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Überall nur Ziele, keine Mission

Kommentar In der Wirtschaft fehlen große Visionen und ehrgeizige Missionen. Wenn wir von Gestaltung durch das Management sprechen, geht es allenfalls um Wachstum und Erträge. Aber sind das wirklich die Treiber für den Erfolg von morgen?

Foto: Chuttersnap on Unsplash
Foto: Chuttersnap on Unsplash

Mut zur Veränderung

Die Führer der griechischen Völker, die sich aus unterschiedlichen gründen für den krieg gegen Troja entschlossen, folgten einer Mission: Ein trojanisches Großreich zu verhindern, das die Unabhängigkeit der griechischen Königreiche beenden würde. Die Aufgabe war groß, der Ausgang des Ganzen ungewiss. Natürlich gab es Zweifel. Könnte man nicht mit einer kleineren Aufgabe starten, die leichter zu erfüllen war und dennoch den gewünschten Effekt erzielen würde? Die Antwort auf diese Fragen lautete nein. Die Mission „Troja“ war nicht nur gewagt, sondern hatte auch ein absolut überraschendes Moment.

Eine Heldenreise in die Zukunft

Was hindert uns auf dem Weg zur Exzellenz? Was fesselt uns an Paradigmen der Industriegesellschaft, die in einer komplexen und dynamischen Wissensökonomie nicht mehr passen? Und was lehrt uns ein Blick auf antike mythologische Helden? Diesen Fragen geht Dr. Guido Schmidt an dieser Stelle in Form eines Fortsetzungsromans nach.

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Teil 8 Die Kraft des Unbestimmten

Wohl niemand hielt es für möglich, dass die unabhängigen griechischen Stämme tatsächlich gemeinsam in eine Schlacht ziehen sollten. Jetzt war der richtige Zeitpunkt und die Aufgabe war nicht zu groß, sondern der weltpolitischen Situation gerade angemessen. Wer die Welt verändern will, muss mutig sein und ambitioniert eine gute Zukunft in Angriff nehmen.

Klein-Klein statt großer Mission

Wer groß denkt, macht sich auf den Weg, Großes zu erreichen und folgt einer Mission. In der Wirtschaft aber wird das Wort Mission nur sehr selten genutzt. Es gibt zwar Mission Statements aller Art, die jedoch in der Regel nur mehr oder weniger inhaltsleere, von Marketing und HR formulierte Floskeln sind. Auf jeden Fall artikulieren sie keine konkreten Vorhaben.

Wer die Welt verändern will, muss mutig sein und ambitioniert eine gute Zukunft in Angriff nehmen.

Es gibt sicher einzelne Erfinder, die sich persönlich einer besonderen Mission verschrieben haben. Genauso gibt es zahlreiche Unternehmer und Start-ups, die sich nicht weniger vorgenommen haben, als ganze Branchen zu revolutionieren. Aber im Großen und Ganzen wird nicht von Missionen gesprochen, sondern von Planungen, Zielen und Erfolgen. Vielleicht ist ja der Gedanke der Nachhaltigkeit so ein Punkt, an dem viele Unternehmen in die Mission Klimaneutralität einsteigen.

Was den Kern des wirtschaftlichen Handelns angeht, die Eroberung neuer Märkte, die Entwicklung neuer Technologien und eine radikale Änderung der teilweise in die Jahre gekommenen Geschäftsmodelle: Überall da fehlen erkennbare Missionen. Aus den ambitionierten Vorhaben der Gründerzeit und des Wirtschaftswunders sind wirtschaftliche Ziele geworden. Die geplanten Ziele sind mathematische Fortschreibungen des bisher Erreichten. Man nimmt sich nicht viel vor, um das Wenige dann sicher zu erreichen. Die Exzellenz, etwas Neues auf die Beine zu stellen, ist weitestgehend verloren gegangen.

Der große Selbstbetrug

In auffälligem Gegensatz zu diesem Phänomen schießen immer mehr Preise und Ehrungen aus dem Boden. Im jährlichen Rhythmus veröffentlichen anerkannte Medien die Listen mit den Besten der Wirtschaft. Auffällig bei diesen Auflistungen ist, dass das Kriterium Größe nach wie vor dominant ist. Es wird die ebenso einfache wie falsche Behauptung untermauert, dass es eben doch auf die Größe ankomme. Die "Economics of Scale", diese simple Logik des Industriezeitalters, findet in diesen Ehrungen ihren fortlaufenden Widerhall.

Die geplanten Ziele sind mathematische Fortschreibungen des bisher Erreichten. Man nimmt sich nicht viel vor, um das Wenige dann sicher zu erreichen.

Überhaupt erleben wir seit Jahren eine Inflation von Awards. irgendjemand lächelt einen immer an mit einer Trophäe im Arm. Es geht dabei aber nie um eine besondere Mission, die eine Ehrung auch tatsächlich rechtfertigen würde. Es geht um Öffentlichkeitsarbeit und Bekanntheitsgrad.  Das ist das Kernproblem all dieser tollen Preise: Sie spiegeln in besonderem Maße die Ambitionslosigkeit der Wirtschaft wieder. Wer keine klare Mission hat, ist quasi gezwungen, sich mit den tollen Leistungen des Tagesgeschäftes selber aufzuwerten.

Betriebswirtschaftliche Ziele sind keine Mission

Aber sind die wirtschaftlichen Ziele denn nicht die Missionen der Neuzeit? Man kann, alles was man erreichen will, auch als Ziel formulieren. Die Eroberung Trojas wäre dann das Unterziel gewesen, das wiederum dem Oberziel „Erhalt der freien Welt“ diente. Doch in der Betriebswirtschaftslehre lernen wir, dass Ziele nur dann die Ansprüche des „Scientific Management“ erfüllen, wenn sie operationalisiert werden. Ziele sind nach Inhalt, Ausmaß, Zeit- und Segmentbezug hinreichend zu bestimmen. Im Beispiel: Sieg über Troja (Zielinhalt), Tod des Priamos und des Paris (Ausmaß), innnerhalb der kommenden sechs Monaten (Zeitbezug)  durch das griechische Heer unter der Führung von Agamemnon (Segmentbezug).

So formuliert, wird schnell deutlich, dass die Mission eines Unternehmens etwas anderes ist als wirtschaftlichen Zielsetzungen. Die Ziele müssen konkret, realistisch, umsetzbar und messbar sein. Das Management erwartet in Rahmen des Controlling, dass jeder Schritt und jede Maßnahme zur Zielerreichung beitragen und der Ergebnisfortschritt messbar ist.

Wir brauchen Freiheit und Kreativität

Eine Mission kann man nicht durchplanen. Die Herausforderungen sind so groß, dass man sich immer wieder veränderten Bedingungen anpassen muss. Mal gehen einzelne Maßnahmen ins Leere, an anderen Stellen gehen die notwendigen Instrumente zur Neige. Ständig muss man das Umfeld beobachten, sich permanent den Gegebenheiten anpassen. Ständig geht es um Improvisation und Tatkraft. Kreativität und die Freiheit zum Handeln sind die notwendigen Begleiter jeder Mission. Wenn es daran fehlt, wird man die Herausforderungen niemals meistern. Die im Management geforderte notwendige Vorhersehbarkeit macht echte Missionen unmöglich. Die Unsicherheiten sind für die Vorausdenker und Controller einfach zu groß.

Kreativität und die Freiheit zum Handeln sind die notwendigen Begleiter jeder Mission. Wenn es daran fehlt, wird man die Herausforderungen niemals meistern.

Doch das ist nur ein Aspekt, warum es im Management keine ambitionierten Missionen mehr gibt. Der Hauptgrund liegt darin, dass das klassische Management nicht mit Freiheiten umgehen kann. In einer komplexen und fordernden Situation benötigen Menschen aber echte Freiheiten, um die Mission allen Widrigkeiten zum Trotz zum Erfolg zu führen. Es bedarf der Freiheit zum Erkennen, Verstehen, Entscheiden und zum Handeln. Ohne Freiheit keine echte Erneuerung! Diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, ist die Mission der hier niedergeschriebenen Geschichte.