Selbstwirksamkeit Coaching

Wenn der Chatbot coacht

Ohne Selbstwirksamkeit ist eine neue Arbeitswelt kaum vorstellbar. Allerdings sind Coachings teuer und im Alltag kommen sie meist eher erfahrenen Führungskräften zugute. Es gibt eine Alternative: Coaching über Chatbots.

Foto: Patrick Daxenbichler
Foto: Patrick Daxenbichler

Routine nach strikter Vorgabe. Kaum Entwicklungsmöglichkeiten. Fehlende Freiräume. Das alles verhindert Erfüllung bei der Arbeit. Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden mehr als Individuen mit individuellen Fähigkeiten, Wissen und Bedürfnissen behandeln. Den Unterschied macht die Selbstwirksamkeit.

Anerkannte Superpower: Selbstwirksamkeitserwartung

Der Mensch, der sich zutraut, selbst etwas zu bewirken und auch bei Gegenwind selbstständig handeln zu können, treibt die Psychologie schon seit den 1970ern um. Der kanadische Psychologe Albert Bandura sprach erstmals von der sogenannten Selbstwirksamkeitserwartung, englisch self-efficacy: die Überzeugung, Probleme meistern zu können, vor denen man steht. In der Literatur werden damit zahlreiche Aspekte wie Performanz, Commitment, kreative Lösungsfindung und Durchhaltevermögen verknüpft. Selbstwirksamkeit als anerkannte Superpower?

Wir ersetzen weder die Führungskraft noch den Coach.
Verena Hauser
Wo sonst kein Coaching möglich sei, käme ihre App Sally hinzu, meint Verena Hauser von sklls. Foto: Max Zimmermann
Wo sonst kein Coaching möglich ist, kommt ihre App Sally hinzu, meint Verena Hauser von sklls. Foto: Max Zimmermann

Wer die Selbstwirksamkeitserwartung von Menschen unterstützt, kann auch Einfluss auf andere Bereiche ausüben. Im Unternehmen wollen sowohl Young Professionals als auch erfahrene Mitarbeitende davon profitieren. Daran arbeitet unter anderem der Anbieter Sklls mit seiner Business Coach - App Sally: sie verbindet persönliches Coaching und digitale Automatisierung. Im Chatbot-Design stellt sie Nutzerinnen und Nutzern Fragen aus dem Coaching und der Psychologie. Psychologische Tipps und eine begleitete Umsetzung fördern den Transfer des Gelernten. Wo sonst kein Coaching möglich sei, käme ihre App hinzu, betont Verena Hauser, Psychologin und CEO von sklls, im Interview: „Wir ersetzen weder die Führungskraft noch den Coach.“

In den Alltag integrierbare, kurze Coaching-Sitzungen sollen Mitarbeitenden helfen, ihre Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit zu verbessern, eigene Lösungen für Alltagsprobleme zu finden sowie neue Soft Skills zu entwickeln. Die virtuelle Coachin Sally setzt auf Coaching-Formen wie Celebrate, Challenge, Prepare und Review und zielt auf verschiedene Kompetenzbereiche wie beispielsweise Lernfähigkeit, Resilienz, Selbstmanagement, Individuelle Führung oder Gesprächsführung. Und zwar, so das Versprechen des Anbieters, genau dann, wenn Bedarf besteht.

Coaching: Von Problemlösung zum direkten Austausch

Ihre Coachingreise beginnen User mit dem Check-In, wo sie anhand von Stärken und Entwicklungsfeldern ihre Ziele für sechs Monate identifizieren. Abseits der wiederkehrenden Impulse zu individuellen Themen können sie auch direkt auf Sally zugehen: Ein eskalatives Konfliktgespräch oder eine angstbesetzte Situation lassen sich mit der App besprechen und vorbereiten. „Sklls ist es gelungen, dass Mitarbeitende mit einer komplett digitalen Lösung an ihrem individuellen Bedarf arbeiten und sich so in relevanten Kompetenzbereichen weiterentwickeln“, meint Markus Kambach, Teamlead Learning & Development bei der Haufe Group. Das Unternehmen habe sich deshalb für einen Test mit Sally entschieden.

Coaching war früher nur selten eine Entwicklungsperspektive für Mitarbeitende, sondern diente meist der Beseitigung von Problemen. In den letzten Jahren werde es aber immer mehr zum adäquaten Mittel, um einzelne Themen im direkten Austausch mit einem zugewandten Gegenüber anzusprechen, erzählt Kambach. Weil das viel freiwillige Selbstverpflichtung und Eigenverantwortung erfordert, wollten er und sein Team das frei für alle Mitarbeitenden gestalten. Und die Personalentwickler wollten Coaching als Format, das überwiegend in Präsenz stattfand, endlich auch digital abbilden. In der Pandemie gab es dafür den nötigen Schub.

Zunächst haben viele Mitarbeitende nur aus Neugier teilgenommen, am Ende sind diejenigen mit echten Anliegen dabeigeblieben.
Markus Kambach

Die digitale Coaching App verprobte die Haufe Group von Februar bis Mai 2022. Zunächst hätten viele Mitarbeitende nur aus Neugier teilgenommen, am Ende seien aber diejenigen mit echten Anliegen dabeigeblieben, erzählt Kambach. Das Team um Verena Hauser wertete die Nutzerdaten aus und erfasste die Selbstwirksamkeitserwartung mithilfe des gängigen psychologischen Messinstruments „Allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala“ (ASKU). In drei Monaten sei die Selbstwirksamkeitserwartung der Mitarbeitenden durchschnittlich um 13 Prozent gestiegen. Das Ergebnis wirke nicht spektakulär, in der Psychologie sei das aber eine starke Leistung, meint Hauser.

Lernen, so individuell wie der Mensch selbst

Coaching, das überwiegend in Präsenz stattfand, endlich digital abbilden: Das Ziel der Personalentwicklung um Markus Kambach von der Haufe Group. Foto: Haufe Group
Coaching, das überwiegend in Präsenz stattfand, endlich digital abbilden: Das Ziel der Personalentwicklung um Markus Kambach von der Haufe Group. Foto: Haufe Group

In schwierigen Situationen und bei wichtigen Anliegen könnten sich Mitarbeitende nun darauf verlassen, dass jemand sie bei schwierigen Aufgaben unterstützt, sagt Kambach. Wann der virtuelle Coach seine Arbeit aufnimmt und wann er an den echten Coach abgibt, das haben Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam und situationsabhängig zu entscheiden. Weil die Haufe Group strategisch auf Lebenslanges Lernen setzt, bringen Kambach und sein Team das Lernen in unterschiedlichen Facetten zu den Menschen: „Wir wollen ein vielfältiges Angebot in der Personalentwicklung bereitstellen. Lernen ist schließlich so individuell wie wir alle.“ Manche Mitarbeitende fordern dann ein Mentoring, andere bevorzugen einen Life Coach.

Digitale Coaching Apps machen Business Coaching für alle Zielgruppen zugänglich. Davon werden vor allem Young Professionals profitieren.
Markus Kambach

Auch den jungen Mitarbeitenden mit ihren unterschiedlichen Erwartungen will Kambach mehr Lernformen für den Berufsalltag mitgeben und betont: „Digital Coaching macht Business Coaching für alle Zielgruppen zugänglich. Davon werden auch Young Professionals profitieren.“ Eine App wie Sally könne dazu beitragen, sie auf Projektarbeit und alltägliche Herausforderungen vorzubereiten und sie dazu befähigen, so etwas selbst anzugehen. Diese Chance habe es in Unternehmen früher nicht gegeben.