Organisationsentwicklung New Work

New Pay ist ein Prozess, kein Modell

Analyse Was ist „New Pay“ – ein neues Buzzword oder eine New-Work-Revolution durch die Hintertür? Verschiedene Medien, Vergütungsberater und auch Personalmanager nutzen den Begriff immer häufiger, darunter etwa TUI-Personalvorstand Elke Eller. Eine Replik mit Antidefinition.

Bei New Pay geht es um viel mehr als nur um neue Vergütungsmodelle.                        Photo by Skitterphoto from Pexels
Bei New Pay geht es um viel mehr als nur um neue Vergütungsmodelle. Photo by Skitterphoto from Pexels

New Pay - mehr als ein Label?

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit „New Pay“. Viele verstehen darunter eine irgendwie neu geartete Form der Vergütung, die mit der digitalen Transformation von Unternehmen und einem neuen Verständnis von Arbeit Schritt hält. Wie New Work ist New Pay sehr schnell zu einem Label geworden, das jeder nach Belieben füllt. Als Nadine Nobile, Sven Franke und ich im Herbst 2017 die Blogparade New Pay ausriefen, sprach noch niemand in Organisationsentwicklung oder HR von New Pay. Damals hätten wir uns nicht träumen lassen, dass sich das Thema dermaßen verselbständigt.

Wie New Work ist New Pay sehr schnell zu einem Label geworden, das jeder nach Belieben füllt.

Bereits im Herbst 2018 griff der Deutsche Vergütungstag in Berlin New Pay als Motto auf – und präsentierte dazu einen Einstiegsvortrag von Elke Eller, Personalvorstand der TUI AG. Diesen hat sie in einen Artikel überführt, den nun Linkedin noch einmal neu highlightete. Darin teilt sie fünf Beobachtungen – die ersten vier lassen sich leicht nachvollziehen:

1. Vergütung rückt in die Öffentlichkeit und wird über Plattformen transparent

2. Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeberseite sollten an einem Strang ziehen

3. Mitarbeiter werden zu Gesellschaftern

4. Am Ende zählt auch bei der Bezahlung das Team

Bei Beobachtung 5 („Vergütung ist wichtig, Leadership und Kultur sind wichtiger“) liegt sie jedoch einen Tick daneben, was an ihrem Verständnis von Vergütung als rein monetäres Entgelt liegt.

Vergütung, Leadership und Kultur gehören untrennbar zusammen

In dem neuen Buch New Pay gehen wir als Autoren-Trio einen Schritt weiter. Wir werben für ein umfassendes Verständnis, das konsequent zur eigenen Unternehmenskultur passt. Dabei beobachten wir ein Wechselspiel, das in beide Richtungen funktioniert: Die Kultur eines Unternehmens prägt das Vergütungssystem, aber auch ein neues Vergütungssystem kann die Kultur verändern. Arbeitgeber geben wichtige Signale an die Beschäftigten, was von ihnen erwartet wird: Teamarbeit oder individuelle Leistungsträgerschaft, Präsenz oder Resilienz, Hierarchiedenken oder Selbstverantwortung. Vergütung, Leadership und Kultur gehören für uns untrennbar zusammen. Vergütung rein als Geldbetrag verstanden, wie es Elke Eller in dem Artikel tut, verstellt den Blick darauf, dass heute die Grundelemente von New Work wichtige Währungen im Entlohnungsmix sind.

Die Kultur eines Unternehmens prägt das Vergütungssystem, aber auch ein neues Vergütungssystem kann die Kultur verändern.

Die Beobachtungen von Elke Eller gehen also nicht weit genug und sind aus unserer Sicht keine hinreichende Beschreibung des Themas. Nach unserem Verständnis von New Work könnte New Pay folgendes beinhalten:

  1. Fairness: Mehr gefühlte Gerechtigkeit durch nachvollziehbare, angemessene und verlässliche Prozesse der Gehaltsfindung
  2. Transparenz: Offene Prozesse und/oder Gehaltssummen (nach innen oder außen)
  3. Selbstverantwortung: Das eigene Gehalt lässt sich selbst mitbestimmen, Gehalt berücksichtigt neue Verteilung von Führung
  4. Partizipation: Mitarbeiter gestalten das Modell der Gehaltsfindung mit
  5. Flexibilität: Zeit ist Geld, Freizeit, Flexibilität und Wahlfreiheit gehören zum Entgelt
  6. Wir-Denken: Alternative Anreize, die auf Unternehmenszweck einzahlen, ersetzen starre Boni. Sinnhafte Arbeit wird Teil der Entlohnung.
  7. Permanent Beta: Gehaltsmodel ist immer im Übergang und offen für Veränderung
Gerade erscheinen: Überlegungen und Porträts zum Thema New Pay.
Gerade erscheinen: Überlegungen und Porträts zum Thema New Pay.

Wir führen in unserem Buch 18 konkrete Ansätze von New Pay aus – die von Elke Eller genannte Mitarbeiterbeteiligung ist einer davon. Die Palette reicht von Einheitsgehalt und Wunschgehalt über Gehalts-Checker und Gehaltsformeln bis hin zu Vergütung durch Flexibilität und Sinn. Jedes Unternehmen muss bei Bedarf für sich herausfinden, welche Ansätze passen, sie entsprechend kombinieren oder selbst neue erfinden. Das Ausbrechen aus bisherigen Denkmustern gehört dabei unbedingt dazu. Beispiele dafür bietet das Buch New Pay etwa anhand der Unternehmen Wigwam mit ihrem Wunschgehalt, Rheingans Digital Enabler mit der 25-Stunden-Woche oder elobau mit einem partizipativen Entwicklungsprozess ihres Gehaltssystems. New Pay ist für uns kein konkretes Modell und auch nicht nur die Kombination von verschiedenen Ansätzen. Für uns ist New Pay ein Selbstverständnis, wie wir mit dem Thema umgehen, und ein darauf aufbauender Prozess, an dessen Anfang immer das Wofür steht.

Dabei sind wir uns bewusst: Vergütung ist ein sehr komplexer Prozess. „New Work hin, New Pay her – wir müssen nicht alles Bewährte über Bord werfen“, sagt Elke Eller. Das ist sicher richtig, wenn es um das Wissen geht, das Unternehmen über Gehaltsprozesse aufgebaut haben. Gleichwohl könnte eine solche Haltung auch den Blick auf neue Experimente verstellen. Unternehmen sollten diesen Rat also in der Hinsicht mit Vorsicht genießen.

Fairness statt Wertschätzung in den Mittelpunkt

Elke Eller schreibt weiter: „Denn es geht um Wertschätzung!“ Damit spricht sie etwas aus, was viele Menschen ganz automatisch behaupten, wenn sie danach gefragt werden, was Vergütung für sie bedeutet. Dahinter steckt oft die Vorstellung, dass die Organisation unsere Leistung sehen und wertschätzen sollte. Doch muss das über Geld geschehen? Sollten sogenannte Leistungsträger mehr verdienen, weil ihre Arbeit vermeintlich mehr wert ist für die Organisation als die aller anderen Mitarbeiter? Allein dieses Thema dürfte noch für reichlich Diskussionsstoff sorgen – selbst die Wissenschaft ist sich darüber nicht einig. Doch sehr viel spricht dafür, dass individuelle Boni in Teams toxisch wirken und nur dann gut sind, wenn Unternehmen standardisiertes Verhalten wünschen – und das ist eine Arbeitsform, die zumindest in agilen Teams mit hoher Selbstverantwortung nichts zu suchen hat.

Statt Wertschätzung könnte Fairness die zentrale Dimension sein: Der Maßstab für das Vergütungssystem wird dann, was die Beschäftigten einer Organisation in einem neuen Aushandlungsprozess als gerecht definieren. „Doch am Ende ist Vergütung vor allem eines: hoch emotional und erbarmungslos konkret“, sagt die TUI-Personalvorständin in dem Linkedin-Beitrag und das stimmt zumindest dann, wenn es ums Geld geht. Wir werden uns damit befassen müssen, wie wir über Gehälter reden können – denn das haben wir bislang hierzulande noch nicht gelernt.