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Leadership im Start-up: „Ich habe mir Führung leichter vorgestellt“

Interview Daniel Stammler ist 28 und Co-CEO von Kolibri Games: Ein Start-up, das vergangenes Jahr 38 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet hat. Er erzählt, was erfolgreiches Gründen und Führen für ihn ausmacht.

Junge Gründer können in ihre Führungsrolle reinwachsen.
Junge Gründer können in ihre Führungsrolle reinwachsen.

Daniel, in eurem ersten Handyspiel, das ihr auf den Markt gebracht habt, Idle Miner Tycoon, baut man ein Minen-Imperium auf. Kommst du dir manchmal selbst vor wie ein Tycoon?

Daniel Stammler: Die Analogie ist natürlich da. In unserem Spiel geht es darum, wie man investiert, worauf man sich fokussiert. Das ist der Job schlechthin von einem Geschäftsführer.

Daniel Stammler
Daniel Stammler

Du bist 28 und führst ein umsatzstarkes und wachsendes Unternehmen mit 90 Mitarbeitern. Hast du dir Führung so vorgestellt?

Daniel: Grundsätzlich habe ich es mir leichter vorgestellt.

Wieso?

Daniel: Als Student habe ich in einem größeren Unternehmen gearbeitet. Ich dachte, „wenn ich hier das Sagen hätte, würde ich alles anders machen“. Dabei war und ist das Unternehmen sehr erfolgreich. Jetzt bin ich in der anderen Position. Es gibt viele Entscheidungen, von denen ich weiß, dass manche Team-Mitglieder sie nicht gut finden, von denen ich aber überzeugt bin, dass sie für das gesamte Unternehmen besser sind.

Was war so eine Entscheidung?

Daniel: Wir haben feste Arbeitszeiten, weil ich der Überzeugung bin, dass das für das gesamte Unternehmen am besten ist. Das hat sich in vielen Gesprächen herausgestellt. Natürlich gibt es einzelne Personen, die sich mehr Flexibilität wünschen. Die Mitarbeiter schätzen es aber, die Sicherheit zu haben, dass zwischen 9 und 18 Uhr immer jemand da ist.

Führung entscheidet über den Unternehmenserfolg.

Hattest du noch mehr Aha-Momente, seitdem du selbst in der Chef-Position bist?

Daniel: Meine größte Erkenntnis über die Jahre hinweg war, dass verschiedene Leute andere Arten von Führung brauchen. Es gibt Leute, die sagen von sich selbst, dass sie Druck von oben brauchen. Dann gibt es andere, die wollen den coachenden Ansatz. Manchen Mitarbeitern genügt es, wenn man ihnen ein Buch empfiehlt. Andere brauchen einen konkreten Plan, um besser zu werden. Es gibt keine Lösung, die für alle passt.

Ist dein Führungsstil etwas, womit du dich aktiv auseinandersetzt?

Daniel: Jede Person, die andere Menschen führt, sollte sich damit auseinandersetzen. Führung entscheidet über den Unternehmenserfolg. In einem Unternehmen wie unserem, ist unser Hauptwert das Team. Und wenn die Menschen besser performen können, weil sie besser geführt werden, kommt am Ende mehr dabei raus. Führen bedeutet für mich, dass man es den Mitarbeiter ermöglicht, die bestmögliche Leistung zu bringen. Es liegt in der Verantwortung der Führungskraft, dafür zu sorgen, dass der Mitarbeiter glücklich und gleichzeitig erfolgreich ist.

Daniel Stammler (zweiter von links) mit seinen Mit-Gründern (von links): Tim Reiter, Oliver Löffler, Janosch Sadowski
Daniel Stammler (zweiter von links) mit seinen Mit-Gründern (von links): Tim Reiter, Oliver Löffler, Janosch Sadowski

Ihr habt das Unternehmen vor drei Jahren zu fünft gegründet. Vier Gründer arbeiten noch bei Kolibri Games. Seid ihr alle vier auch Geschäftsführer?

Daniel: Nein. Das war eine interessante Entwicklung. Am Anfang war das ganze Unternehmen sehr gründergetrieben. Es gab uns Gründer, dazwischen nichts und dann kamen direkt die Mitarbeiter. Inzwischen haben wir ein Leadership-Team, das aus sieben Leuten besteht. Drei davon gehören zum Produkt-Team, dazu kommt noch jeweils eine Person aus dem Tech- und aus dem Marketing-Bereich und mein Kollege Janosch Sadowski und ich sind die Geschäftsführer. Wir treffen als Team die unternehmensrelevanten Entscheidungen.

Trotzdem haben Janosch und du ein Vetorecht.

Daniel: Aus rechtlicher Sicht hätten wir als Geschäftsführer immer das Vetorecht, aber wir haben es bisher noch nie eingesetzt. Wir haben es immer geschafft, zu einer Lösung zu kommen, von der alle überzeugt sind. Wir legen uns fest und ziehen die Entscheidung durch. Das ist auch Janosch und mir sehr wichtig.  Wir sind als Co-CEOs hierarchisch auf der gleichen Ebene. Wir müssen uns einigen. Dabei finde ich es superwichtig, nicht emotional zu sein, und nicht zu versuchen, seine eigene Meinung durchzubringen, sondern die bestmögliche Lösung zu finden. Das funktioniert sehr gut. Bei vielen Entscheidungen weiß ich heute nicht mehr, ob das jetzt Janoschs Idee war oder meine. Denn wir haben so lange darüber gesprochen, bis wir zu dem gleichen Entschluss gekommen sind.

Gleich zu Beginn habt ihr euch entschieden, euer Spiel bereits nach acht Wochen auf den Markt zu bringen. Das ist ungewöhnlich in der Spiele-Branche.

Daniel: Natürlich war das Spiel beim Release noch nicht ausgereift, wir hatten nur acht Wochen Arbeit reingesteckt. Wir wollten aber so früh wie möglich an den Markt gehen, um herauszufinden, ob die Welt da draußen es überhaupt haben möchte. Oft werden Produkte monate- oder jahrelang im stillen Kämmerchen gebaut, dann wird noch das Unter-Unter-Menü optimiert, und am Ende möchte es niemand haben. Wir sind es anders angegangen. Nachdem wir so früh an den Markt gegangen sind, haben wir stark gemeinsam mit unseren Spielern entschieden, wie das Spiel weitergeht. Das war nur möglich, weil noch nicht alles in Stein gemeißelt war. Das Ergebnis hatte nichts mehr mit dem Produkt, was wir am Anfang in unseren Köpfen hatten, zu tun.  

Think Big und Start Small sind keine Widersprüche.

Ihr habt euch auch kein Fremdkapital geholt.

Daniel: Wir hätten wahrscheinlich keins bekommen. Wir haben es aber auch gar nicht versucht. Das Spiel wurde in unserer WG entwickelt. Unsere Kosten bestanden eigentlich nur aus Miete und Essen. Es war also eine Situation, in der man leicht etwas ausprobieren kann.

Das klingt alles sehr vernünftig und vorsichtig. Heißt es in der Start-up-Szene nicht immer „Think Big“?

Daniel: Think Big und Start Small sind keine Widersprüche. Für uns war es von Anfang an klar, dass wir eine sehr erfolgreiche Firma aufbauen möchten. Wir hatten während des Studiums schon einzelne Start-ups, die zwar funktioniert haben, aber nicht das Potential hatten, groß genug zu werden. Ambitionen hatten wir also. Irgendwo muss man aber beginnen. Ohne Fremdkapital zu starten, ist in der Gaming-Szene außerdem nicht so schwierig, weil man relativ schnell Geld verdienen kann. Trotzdem muss man natürlich vernünftig handeln. Für uns war es zum Beispiel zu Beginn keine Option, gleich zehn Leute einzustellen. Das Geld, das wir ausgeben, muss zuvor verdient werden.

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So denkt ihr auch noch heute?

Daniel: Wir haben immer noch keine Investoren und versuchen, die Firma Schritt für Schritt größer zu machen. Bei den Mitarbeitereinstellungen ist das Geld mittlerweile kein Problem mehr, trotzdem wollen wir nicht zu schnell wachen, um unsere Firmenkultur aufrecht zu erhalten.

Ihr wart recht jung als ihr das Unternehmen gegründet habt und seid es heute noch. Holt ihr euch Ratschläge in Sachen Führung?

Daniel: Als wir das Unternehmen gegründet haben, haben wir quasi jeden Firmenchef, der nicht schnell genug wegrennen konnte, ausgefragt. Wir haben gemerkt, dass das ein gutes Instrument ist, um ein Bild davon zu bekommen, wie andere Leute in anderen Firmen Probleme lösen. Wir haben festgestellt, dass es für viele Probleme viele verschiedene Lösungen gibt. Allein das war eine wertvolle Erkenntnis. Diese Befragungen haben wir beibehalten. Wir reden weiterhin mit vielen CEOs und wir sind in der Games Branche ziemlich gut vernetzt. Es ist wichtig, die eigenen Fehler zu korrigieren, noch schöner ist es aber, wenn man den Fehler gar nicht erst begeht.