Business Transformation Innovation

Der unternehmerische Staat gedeiht nur mit Liberalität und Freiheit

Wir müssen in Deutschland keine Angst vor chinesischen Innovatoren haben, meint Gunnar Sohn. Denn autoritäre Regime könnten nicht dauerhaft innovativ sein, dazu brauche es liberale und demokratische Rechtsstaaten.

Foto: Markus Winkler, Unsplash
Foto: Markus Winkler, Unsplash

Innovationskraft nutzen statt herumpfuschen

In Deutschland wäre es so wichtig, wenn nur in Ansätzen der unternehmerische Staat realisiert werden könnte, wie ihn die Autorin und Wissenschaftlerin Mariana Mazzucato skizziert hat. Etwa im Klimaschutz oder in der Verteidigungspolitik. Regierungen sollten einen Wandel herbeiführen – und zwar nicht, indem sie kleinkariert herumpfuschen, um kurzfristige Lösungen zu finden, sondern indem sie ihre Investitionskraft besser nutzen, fordert Mazzucato. Der staatlich-bürokratische Komplex in Berlin ist für so etwas zur Zeit nicht in der Lage.

China und die USA seien in der Umsetzung einmal gefasster Pläne viel konsequenter als wir – da wird zügig gehandelt, sagt der Innovationsforscher Dietmar Herhof im Interview mit dem Berliner Journalisten Manfred Ronzheimer. „Wir schreiben eine Legislaturperiode lang an Strategien und wundern uns nach drei Jahren, wenn der Wahlkampf wieder beginnt, dass nichts geschafft wurde. Unsere Forschungs- und Innovationspolitik ist blockiert", sagt Herhof. "Strategische Vorausschau gibt es fast nicht oder wird durch ritualisierte Forecasting-Übungen ersetzt. Aber selbst die Ergebnisse und Informationen, die bei den Regierenden ankommen, werden entweder nicht wahrgenommen oder nicht zur Umsetzung gebracht.”

Gesucht: Fachkompetenz in Entscheidungsprozessen

Die Innovationspolitik sollte mehr strategischen Weitblick und Experimente wagen. „Vor allem müssen wir Fachkompetenz in die Entscheidungsprozesse zurückbringen. Ich denke, dass das mit dem Agenturansatz möglich ist. Wir sollten auch darüber nachdenken, wie in den USA und Großbritannien ein Council of Scientific Advisors direkt im Kanzleramt einzurichten. Angela Merkel hatte einen direkten Zugang zur Wissenschaft – das ist jetzt nicht mehr gegeben, bei aller Offenheit für die Themen Wissenschaft und Innovation im Kanzleramt. Dort sollte die Stimme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern direkt gehört werden können”, so Harhoff. Letzteres ist mir aufgefallen beim Forschungsgipfel 2021 unter Beteiligung der noch amtierenden Kanzlerin Merkel.

 

Aber wie gut ist China noch? Angeblich werden wir vom Reich der Mitte bei Digitalisierung, E-Mobilität und KI-Forschung überrollt. Da überschätzen Harhoff und der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger die Innovationskraft der kommunistischen Staatsbürokraten in Peking. Das hat der Sinologie-Professor Daniel Leese bei einer Tagung der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung gut zum Ausdruck gebracht. Es ging um Alexis de Tocqueville und den Meisterdenker der KP-China Wang Huning. Der Modernisierungspfad sei eher die Schwäche des chinesischen Staates, sagt Leese: „Die Innovationskraft der Unternehmerinnen und Unternehmer entfaltete sich in einem eher schwachen regulatorischen Umfeld, die die Politik der 1980er und 1990er Jahre maßgeblich geprägt hat.“

Wir sollten uns vor dem Wettbewerb der politischen Systeme nicht fürchten. Zentralistisch miserabel gesteuerte Staatsbürokratien sind völlig ungeeignet für den Innovationswettbewerb.

Wer Internet-Unternehmer in den Knast steckt, kann wohl kaum innovativ sein. Staatsbürokraten wie der Diktator Xi Jinping sind wenig geeignet, Sprunginnovationen anzustoßen, zu planen oder am Markt durchzusetzen. Sie spionieren und schikanieren ihr Land eher mit Überwachungsterror und hausmeisterlich brüllenden Drohnen. Wir sollten uns vor dem Wettbewerb der politischen Systeme nicht fürchten. Zentralistisch miserabel gesteuerte Staatsbürokratien sind völlig ungeeignet für den Innovationswettbewerb.

Wir brauchen eine Politik, die Individualität, Partizipation und Ideen-Vielfalt fördert. Auf dem Zukunftstag Mittelstand in Berlin war das beim Thema Künstliche Intelligenz gut zu beobachten. Etwa beim Einsatz von semantischen Webanwendungen für die individualisierte Kundenkommunikation von Unternehmen. Oliver Gürtler, Leiter des Mittelstandsgeschäfts bei Microsoft Deutschland, hat das gut erläutert. ChatGPT als digitaler Concierge: Solche Innovationen gedeihen nur in einer liberalen demokratischen Ordnung.