Digitalisierung

Generative KI braucht klaren Rahmen

Kommentar Täglich kommen neue Werkzeuge der Generative AI auf den Markt. Viele Softwarehersteller integrieren KI in ihre Produktbeschreibungen, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu gewinnen. Doch welche Kompetenzen und welchen Reifegrad sollte eine Unternehmens-IT mindestens aufweisen, um Anwendungsfälle von Generative AI effektiv umsetzen zu können?

Foto: Luis Villasmil, Unsplash.com
Foto: Luis Villasmil, Unsplash.com

Klare Zielsetzung 
 
Die Anforderungen aus den Fachbereichen sind täglich vielfältig. Zu oft erhalten die IT-Kollegen Umsetzungswünsche, statt klare Anforderungen. Das eigentliche Problem muss oft erst noch herausgearbeitet werden. Manchmal formuliert der Fachbereich direkt technische Details als Anforderung, wie z.B. die Einführung eines zusätzlichen Datenbankfeldes oder den direkten Bedarf an einem bestimmten Tool. Das dahinterstehende Ziel ist oft nicht Teil des Austausches mit den  IT-Kollegen:innen. Nur durch entsprechende Interaktion zwischen den technischen und nicht-technischen Rollen in der IT im Zusammenspiel mit dem Business gelingt es, die tatsächlichen Anforderungen zu verstehen. Nur spielen wollen reicht nicht, bevor ernsthaft in generative KI-Lösungen investiert wird, muss klar definiert sein, welches Problem gelöst werden soll und welcher Business Case dahintersteht.


Es besteht die Gefahr, dass Generative AI als Allheilmittel für alle Anforderungen gesehen wird, ganz nach dem Motto: „Wir verstehen das Problem nicht, aber KI wird es schon lösen.

Wie bereits in einem meiner letzten Beiträge erwähnt, ist Generative AI kein kurzfristiger Hype oder irgendeine weitere Technologie, sondern als ein Megatrend zu betrachten. Um Generative AI als festen Bestandteil in unsere Corporate-IT zu integrieren, sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein, um mit diesem Thema zu starten.

Technologie und Prozessverständnis  

Wenn in Unternehmen neue Technologie eingekauft wird, müssen wir uns vorher darüber im Klaren sein, welches Problem wir eigentlich lösen wollen. Allzu oft werden Make-or-Buy-Entscheidungen voreilig getroffen, ohne alternative Möglichkeiten genau gegenübergestellt zu haben. Voreilige Buy-Entscheidungen führen dazu, dass im Unternehmen ein ständig wachsender Zoo von Applikationen entsteht, in dem keine klare Differenzierung der Tools untereinander mehr erkennbar ist.

Befeuert wird diese Entwicklung natürlich auch von den Applikationsanbietern selbst, die das Fähigkeitenset ihrer Applikationen ständig erweitern. Der Aufbau eines Application Portfolio Management im Unternehmen hilft, Transparenz über die Tools und deren Fähigkeiten sowie deren finanzielle Auswirkungen zu erlangen und somit eine aktive Steuerung des Portfolios zu gestalten. Im Zuge von Generative AI muss auch berücksichtigt werden, dass nicht nur die Beschaffung, sondern vor allem die Integration von AI-Tools in andere Produkte derzeit sehr populär ist. Eine Risikoabschätzung, insbesondere unter Berücksichtigung von Datenschutz- und Informationssicherheitsaspekten, ist hier unerlässlich. Das oft schon bestehende Application Portfolio Management muss daher um Generative AI-Perspektiven erweitert werden.  

Generative AI ist wie die Digitalisierung kein Projekt. Der Umgang damit hat kein formuliertes Enddatum und kann auch nicht einfach abgeschlossen werden.

Haben wir uns im Rahmen eines guten Requirement Engineerings in Verbindung mit einem Demand Management dazu entschieden, dass ein Projekt oder eine Initiative mit Generative AI-Werkzeugen gestartet werden kann, stellt sich sehr schnell die Frage, was genau gemacht werden muss und darf. Alle IT-Prozesse einer Corporate-IT, die bereits heute klare Verantwortlichkeiten haben, sind nun bei der Umsetzung von Generative AI-Projekten und -Initiativen gefordert, unabhängig davon, an welchem Framework man sich als Corporate-IT orientiert.

Gerade bei neuen Technologien haben die bestehenden Prozesse einen noch größeren Wert und Einfluss auf den Projekterfolg. Dazu gehören Strategie und Planung, um klare Ziele und Strategien für Generative AI zu definieren sowie ein klarer Plan für den Einsatz der notwendigen Ressourcen. Auch sich darüber klar zu sein in welcher Handlungsphase man als Unternehmen mit Generative AI steht, hilft den Rahmen der Governance und Prozessintegration richtig zu setzen. Es macht einen immensen Unterschied ob man z.B. noch explorativ oder schon im breiten produktiven Einsatz Generative-AI nutzt, denn im schönen Bild des mit Kanonen auf Spatzen Schießens kann ein zu einengender Governance-Rahmen jede Innovation eine explorativen Phase abwürgen. 
 
Ebenso ist die Auswahl einer geeigneten Technologie und die Entscheidung für wenige Hersteller gerade in dieser Phase des Megatrends nicht zu unterschätzen, da es noch keine wirklichen Gewinner oder Verlierer am Markt gibt, auf die man ggf. nicht setzen möchte. Für die Phase des breiten produktiven Einsatzes  ist es wichtig, den Adaptionsgrad der Technologie ausreichend abgeschätzt zu haben. 

Generative AI ohne passende Daten ist wie einen Sportwagen in der Garage zu haben ohne den passenden Treibstoff.

Datenmanagement

Ob man nun Daten als das neue Öl oder Wasser sieht ist egal, wichtig ist, dass das Thema Daten zentrale Bedeutung hat, genau wie die Frage, mit welchen Daten die Generative AI-Lösung arbeitet. Auch wenn uns datenbasierte Generative AI-Lösungen neue Daten erstellen können, stellt sich je nach Anwendungsgebiet sehr schnell die Frage, mit welchen Ausgangsdaten die Anwendung zu diesem Ergebnis gekommen ist und welche Referenzen es gegebenenfalls dazu gibt. Einfaches Beispiel: Wenn eine Generative AI Rechtecke als Datenbasis kennt, wird das Ergebnis auf die Frage „Wie sieht ein Kreis aus?“ trotzdem ein Rechteck sein.

Generative AI bleibt Chefsache und muss gemeinschaftlich orchestriert werden. 

Das Verständnis der Implikationen von „vergifteter“ Generative AI steht noch am Anfang. Für einen Chat mit Mensch-Maschine-Kommunikation zur Beantwortung von FAQ kann es relevant sein, woher die Daten stammen, aus denen sich die Antwort speist. Ich denke, dass bald jedes Unternehmen mindestens eine für sich angepasste Generative AI-Lösung betreiben wird, die auf eigenen Daten basiert. Damit werden die Kriterien für die Datenqualität immer wichtiger. Die Daten müssen vertrauenswürdig sein, das heißt die Datenquellen einschließlich ihrer Änderungen müssen nachvollziehbar sein. Die Daten müssen außerdem aktuell, relevant und vollständig sein. 

Wir brauchen keine Chief AI Officers

Es stellt sich daher sehr schnell die Frage, wer sich um all diese Dinge kümmert und was es dazu braucht. Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft die explizite Rolle des Chief AI Officer in den Unternehmen etablieren sollten. Immer wieder auf neue Rollen zu drängen, ist keine Lösung, ich verweise auf die Rolle des Chief Data Officer, die sich auch in DAX-Unternehmen nicht umfänglich durchgesetzt hat. Generative AI bleibt Chefsache und muss gemeinschaftlich orchestriert werden.

Dennoch braucht es für das Management und die Umsetzung von Generative AI-Projekten technische Expertise und damit ein Verständnis für KI, Machine Learning und relevante Technologien. Für das Datenmanagement sind Kompetenzen im Umgang mit großen Datenmengen, deren Aufbereitung und Bereinigung erforderlich. Für IT-Infrastruktur und Informationssicherheit bedeuten Generative AI-Projekte, dass sie mit neuen, dafür geeigneten Hard- und Softwarelösungen umgehen können und geeignete Praktiken und Protokolle kennen muss, um die Daten sicher zu halten.

Anpassung bestehender Governance-Strukturen

Legt man das COBIT-Modell als Prozessstruktur einer guten Corporate-IT zugrunde, so gibt es einige Bereiche, die für eine IT noch wichtiger geworden sind, um mit neuen innovativen Technologien wie Generative AI erfolgreich neue Projekte für das Business umzusetzen. Diese sind im Wesentlichen aus dem COBIT-Modell: IT-Strategie, Requirements Engineering, Datenarchitektur, Application Portfolio Management, Business Continuity Management, Security Management und Risk Management.

Mit der Einführung einer Richtlinie und eines unternehmensinternen ChatGPT ist es nicht getan

Die Rolle des CIO ist es, klare Use Cases für Generative AI mit unserem Business zu identifizieren und bestehende IT-Governance-Strukturen zu nutzen oder anzupassen. Mit der Einführung einer Richtlinie und eines unternehmensinternen ChatGPT ist es nicht getan. Es gilt, die Maturität der IT weiterzuentwickeln, um für weitere Generative AI-Initiativen gerüstet zu sein.