New Work Talent Management

Hard Work statt New Work

Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon aber bewährt sich im harten Alltag eines Turnaroundmanagers? Dr. Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Talent“.

Bodo Antonic plädiert leidenschaftlich für harte Arbeit.
Bodo Antonic plädiert leidenschaftlich für harte Arbeit.

Talent allein reicht nicht

„Potential hilft dir am Ende auch nicht weiter“, sagt der heimliche Juniorchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Joshua Kimmich. Recht hat er, auch wenn er und seine Kollegen an diesem Abend gegen Weißrussland 4:0 gewonnen haben.

Gegenüber der FAZ legt Kimmich die Finger in die Wunden des deutschen Spiels: Man müsse ein Spiel auch über 90 Minuten kontrollieren, man brauche in der Offensive mehr Automatismen und auf dem Feld Spieler, die im Vollbesitz ihrer Kräfte seien.

Transpiration statt Inspiration

In meinen Worten und meiner Welt heißt das: Talent ist gut, Können ist besser – und Erfolg ist häufig harte Arbeit. Hard Work statt fancy New Work, sozusagen.

Dennoch sprechen alle nach wie vor lieber von Talent Management als von Personalentwicklung. Und das Gequatsche von der Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz gehört in modernen Unternehmen auch zum guten Ton. Alle sind kreativ, einzigartig, bis in die Haarspitzen motiviert. Alle haben Anlagen, die auf ihre Entfaltung drängen.

Talent ist gut, Können ist besser – und Erfolg ist häufig harte Arbeit.

Doch der Erfolg bleibt häufig aus. Das wundert nicht.

  • Erfolg in der Wirtschaft braucht Können und Erfahrung. Wollen und irgendwie Machen ist nicht genug.
  • Produktivität braucht Automatismen und Routinen. Kreatives Rumprobieren bringt manchmal Innovation. Aber auch die zehren von der effizienten Wertschöpfung in Bestandsgeschäften.
  • Gegenwind, den die Konjunktur und Krisen erzeugen, kontert man mit Kraft und Anstrengung. Da heißt es schnell, ums Überleben kämpfen, statt sich zu verwirklichen.

Sind wir darauf vorbereitet, sind wir dazu bereit? Ich fürchte: nein. Und zwar aus drei Gründen.

Wo Talent das Problem und harte Arbeit die Lösung ist

Erstens: Wir haben verlernt, hart zu arbeiten.

Das wurde mir in einem Mandat bei einem Anbieter von Medizintechnik bewusst. Da musste wegen Verunreinigungen in Schlauchsystemen die Auslieferung gestoppt werden. Es drohte Gefahr für Leib und Leben der Patienten. Jeder Tag des Stopps kam uns teuer. Die einzige Lösung: Millionen Sendungen aufreißen, inspizieren und sterilisieren. Die Lage haben jene Mitarbeiter gerettet, die Überstunden machten oder aus ihrem Urlaub kamen und sich die Finger wund scheuerten. Talent spielte dabei keine Rolle – und jene, die es für sich beanspruchten, hatten auf diese Ochsentour auffällig wenig Lust.

Zweitens: Wir vernachlässigen jene, die hart arbeiten.

Zum Beispiel Mario (Name geändert). Der hat mir (und meinen Vorgängern) in einem Mandat den Rücken freigehalten. Von früh bis spät hat er stumpf Prozesse im Vertragswesen abgearbeitet und dafür weder Dank noch Anerkennung bekommen. Und weil es mit ihm so gut lief und er selbst auch nie danach fragte, hat er auch nie eine Gratifikation oder Weiterbildung erhalten. Beides sahnte ein Talent ab, das ich vor lauter Entfaltung selten zu Gesicht bekam und dessen Wertbeitrag kaum jemand benennen konnte. Dem schob ich einen Riegel vor.

Potential und Talent sind wichtig. Sie sollen und müssen sich entfalten. Der Weg dazu aber führt über harte Arbeit.
Bodo Antonic

Drittens: Wir pampern junge Talente und schieben erfahrene Silbernacken aufs Abstellgleis.

So geschehen in einem weiteren Unternehmen, in dem ich die Kohlen aus dem Feuer holen sollte. Da gab es die junge Dame, die für alle überraschend im Vertrieb zum Key Account Director aufgestiegen war. Das verbesserte die Frauenquote, aber nicht den Vertriebserfolg. Im Gegenteil: Die Kollegin war überfordert und verlor Kunden sowie Unterstützung im eigenen Haus. Eine altgediente Außendienstlerin fuhr den Karren dann in meinem Auftrag aus dem Dreck. Talent muss reifen, Verantwortung bemisst sich an Erfahrung.

Lasst uns der Wahrheit ins Auge blicken!

Deshalb: Potential und Talent sind wichtig. Sie sollen und müssen sich entfalten. Der Weg dazu aber führt besonders mit Blick darauf, was uns angesichts der Krisenanzeichen an Herausforderungen bevorsteht, über harte Arbeit. Das müssen wir uns wieder klar machen. Sonst sehen wir und unsere Talente sehr schnell sehr alt aus.

 

Bodo Antonic fordert Talent Manager heraus. Eine Antwort auf seine Argumente finden Sie hier.