Innovation Business Strategie

Generative AI: Hype oder Megatrend?

Kommentar Generative KI bestimmt die Diskussion. Was kann die Corporate IT aus vergangenen Megatrends wie dem Cloud Computing lernen? Fragt Andreas Plaul in seiner Kolumne.

Foto: ThisIsEngineering/ Pexels.com
Foto: ThisIsEngineering/ Pexels.com

Warum kümmern wir uns jetzt plötzlich und hektisch um Generative AI? 

Mit atemberaubender Geschwindigkeit werden im Moment neue AI-Tools für unterschiedlichste Zwecke gelauncht – ob Text zu Text, Text zu Code, Text zu Bild oder Text zu Video: Generative AI scheint die nächste bahnbrechende Entwicklung zu sein, die wir als Corporate IT verarbeiten. Künstliche Intelligenz, die nicht nur Daten analysiert, sondern auch in der Lage ist, Inhalte zu erschaffen, hebt die Zukunft der Wissenserschaffung, Kreativität und Zusammenarbeit auf ein neues Niveau. Die Tools rund um Generative AI sind das eine, die Integration von Generative AI in unsere Business-Modelle ist hingegen ein völlig anderes Thema. 
 
Die Idee von Generative AI ist nicht vollkommen neu. Schon vorherige Ansätze wie GANs (Generative Adversarial Networks), als spezielle Typen von Deep-Learning-Modellen, haben gezeigt, dass Maschinen in der Lage sind, durch den Einsatz großer Datenmengen kreative Inhalte (Bilder, Texte oder Musik) zu erzeugen. Generative AI nutzt als Grundlage Daten, aber nicht in der Art, wie es traditionelle KI-Modelle tun. Anstatt nur aus den vorhandenen Daten zu lernen, kann Generative AI eigenständig neue Daten erzeugen, die ähnliche Merkmale wie die Originaldaten aufweisen. 

Wenn wir nun versuchen, Generative AI zwischen einem Hype oder Megatrend zu klassifizieren, ist Generative AI aus meiner Sicht als Megatrend einzustufen. Die grundsätzliche Verschiebung von Mustervergleich in bisher oft eingesetzter KI zu schaffender KI mit hoher Qualität, gepaart mit dem sich stetig vereinfachenden Nutzungsmöglichkeiten, zeichnet Generative AI klar als solchen aus. 

Generative AI wird zum neuen Normal, ähnlich wie Cloud Computing.

Wenn ich den Einzug von Generative AI in die Unternehmensstrukturen mit dem Übergang von On-premise-Technologien, also oft selbst durch die Unternehmen betriebenen Rechenzentrumsinfrastrukturen, zu Cloud-Technologien vergleiche, erinnere ich mich vor allem zuerst an die typischen Reaktionen wie „Darf man das in die Cloud geben“, „das funktioniert dort doch gar nicht“, „die Folgen sind unabsehbar“ oder ein ganz allgemeines „Das wird schon wieder vorbeigehen“. Wir können heute noch nicht abschätzen, wie diese Technologien rund um Generative AI die Arbeitswelt oder auch die Geschäftsmodelle nachhaltig beeinflussen. Doch ähnlich, wie Cloud Computing die Art und Weise verändert hat, in der  Unternehmen ihre IT-Infrastrukturen verwalten und  IT-Services grundsätzlich konsumieren, wird Generative AI die Arbeitsweise und kreative Prozesse sicher nachhaltig revolutionieren. 
 
In Zukunft wird Generative AI einen festen Platz in jeder Corporate IT haben und ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Unternehmen sein. Es liegt an den Unternehmen, diese Möglichkeiten frühzeitig zu erkennen und ihre Mitarbeiter:innen darauf vorzubereiten, damit diese das volle Potenzial von Generative AI ausschöpfen können. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine wird zu einem integralen Bestandteil der modernen Arbeitswelt. Unternehmen, die diese Möglichkeiten erfolgreich nutzen, werden sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichern. 

Generative AI ist noch nicht auf dem Plateau der Produktivität, aber wir glauben fest daran, dass Generative AI zukünftig ein fester Bestandteil einer jeden Corporate IT sein wird.

In Bezug auf aktuelle technologische Trends und Neuentwicklungen hilft der „Hype Cycle“ von Gartner dabei, sich einen Überblick zur aktuellen Lage zu verschaffen und die Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit besser zu verstehen.  Die bisherigen Erfahrungen mit neuen Technologien zeigen  ganz klar, dass man den Hype Cycle nicht „austricksen“ kann und alle Phasen mit unterschiedlicher Zeitdauer durchlaufen werden. Aktuell sieht Gartner als  schönes Beispiel für eine Technologie im „Tal der Enttäuschungen“  das autonome Fahren. Es kann vorkommen, dass gewisse Technologien nie das Plateau der Produktivität erreichen.  

Generative AI ist bereits über die anfängliche Begeisterung hinaus. Es gilt nun, die Technologie in jeder modernen IT als festen Bestandteil zu etablieren und in eine produktive Umsetzung zu überführen. Idealerweise schaffen wir es, die Phasen vom Gipfel der Erwartungen bis zum Plateau der Produktivität schnell zu durchschreiten, doch wir sprechen hier eher von von Monaten und Jahren als von Tagen und Wochen. 

Die Fähigkeit der KI, eigenständig kreative Inhalte zu generieren, kann in nahezu allen Bereichen der Unternehmenswelt von unschätzbarem Wert sein. Von der automatisierten Generierung von Marketingmaterialien über die Erstellung von personalisierten Inhalten bis hin zur Optimierung von Geschäftsprozessen – die Möglichkeiten von Generative AI sind nahezu grenzenlos. Allerdings ist es (noch) schwierig, konkrete Use Cases im Sinne der Unternehmensstrategie zu erarbeiten. 

Künstliche Intelligenz – irgendwo zwischen überzognen Erwartungen und ersten Enttäuschungen. Grafik: HFU startUP Campus (hs-furtwangen.de)
Künstliche Intelligenz – irgendwo zwischen überzognen Erwartungen und ersten Enttäuschungen. Grafik: HFU startUP Campus (hs-furtwangen.de)

Wie oft wurden Unternehmen vor einigen Jahren gefragt, ob sie eine Single- oder Multi-Cloud-Strategie verfolgen? Diese Frage ist heute nicht mehr relevant. Das Thema Cloud ist mittlerweile umfänglich reguliert, z.B. durch Regelwerke wie GDPR, die es Unternehmen aber auch möglich machen, die Cloud sicher zu nutzen. Die Frage lautet heute, wie Unternehmen die Cloud nutzen, nicht ob sie sie nutzen. Genauso verhält es sich mit Generative AI.  

Die Frage von Generative AI ist schon längst nicht mehr ob, sondern wie konkret und unter welchen Rahmenbedingungen verwenden wir Generative AI-Tools für unserer Business? 

Damit Corporate IT Generative AI erfolgreich in die Organisationsstruktur einbinden kann, hilft deswegen ein Blick darauf, wie wir bei  Cloud Computing vorgegangen sind. Für Generative AI heißt das: Zu Beginn empfiehlt es sich, Generative AI in einem Projektsetup mit Expert:innen einzuführen, die sich intensiv mit der Technologie auseinandersetzen und deren Potenzial erforschen. In dieser Phase können Chancen und Herausforderungen identifiziert werden, um das volle Potenzial von Generative AI für das Unternehmen zu nutzen. 

Anschließend ist es ratsam, auch hier auf bewährte Bewertungsmechanismen zur Einführung von neuen Technologien zurückzugreifen und diese Einführung in ein umfängliches Framework aus technischen Maßnahmen, Befähigung der Mitarbeiter:innen und Governance zu betten. 

Chancen und Herausforderungen von Generative AI bewerten

Nur weil Generative AI-Tools neu sind, heißt das nicht, dass sie unseren bestehenden Kriterien für ein erfolgsversprechendes Business nicht Stand halten müssen. Eine Potenzialanalyse und Zielsetzung für die spezifischen Geschäftsanforderungen sind Grundlage, um geeignete Tools und Partner auszuwählen. 
Nach erfolgreichen Pilotprojekten sollte die Integration von Generative AI in die Linienorganisation mit spezialisierten Mitarbeiter:innen vorangetrieben werden. Wir brauchen Mitarbeiter:innen, die über das notwendige Know-how und die Schulung verfügen, um die Generative AI-Systeme effektiv zu nutzen und zu pflegen. Beispielhaft haben viele Unternehmen zentrale Teams mit Cloud Computing –Expert:innen geschaffen, dies empfiehlt sich auch bei Generative AI, um Expertise zu bündeln. 

Ebenso wichtig ist es, die KI-Anwendungen anschließend  zu überwachen und zu bewerten. Nur durch kontinuierliches Feedback im Unternehmen können Anpassungen vorgenommen und die Technologie kontinuierlich verbessert werden. 

Die Einführung von Generative AI muss den angestrebten Unternehmenszielen gerecht werden. Seien es Effizienzsteigerungen, Kosteneinsparungen, Qualitätsverbesserungen oder neue Geschäftsmodelle. Nur so können wir den Mehrwert der Technologie quantifizieren und den Erfolg bewerten. 

Unternehmen brauchen eine Generative AI-Strategie

Generative AI ist eine neue Technologie mit großem Potenzial, die die Art und Weise, wie wir arbeiten, revolutionieren wird. Es ist an der Zeit, dass Unternehmen diese Technologie ernst nehmen und sie als wichtigen Bestandteil ihrer Strategie betrachten. Es ist unsere Aufgabe als CIOs, mit unserem CEO oder CFO das Thema Generative AI in unserem Unternehmen zu ergreifen und eine gemeinsame „Generative AI Strategy“ zu definieren, in der das Business, Daten als Grundlage und die Organisation als Ganzes einbezogen werden.