Business Transformation Innovation

Performance-Druck kills Cargo-Kulte!

Wer anti-transformatorisch reagiert, stirbt einfach nur langsamer, verhindert aber sein langfristige Überleben. COVID stellt den Wandel nicht in Frage, er geht unvermittelt weiter. Aber wir müssen die Performance in den Mittelpunkt rücken. Denn sie sichert Zukunft, kommentiert Gastautor Winfried Felser.

Der Monolith wird entsorgt. Die Transformation geht weiter. Foto: Winfried Felser
Der Monolith wird entsorgt. Die Transformation geht weiter. Foto: Winfried Felser

Der chinesische Fluch

„Möget Ihr in interessanten Zeiten leben“ – der sogenannte „chinesische Fluch“ gilt sicherlich für unsere Zeit. Unsere Zeit ist nicht nur VUCA und Wandel, sondern im Wandel von VUCA zu BANI – so Stephan Grabmeier in einem fundamentalen Beitrag zu dieser neuen „interessanten“ hyperkomplexen, hyperdynamischen Zeit.  VUCA kennt man mittlerweile seit Jahrzehnten, für BANI (Brittle, Anxious, Non-linear, Incomprehensible) gilt: Es wird noch „interessanter“.

Ein Monolith als Symbol der „(Über)Großen Transformation“

Wann hatte man es im letzten Jahrhundert vor der Disruption durch 9/11, Lehmann und jetzt Klimakrise und COVID erlebt, dass sich die Veranstalter eines Events zwei Wochen vor der Veranstaltung gezwungen sahen, das Motto und das Narrativ fundamental zu ändern?

Wenn Mitarbeiter in Massen entlassen werden, kann mensch nicht um goldene Kälber tanzen.

Die #NextAct2020, eher große Community-Zusammenkunft als Event, wollte eigentlich die „Große Transformation“ mit dem Narrativ von Stanley Kubricks Space Odyssey ehren. Dabei im Mittelpunkt ein Monolith, der für den nächsten Quantensprung der menschlichen Evolution jeweils eine neue Intelligenz bringt. In den Wochen vor #NextAct2020 wurde aber klar: Der Anspruch auf eine große Transformation ist ein Anachronismus, wenn die Welt unter dem neuen Diktat eines Virus steht und statt neuer souveräner Intelligenz und Quantensprünge eher irrationale Angst und Shutdown herrschen.

Große Symbolpolitik statt wirklicher Wandel war gestern

Was jetzt geht, sind nicht vermeintliche Quantensprünge in Richtung (über)großer Transformationen und vor allem Symbolpolitiken von CEO/CXO, die sich durch ihrer Corporate Influencer feiern lassen, sondern ganz pragmatische Schritte in Richtung einer neuen ökonomischen Logik mit dem Ziel einer neuen Performance. Cargo-Kulte der Digitalisierung – also Scheintransformationen, die mehr „Neue PR“ als „Neuer Wandel“ sind, waren mit die ersten Opfer von COVID & Co (endlich).

Was jetzt an Innovations-Cargo-Kult in sich zusammenfällt, war eben vorher nur Kult, nie Realität und nie Zukunft.

In diesem Sinne wurde auch der Monolith, der einst symbolisch vor dem Kölner Dom stand und wie eine Monstranz durch Köln bis zur Tagungsstätte wanderte, nach dem Event ganz profan in einem Bonner Vorort den neuen systemrelevanten Helden zur Entsorgung übergeben. Wenn Mitarbeiter in Massen entlassen werden, kann mensch nicht um goldene Kälber tanzen, höchstens als Ausdruck eines pre-apokalyptischen hedonistischen Wahns, den man in der Tat historisch im Umfeld vieler großer Krisen erlebte. Was jetzt zählt, ist wirklicher Wandel, der seine ökonomische Sinnhaftigkeit auch zeitnah nachweisen kann.

Performance – eine neue Balance, kein Widerspruch

Um nicht missverstanden zu werden: Der „Neue Realismus“ als Anspruch ist nicht das Ende der Großen Transformation, sondern immer noch Teil dieser unvermeidlichen und von unserem Handeln im Kleinen unabhängigen Transformation, aber eben unter neuen Vorzeichen. So folgt aus dem Gesagten auch nicht zwangsläufig ein Widerspruch zwischen Transformation und Performance, kein neuer anti-transformatorischer Rollback, auch wenn wir leider solche Irrwege aus Verzweiflung erleben werden. Wer anti-transformatorisch reagiert, stirbt einfach nur langsamer, verhindert aber sein langfristige Überleben.

Der Neue Realismus als Anspruch ist nicht das Ende der Großen Transformation  oder gar Beginn eines anti-transformatorischen Rollbacks. Und es existiert eigentlich auch nicht zwangsläufig ein Widerspruch zwischen Transformation und Performance bzw. Effizienz.

Wandel ist alternativlos, manchmal aber eben eher als Serie von MVP (Minimum Viable Problem Solving) statt als unmittelbarer „Großer Sprung nach vorne“ (Mao). So verkündete Thomas Sattelberger auf der #NextAct2020 unbeirrt die Vision einer wirklich neuen Sozialen Marktwirtschaft 2.0, die nichts mit den Perversionen mancher Initiativen zur Reduktion der Sozialen Marktwirtschaften zu tun hat. Und Frauke von Polier dokumentierte mit der „von-Polier-Matrix“ eine neue Balance von Performance und Transformation (in Richtung Human Experience). Das machte doppelt hoffnungsvoll und erfüllte die Forderung von Heike Bruch beim virtuellen NextAct-Event nach positiven Narrativen.

Wer anti-transformatorisch reagiert, stirbt einfach nur langsamer, verhindert aber sein langfristige Überleben.

Vielleicht gibt es sogar irgendwann einmal einen neuen Monolithen. Großen Krisen folgten oft „Goldene Zeitalter“. Machen wir das Bestmögliche daraus, wir hatten nie wirklich eine Alternative auf dem Weg in Richtung Zukunft. Was jetzt an Innovations-Cargo-Kult in sich zusammenfällt, war eben vorher nur Kult, nie Realität und nie Zukunft. Performance-Druck kills Cargo-Kulte, aber nicht die Transformation in kleinen Schritten zum großen Sprung.