Innovation Change Management

Game oder Play, das ist hier die (Strategie-)Frage

Manuel und Roman, eure unterschiedlichen Einschätzungen zur Leistungsfähigkeit von Lego® Serious Play® als Methode waren der Anstoß zu dieser Twitter-Diskussion. Einig seid ihr euch darin, dass ‘New Work‘ gleich ‘New Play” ist. Was aber versteht ihr unter ‘New Play‘ und welche Aspekte daraus sind für ‘New Work‘ bedeutsam?

Ist Gamification betriebswirtschaftlich gesehen eine Methode zur Effizienzsteigerung und Play ein Weg um Innovationen ins Unternehmen zu bringen?
Ist Gamification betriebswirtschaftlich gesehen eine Methode zur Effizienzsteigerung und Play ein Weg um Innovationen ins Unternehmen zu bringen?

Roman Rackwitz: Von der Gamification-Seite her kommend, steht ‘New Play’ für mich für ein neues Verständnis davon, was das Medium ‘Spiel’ für den Menschen selbst, aber auch für unsere Gesellschaft bedeuten kann. Das heißt: Weg von der Reduzierung von ‘Spielen’ auf das simple ‘Daddeln’. Und stattdessen verstehen, warum die Aktivität des Spielens solch eine Befriedigung und Erfüllung und damit Engagement beim Menschen hervorruft. Und mit Spiel ist natürlich alles gemeint, nicht nur das Videospiel. Auch Sport und Hobby fallen von ihrer Charakteristik her in diesen Bereich. Wenn man sich nun also anfängt zu fragen, warum der Mensch im Spiel solch ein Engagement erreicht bzw. auch immer auf der ‘Jagd nach dem Besseren Ich’ ist, warum man dort Scheitern eher als Fortschritt ansieht und ohne Probleme – auch mit völlig Fremden – kollaboriert und sich dann fragt, was diese Einstellung für die Herangehensweise an reale Probleme und die Herausforderungen unserer Zeit bedeuten kann, dann entsteht hier für mich die Verbindung ‘New Play = New Work’.

Manuel Grassler: Also eines ist mal klar, das Spiel oder Spielen an sich wird sehr oft als Gegensatz zur Arbeit gesehen. Es heißt ja oft auch ‘Work Hard – Play Hard’. Dabei ist das Spiel oder ‘Play’ ein integraler Bestandteil von Arbeit. Speziell in der heutigen Zeit ist Lernen immens wichtig, da sich alles in der Veränderung befindet. Wir müssen erneut lernen, wie die Welt funktioniert und welche Dynamiken vorherrschen. Dabei kann uns Spiel massiv unterstützen! Dr. Stuart Brown hat das Thema Spiel erforscht und eben rausgefunden, dass der Hauptzweck von Play, das motorische, emotionale, kognitive und soziale Lernen ist

Roman, ich bin voll bei dir, dass die Motivation zu spielen ein wichtiger Treiber des Menschen ist und im Endeffekt viel zu oft negiert wird. Dabei können wir damit so viel Potential heben. Ich glaube aber auch, dass wir zwischen Gamification und Play unterscheiden müssen. Gamification setzt auf intrinsische Motivation und das Bedürfnis zu spielen, wohingegen mein Zugang zu Play eher der des Lernens und Verstehens ist.

Gamification setzt auf intrinsische Motivation und das Bedürfnis zu spielen, wohingegen mein Zugang zu Play eher der des Lernens und Verstehens ist.
Manuel Grassler

Roman Rackwitz: Und genau hier sehe ich keine Trennung zwischen Gamification und Play. Ja, Gamification setzt auf intrinsische Motivation und das Bedürfnis zu spielen. Jetzt stellt sich ja die Frage, wie das intrinsische Bedürfnis zustande kommt und warum wir spielen wollen. Und genau da sind wir dann beim Lernen. Unser Gehirn ist eine reine Mustererkennungsmaschine, die Zusammenhänge sieht, mit bereits vorhandenem Wissen vergleicht und die aktuell erlebte Situation analysiert und dementsprechend verarbeitet und handelt. Kommt nun Feedback dazu, entsteht Lernen. Und nichts anderes sind ja spielerische Umgebungen. Da unser Gehirn nun auch noch evolutionär so gebaut ist, dass es diesen Zustand des Lernens liebt, entsteht eine intrinsische Motivation: Es möchte wieder zurück zu diesem Zustand. Ohne Lernen bzw. Fortschritt entsteht kaum intrinsische Motivation. Und das Bedürfnis zu spielen ist nichts anderes, als der Wunsch nach lösbaren Herausforderungen. Somit sind Gamification und dein Verständnis von Play, Manuel, hinter dem Selben her. 

Wenn man Play und Gamification unbedingt unterscheiden möchten, wäre der jeweilige Einsatz für mich ein geeignetes Kriterium: Denn Play bedeutet für mich auch, dass die spielende Person sich dessen bewusst ist. Sie weiß, dass sie nun in einem spielerischen Umfeld unterwegs ist. Bei Gamification nimmt man die Mechaniken und Elemente, die eine positive Spielerfahrung ausmachen und verbessert damit klassischen Situationen, wie zum Beispiel einen Arbeitsprozess. Die beteiligte Person führt also immer noch den Arbeitsprozess aus. Er ist zwar jetzt gamifiziert und damit hoffentlich attraktiver, intuitiver und engagierender gestaltet, aus Sicht dieser Person aber kein Spiel, sondern immer noch der Arbeitsprozess.

Mit Gamification zur Effizienzsteigerung

Gamification ist demnach also eine Methode, die Spielmechaniken nutzt, um beispielsweise die Motivation zu steigern. Play hingegen eine Intervention, die Spielelemente nutzt um alte Muster (Old Work) aufzubrechen und Neues (New Work) einzuladen? Ist Gamification betriebswirtschaftlich gesehen also eine Methode zur Effizienzsteigerung und Play ein Weg um Innovationen (im ursprünglichen Sinne der Erneuerung) ins Unternehmen zu bringen?

Roman Rackwitz: Teils, teils. Durch den Einsatz von Gamification-Design, bzw. dem Anpassen von Arbeitsprozessen nach dem Vorbild spielerischer Umgebungen, fördert man ein Verhalten beim Menschen, das die Verhaltenspsychologin Andrea Kuszewski als ‘Seek Novelty’, ‘Challenge yourself’, ‘Think creatively’ & ‘Network’ bezeichnet. Der berühmte Verhaltenspsychologe Mihály Csíkszentmihályi beschreibt dieselben Verhaltensweisen, wenn der Mensch im ‘Flow’ ist. Beide Verhaltensweisen führen automatisch zu einer offenen Einstellung für Neue Wege (Innovation), mehr Fokus (Effizienz) aber auch Problemlösungsorientierung (Effektivität) und vieles mehr. 

Ich sehe kaum Unterschiede zwischen Gamification und Play im Resultat. Ich sehe die Unterschiede viel mehr im Einsatz. Wenn man es abgrenzen möchte, dann glaube ich, dass – soweit ich Play hier verstehe – Play vom Nutzer im Moment des Spielens bewusster wahrgenommen wird, als Gamification – das soll im Idealfall zum ständigen Begleiter im Berufsalltag werden.

Manuel Grassler: Diese Diskussion ist spannend, vor allem weil es ‘noch’ relativ neue Disziplinen sind und daher die Definitionsfrage sicher noch nicht abgeschlossen ist. Brian Sutton-Smith hat in seiner Arbeit ‘Ambiguity of Play’ sieben Rhetoriken des Spiels definiert, wie wir über Play denken und reden können. Das sind spannende Perspektiven, die uns in der Definition vielleicht helfen können. Denn sie sind genau aus dem Grund entstanden, dass wir keine einheitliche Begrifflichkeit oder Sichtweise auf das komplexe Themenfeld des Spiels anwenden können. Um das Potential für Unternehmen und Organisationen, ja für die Gesellschaft, auszuloten und auch die Herausforderungen oder Gefahren zu verstehen, müssen wir das Thema permanent aus mehreren Blickwinkeln gleichzeitig betrachten.

Roman Rackwitz: Die 7 Rhetoriken sind durchaus klasse Content, die Auseinandersetzung damit ist aber fast schon wieder ein eigenes Format :-). Was die Definitionen angeht, hast du völlig Recht, Manuel. Selbst die bekanntesten Leute aus meiner Branche – Gamification – diskutieren jedes Jahr wieder aufs Neue, wie jetzt was voneinander abgegrenzt werden sollte. Hier geht es dann aber meistens um die Unterschiede zwischen Gamification, Serious Games, Simulation und Game-Based-Learning. Unter www.gamification.xyz starten wir gerade einen Versuch, spielerische Ansätze zu kategorisieren.

Der Unterschied zwischen Play und Game, wenn man hier aus dem Englischen kommt, ist eigentlich ziemlich klar definiert und auch weltweit akzeptiert. Also ‘Game’ als Wettbewerb mit klaren Regeln und ‘Play’ als offenes Spiel. Ob nun Gamification oder Play für ein Unternehmen interessant ist, hängt von den Gegebenheiten und der Zielsetzung ab. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Das ist eine Strategiefrage. Ich habe hier mal definiert, wie wir Gamification, Serious Games, usw. definieren und für unsere Kunden einsetzen. Daraus wird eventuell schon mal klarer, was hier die einzelnen Vor- und Nachteile sind. Serious Games und Game-Based-Learning würde ich auf jeden Fall auch in Richtung Play einordnen. Jedenfalls so, wie ich es verstehe. 

Manuel Grassler: Danke, Roman, für diese Definitionen. Da gehe ich bis auf eine Sache mit. Gamification ist ein wesentlicher Bestandteil der Anwendung von spielerischen Prinzipien im unternehmerischen Alltag, allerdings ohne es als solches zu labeln. So wird es vermutlich auch in der Wirtschaft aktuell verstanden. Ich störe mich jedoch daran, dass auch Spielformen wie Serious Games, Game-Based-Learning und Simulationen unter dem Begriff der Gamification zusammengefasst werden. Ich will hier kein i-Tüpfelchen-Reiter sein, aber ich denke, dass das Potential für Missverständnisse gibt. Da die Disziplinen rund ums ‘bewusste’ Spielen in der Arbeit noch relativ neu sind, sollten gerade wir darauf achten, unmissverständliche Begriffe zu nutzen. Diese Diskussion zeigt ja auch genau, wie missverständlich das sein kann. So ist sie daraus entstanden, dass ich Lego® Serious Play® definitiv nicht als Gamification sehe, sondern als eine Form von Play, die Serious Games, Play-based Learning und Scenario Simulations in sich vereint. Neben ein paar anderen Aspekten. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Play per se ein richtiger Überbegriff ist. Die Zuordnung von Serious Games, Game-based Learning und Scenario Simulations zu Play statt zu Gamification unterschreibe ich aber. 

Ich denke wir sollten hier, um Klarheit und auch Guidance zu geben, mal weitere Experten in dem Bereich einbeziehen und mit einer unmissverständlichen Begrifflichkeit aufwarten. Wir sollten unsere Köpfe zusammenstecken, die unterschiedlichen Aspekte näher beleuchten und die Vor- und Nachteile und Einsatzgebiete der unterschiedlichen spielerischen Herangehensweisen erarbeiten. Gerne auch etwas provokanter. 

Autoren:

Manuel Grassler ist Product & Service Developer bei Haufe-umantis

Roman Rackwitz ist Vorsitzender der Gamificationskonferenz GamifyCon und Mitbegründer von Gamfed

Key Facts

Antwort auf die Strategiefrage: ‘Game’ als Wettbewerb mit klaren Regeln und ‘Play’ als offenes Spiel.

Die Motivation zu spielen ist ein wichtiger Treiber des Menschen.

Gamification soll im Idealfall zum ständigen Begleiter im Berufsalltag werden.