Talent Management

Bildungskennzahlen lügen

Kennzahlen für Weiterbildung sind oft nur Schönwetter-Kosmetik. Über die Wirksamkeit von Lerninterventionen, die Zukunftsfähigkeit oder Agilität von Unternehmen sagen sie wenig aus. Dabei könnten gute KPIs ganz einfach sein.

Lernerfolg können Unternehmen nur an geschäftsrelevanten KPIs messen.
Lernerfolg können Unternehmen nur an geschäftsrelevanten KPIs messen.

Eigentlich sollen Informationen in Geschäftsberichten der Transparenz dienen. Unternehmen möchten damit in Richtung Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer, Kapitalgeber, Banken, Kunden, Lieferanten und nicht zuletzt potenziellen Bewerbern ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren. Die Aktivitäten in der Personalentwicklung sollen unter Beweis stellen, dass die Organisation die eigenen Leute ständig für die Herausforderungen von dynamischen Märkten fit macht. Fördert ein Unternehmen in hohem Maße die Weiterbildung seiner Mitarbeiter, gilt es als innovativ, zukunftsfähig und attraktiv für begehrte Fachkräfte.

Kennzahlen spiegeln, was Stakeholder hören wollen

Geht es also darum, einen neuerlichen Geschäftsbericht zu verfassen oder das Weiterbildungsbudget zu rechtfertigen, beschäftigen sich Unternehmen vor allem mit Fragen wie: Was wird traditionell erwartet? Was will die Öffentlichkeit hören? Was fordern Ratingagenturen? Und worauf reagiert der Finanzvorstand?

Arbeitgeber haben viel Freiraum dabei, welche Informationen sie preisgeben. Als Muss-Kennzahlen im Geschäftsbericht gelten die Teilnehmerzahlen von Weiterbildung im Berichtszeitraum sowie die Teilnehmertage und -stunden, die Mitarbeiter in den Qualifikationsmaßnahmen verbringen. Üblich sind auch die Gesamtausgaben für Weiterbildung und die Ausgaben, die pro Mitarbeiter in Weiterbildung fließen. Manchmal tauchen die Zufriedenheit mit den Trainings oder die Nutzungszahlen von E-Learnings auf. Bisweilen sind die Teilnehmerzahlen auch nach Alter, Geschlecht oder Nationalitäten aufgelistet, um Diversity-Bemühungen unter Beweis zu stellen.

Unmittelbare Businesswirksamkeit: Mehr Output statt nur Input

Das höchste der Gefühle ist eine Darstellung der Weiterbildungsstrategie: Unternehmen erläutern in Grundzügen ihre Weiterbildungsphilosophie, welche Zielgruppen sie damit erreichen möchten und welche Methoden sie anwenden. Derartige Erklärungen sind allerdings eher selten und sagen letztlich auch wenig über den eigentlich entscheidenden Punkt aus: nämlich wie Investitionen in Weiterbildung konkret auf das Business wirken. 

 

Statt nur über den Input in Sachen Personalentwicklung zu schwadronieren, wäre der Output die alles entscheidende Größe.

 

Statt nur über den Input in Sachen Personalentwicklung zu schwadronieren, wäre der Output die alles entscheidende Größe: Belege für die Zukunftsfähigkeit und den tatsächlichen Grad an Agilität erhalten Unternehmen nicht über die Anzahl der Mitarbeiter, die Schulungen über agile Methoden durchlaufen haben, sondern nur über den Effekt, den sie damit erzielen. Was sagen zum Beispiel durchschnittliche Trainingstage pro Mitarbeiter tatsächlich aus? Zumindest nichts über den Kompetenzerwerb und ein besseres Vermögen, heutige Aufgaben besser und künftige überhaupt erledigen zu können.

Business-relevante Kennzahlen entwickeln

Des Pudels Kern liegt woanders: Den Lernerfolg können Unternehmen nur an geschäftsrelevanten KPIs messen. Aussagekräftige Kennzahlen ermitteln den Mehrwert, den Weiterbildungsmaßnahmen für das Business bringen.

Hier einige Beispiele, wie das Unternehmen bereits tun oder wie das künftig aussehen könnte:

1. Time to Competency
Beim Anlernen von Mitarbeitern können Unternehmen über neue Lernansätze und eine individuelle Lernreise den Lerninvest optimieren, weil Beschäftigte genau das Richtige zur richtigen Zeit auf die für sie richtige Art lernen. Durch das Lernen am Arbeitsplatz als Ergänzung zu klassischen Seminaren wird das Lernen effektiver und effizienter. Die Zeitspanne, bis sie wirklich fit für neue Aufgaben sind, die Time to Competency, lässt sich dadurch signifikant und messbar reduzieren.

2. Geschwindigkeit und Souveränität der Aufgabenerfüllung
Im Berufsalltag stoßen Mitarbeiter oft auf technische Probleme, die sie beim Erledigen ihrer Aufgaben aufhalten. Derartige Unsicherheiten können Unternehmen durch Performance Support reduzieren. Durch einfache Abfragen bei den Nutzern erfahren Organisationen, inwiefern ihre Beschäftigten dadurch schneller und leichter zur Sache kommen können.

3. Geringere Fehlerquoten
Wenn Mitarbeiter, beispielsweise in der Produktion, nicht ausreichend angelernt wurden, sie sich mit einem Herstellungsverfahren nicht richtig auskennen und ihnen somit Kompetenzen für die Anwendung fehlen, kann es leicht zu Fehlern kommen. Geringere Fehlerquoten etwa in Form von Ausschuss, lassen sich meist recht einfach erfassen.

4. Bereitschaft für Verlernen und Veränderung
Nutzen die Mitarbeiter aktuell überhaupt die neue Software? Hat Weiterbildung dazu geführt, dass sie neue Tools wirklich anwenden und anders arbeiten? Wie hoch ist die Akzeptanz für das Neue? Mögliche Messgrößen ist die Art und Weise, wie Software genutzt und welche Features aufgerufen werden. Sinnvoll kann auch eine Befragung der Mitarbeiter sein, ob sie sich mit neuen Tools oder Arbeitsformen sicher fühlen, wieviel leichter die Arbeit von der Hand geht.

5. Grad der Agilität
Wer zum Beispiel Office 365 im Unternehmen einführt, bietet damit den Mitarbeitern zahlreiche Möglichkeiten, anders zu interagieren und eine neue Form der Kollaboration zu leben. Dies unterstützen Tools, mit denen die Beschäftigten auch synchron an Aufgaben arbeiten, diese einfach und transparent organisieren und dabei Arbeitsfortschritte transparent machen können. Anhand von KPIs, die Interaktionen in Teams, Anzahl der Websessions oder andere Arten des Austausches messen, können Unternehmen – am besten kombiniert mit den oben genannten Kennzahlen – konkrete Aussagen zu Veränderungen durch Lerninterventionen treffen.

6. Effekte von Neuem Lernen
Damit Unternehmen auch die Lernfortschritte von informellem Lernen (der 70 und 20 Prozent gemäß 70-20-10) mit einbeziehen können, sollten sie systematisch, systemunterstützt und zielgerichtet vorgehen. Lernen am Arbeitsplatz und herausfordernde Aufgaben (Stretch Assignments) sind dafür vielversprechende Ansätze, die dann greifen, wenn sich Organisationen vorab Gedanken machen, was Mitarbeiter damit tatsächlich lernen sollen. Es gilt nicht nur den „Konsum“ von Lerninterventionen zu berücksichtigen, sondern auch das aktive Beteiligen an Neuem Lernen. Geben und Nehmen sind zwei Seiten derselben Medaille: Es braucht ein Mindset des Teilens. Messgrößen dafür können einerseits beispielsweise die Anzahl der Mitarbeiter, die Content selbst einstellen, die Shadowingplätze anbieten, sich freiwillig fürs Buddying, Mentoring oder Learning Couples melden oder die Anzahl der „Working-out-loud-Gruppen“ sein. Anderseits zählt die Nutzungshäufigkeit von user-generated oder user-curated Content. Letztlich kommt es natürlich aber auch bei Neuem Lernen auf den damit erreichten Effekt an: Werden Mitarbeiter durch entsprechende Maßnahmen schneller oder können sie ihre Aufgaben qualitativ hochwertiger erledigen? Sind sie zu Neuem in der Lage? Wichtig ist dabei immer ein Vorher-Nachher-Vergleich der entsprechenden Messgrößen.

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Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Jetzt werden manche einwenden: Das ist doch nicht neu! Das kennen wir seit dem Festlegen von Lernzielen und dem Evaluationsmodell von Kirkpatrick, das diverse Nachfolger und Kritiker weiterentwickelt haben. Doch was echt neu wäre: Dass Unternehmen diese Erkenntnisse wirklich umsetzen und auf neue Lernformen übertragen. Höhere Produktqualität, Geschwindigkeit, bessere Kommunikation – welchen Businessimpact Weiterbildungsprogramme erzielen sollen, muss jedes Unternehmen für sich selbst festlegen. Und zwar nicht im stillen Personal-Kämmerlein, sondern mit HR und Business gemeinsam.