbsarbeit ist am Ende Geld und ein vermuteter Status in den Augen anderer, die man zumeist weder kennt noch besonders mag. (Oder versuchen Sie Menschen, die Sie persönlich mögen, mit Statussymbolen zu „übertrumpfen“?) Der Erfolg einer wertorientierten Lebensführung heißt Zufriedenheit, Einigsein mit sich selbst.

Erfolgsleere
Wie sind unsere Arbeitswelten entstanden – und wie funktionieren sie? Warum fasziniert, fesselt und verdummt uns der Ehrgeiz? Warum sollten wir uns gegen die Durchformung unseres Daseins durch die Karriere wehren? Und wie ermöglicht es das Philosophieren, sich eine eigene Lebensweise zu bewahren?
Zum Buch von Michael Andrick

Innerhalb des weiteren Horizonts einer solchen Lebensauffassung hat eine klug gewählte Erwerbsarbeit ihren Platz – es kann nur nicht mehr jede beliebige Arbeit sein. Der humanitär engagierte Arzt wird nicht bei der NATO arbeiten, deren Mitgliedsstaaten Angriffskriege führen; der Gründer des Vereins zur Aufklärung über die Finanzmafia wird nicht bei einer „Investmentbank“ anheuern. Er würde dann mit sich selbst uneinig.

Der Erfolg einer wertorientierten Lebensführung heißt Zufriedenheit, Einigsein mit sich selbst. Innerhalb des weiteren Horizonts einer solchen Lebensauffassung hat eine klug gewählte Erwerbsarbeit ihren Platz – es kann nur nicht mehr jede beliebige Arbeit sein.

Durch Arbeit nach Zweckvorgaben des Betriebs können wir beruflichen Erfolg planvoll erreichen. Einigsein mit uns selbst, Zufriedenheit, ist nicht so leicht nach Fahrplan zu erlangen, sie bleibt immer in der Schwebe. Denn anders als beim Arbeiten im Betrieb sind wir in unserem Selbstverhältnis allen Widrigkeiten der Wirklichkeit ausgesetzt: unserer Trägheit und moralischen Schwäche, den Vorurteilen und unwägbaren Eingriffen anderer.

Zufriedenheit und Einigsein mit sich selbst

Deswegen wissen wir nicht, ob wir Zufriedenheit erlangen werden – ob das wertorientierte Leben uns nach unserem Urteil gut genug gelingen wird. Unser Lohn liegt in geglückten Etappen, im Lernen aus Fehlern und dem leisen Gefühl des Wachstums.

Dieser Mentalität von Zweifel und Versuch widerstrebt das Umfeld unserer Arbeitswelten, das notwendig auf Machbarkeit und „Mehr-vom-Gleichen“ hinauswill. In der Arbeitswelt kann der Anschein entstehen, rationale Arbeit für den Erfolg sei das ganze Leben und unsere Arbeitswelt die ganze Wirklichkeit. Um diese Illusion, die uns von einem wertorientierten Leben ablenkt, geht es im nächsten Artikel in der nächsten Woche.