Innovation Agilität

Wie künstlerisches Handeln hilft, Unvorstellbares zu erreichen

Wir erleben unsichere Zeiten. Auch im Business. Einfach einen Plan aufstellen und dann abarbeiten, funktioniert nicht (mehr). Künstler sind das gewohnt. Dirk Dobiéy und Thomas Köplin zeigen, wie künstlerisches Handeln uns helfen kann, Unmögliches Wirklichkeit werden zu lassen.

Man muss nicht kreativ sein, um kreativ zu sein.
Man muss nicht kreativ sein, um kreativ zu sein.

Von Künstlern lernen

Wie kann künstlerisches Denken und Handeln übertragen auf andere Bereiche unsere Gesellschaft und besonders unsere Wirtschaft verändern? Dieser Ausgangsfrage, die wir uns vor beinahe 20 Jahren stellten, ging ein Gefühl voraus, dass man angesichts der herausfordernden Probleme, die wirtschaftliches Wachstum und technologischer Fortschritt mit sich bringen, Dinge besser machen müsse, als es bislang der Fall war. Unsere schlichte Hypothese lautete: Wenn man das Künstlerische in uns stärkt, macht uns das kreativer und innovativer. Vor allem aber wird unser Handeln dadurch bedeutsamer, es führt zu mehr Selbstwirksamkeit.

Nur, wenn wir als Individuum Probleme der Gemeinschaft zu unseren eigenen machen, werden auch unsere Organisationen und unsere Gesellschaft in der Lage sein, bessere Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.

Warum sollte uns das heute interessieren? Ganz einfach: Künstlerisch handelnde Menschen - und das schließt ausdrücklich alle Menschen ein, deren Haltung sich in ihrer Neugier, Leidenschaft, Zuversicht und Widerstandsfähigkeit zeigt - leiten aus Herausforderungen der Gemeinschaft Arbeitsaufträge an sich selbst ab. Und nur, wenn wir als Individuum Probleme der Gemeinschaft zu unseren eigenen machen, werden auch unsere Organisationen und unsere Gesellschaft in der Lage sein, bessere Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.

Wie verarbeiten Künstler Wirklichkeit? Wer das versteht, geht an herausforderungen anders heran.
Wie verarbeiten Künstler Wirklichkeit? Wer das versteht, geht an Herausforderungen anders heran.

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung

Wir alle kennen die Entwicklungen, von denen hier die Rede ist: Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Gen- und Nanotechnologie, disruptive Geschäftsmodelle, Wirtschaftsökosysteme, globale Märkte, Verteilung des Wohlstands, schwindende Ressourcen, Umweltzerstörung, Klimawandel. In ihrer Gesamtheit führen sie zu mehr Komplexität, Dynamik, Ungewissheit und Unbeständigkeit, die sich heute in besonderem Maß auch in unseren Unternehmen bemerkbar machen und oft genug in scheinbar widersprüchlichen Anforderungen resultieren. Stand bislang Profitabilität meist allein im Vordergrund, gewinnen jetzt Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung, Umgang mit Mitarbeitern und Kunden, Innovationsfähigkeit oder Wertschöpfung in Netzwerken an Bedeutung - und zwar nicht nur, weil es opportun erscheint, sondern weil ohne deren Beachtung Profitabilität immer schwerer möglich sein wird.

Es gibt keine Eindeutigkeit, keine Geradlinigkeit, keine unumstößliche Verlässlichkeit.

Jeder von uns erlebt, dass unsere Arbeits- und Lebensrealitäten durchzogen sind von solch vermeintlichen Widersprüchen. Es gibt keine Eindeutigkeit, keine Geradlinigkeit, keine unumstößliche Verlässlichkeit. Wo uns jedoch Gewissheit fehlt, reicht es nicht mehr aus, linear und rational vorzugehen. Und dennoch verharrt man vielerorts in alten Mustern. Mehr Daten, mehr Meetings, mehr Mails. Wir machen mehr von dem, was wir kennen, ohne wirksamer zu werden. Wir verhindern Innovation, verlieren den Sinn, beschäftigen uns mit Scheinproblemen.

Vergessene Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen

Was können wir dagegen tun? Wir sollten Fähigkeiten ausbilden, die bislang eine weniger große Rolle spielten. Zu ihnen gehören Wahrnehmungsvermögen, Reflexionsfähigkeit, Gestaltungskompetenz, Umgang mit Unplanbarkeit (alles Fähigkeiten, die im Künstlerischen zuhause sind) - getragen von einer Haltung, die weit über persönliche Interessen hinausreicht. Wir haben herausgefunden, dass Künstler eine ganz besondere Haltung entwickeln. Sie zeichnet sich aus durch große Neugier, starke Überzeugung, Hingabe, Widerstandsfähigkeit und Transzendenz, verstanden als ein sich Unterordnen unter die Sache. Die gute Nachricht ist: Diese Haltungselemente findet man zwar gehäuft bei Künstlern, doch sie sind diesem Kreis selbstverständlich nicht vorbehalten. Im Gegenteil, sie sind in uns allen angelegt und entwickeln sich mit der Zeit durch Praxis, durch Erfahrungen weiter - ganz unabhängig davon, ob jemand malt, musiziert, schreibt, forscht, entwirft, baut, verkauft oder berät.

It's not about skills, it's all about capabilities
John Hagel
Co-Creation Pioneers by Haufe
Mit den Co-Creation Pioneers bietet Haufe ein neues Programm. Gemeinsam mit Partnern sucht das Unternehmen die Lösung für schnelleres und effizienteres Innovations-Management.
Mehr Informationen zu Co-Creation Pioneers finden Sie hier. 

Die künstlerische Praxis wiederum kennzeichnen Nichtlinearität und immer wiederkehrende Muster von Arbeitsweisen, die über viele oder alle Kunstgattungen hinweg nachweisbar sind. Grob unterteilen lassen sich diese Arbeitsweisen in die Bereiche Wahrnehmen, Reflektieren, Spielen und Aufführen. Die Vertrautheit dieser Begriffe verdeutlicht, dass man, um sie zu praktizieren, keine außergewöhnlichen Begabungen braucht. Und das bringt uns zur nächsten guten Nachricht: Man muss nicht kreativ sein, um kreativ zu sein. Sie brauchen kein Talent, kein Genie. Entscheidend ist, Erfahrungen zu machen und Dinge geschehen zu lassen. Nicht im Einsatz der künstlerischen Arbeitsweisen liegt die größte Herausforderung sondern vielmehr darin, Ungewissheit und Unplanbarkeit zuzulassen und mit ihnen umzugehen. Genauso wie mit den oft zahllosen Anläufen, die nötig sind, um erfolgreich zu sein, mit den Sackgassen und Rückschlägen, mit den zufälligen Fügungen, denen man erst begegnen kann, wenn man schon unterwegs ist.

Wie sieht ein Umfeld aus, dass uns hierbei unterstützt? Organisationen, die in Zukunft erfolgreich sein wollen, so wie auch unsere gesamte Gesellschaft, sind auf künstlerisch handelnde Menschen angewiesen. Um ihre Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu bringen, müssen sie jede Art von Einseitigkeit überwinden. Sie müssen ein Umfeld schaffen, das Vielfalt, Sinnhaftigkeit, Freiraum und Beweglichkeit in allen Bereichen und letztendlich auch die Gleichzeitigkeit von Gegensätzen ermöglicht. So gelingt es, die eigenen Möglichkeitsräume zu erweitern und letztendlich Unvorstellbares zu erreichen.

An dieser Stelle werden wir von Zeit zu Zeit über derartige Möglichkeitsräume berichten.

 

Autoren 

Dirk Dobiéy und Thomas Köplin sind Mitgründer des Beratungs-, Ausbildungs- und Forschungsnetzwerks Age of Artists. Dirk Dobiéy war bis 2014 in unterschiedlichen Führungsfunktionen in der mittleren Leitungsebene bei SAP tätig. Davor arbeitete der Betriebswirt viele Jahre als Unternehmensberater bei Hewlett-Packard sowie als Beratungsleiter bei T-Systems. Thomas Köplin ist seit 2002 in der Digitaleinheit der Deutschen Telekom für Organisations- und Strategieentwicklung sowie interne Kommunikation zuständig.

Sie sind Autoren des Buches "Creative Company".