New Work Business Transformation

Wieviel Sinn ergibt „Purpose“?

Kommentar Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon aber bewährt sich im harten Alltag eines Interim- und Turnaroundmanagers? Dr. Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Purpose“.

Mehr machen, weniger reden. Dann werden ManagerInnen wieder Vorbilder und geben Purpose. Meint Bodo Antonic.
Mehr machen, weniger reden. Dann werden ManagerInnen wieder Vorbilder und geben Purpose. Meint Bodo Antonic.

Purpose oder Meaning?

Allerorten debattieren sie jetzt über „Purpose“. Die meisten übersetzen das mit „Sinn“. Was leider falsch ist. Denn dann müssten wir von „Meaning“ sprechen. Aber sei’s drum.

Sinn macht Sinn. Aber geht es auch ohne "Wir verbessern die Welt"?

Was sich die Evangelisten von „Purpose“ in der Arbeitswelt von eben diesem versprechen, ist jedenfalls: Orientierung und Motivation für alle, die ihren Sinn mit dem Sinn der Unternehmung übereinbekommen. Die Kritiker halten dagegen. Wer seine Mitarbeiter auf einen Sinn verhaftet, macht das Unternehmen unflexibel, handelt übergriffig und bläst auf skurrile Weise auf, worum es in Unternehmen eigentlich geht: Kunden bedienen, Zukunft sichern. Immer lesenswert aus dieser Ecke ist der Bielefelder Organisationssoziologe Stefan Kühl.

Sinn ja, aber ohne Weltverbesserungsattitüde

Meine Sicht als lang gedienter Manager, der bei Interimeinsätzen immer in kurzer Zeit die Wende zum Besseren erreichen muss: Sinn macht Sinn. Für Unternehmen genauso wie für die Menschen in ihnen. Aber geht’s vielleicht auch eine Nummer kleiner? Quasi Sinn mit Maß und Mitte? Ohne diese Weltverbesserungsattitüde?

Betrachten wir zuerst den Sinn auf Unternehmensebene. Hier gilt: Das Vertrauen in Manager ist weg. Einschlägige Umfragen wie das Edelman Trust Barometer verdeutlichen es Jahr für Jahr. Vielleicht gerade, weil Manager zu viel über Sinn und Mission schwadronieren - bei zu wenig Substanz und nachhaltiger Zielerreichung! Die jetzt wieder anbrechende Restrukturierungswelle wird uns diesen Widerspruch aufs Neue vor Augen führen.

Der Sinn von Unternehmen ist und bleibt, Kunden glücklich zu machen und – ja, genau so – das Überleben im Wettbewerb zu sichern. Mehr braucht es nicht, um Managern wie Mitarbeitern Orientierung zu geben.

Das Vertrauen in Manager ist weg. Vielleicht gerade, weil Manager zu viel über Sinn und Mission schwadronieren - bei zu wenig Substanz und nachhaltiger Zielerreichung.

Der Mensch ist mehr als seine Arbeit

Nun zum Sinn auf Mitarbeiterebene. Hier gilt für mich: Der Mensch ist mehr als seine Arbeit. Nicht alle Sinnbedürfnisse müssen am Arbeitsplatz befriedigt werden. In all meinen Einsätzen half es nicht, den großen Sinn zu suchen oder zu vermitteln. Was die Wende herbeiführte, war,

  • den Kurs zu bestimmen (Zielbilder, Ziele, Pläne),
  • vernachlässigte Werte wiederzubeleben (Kundenorientierung, Rechtstreue, Leistungsbereitschaft) und
  • Regeln Geltung zu verschaffen (zum Beispiel „tun, was man sagt, sagen, was man tut“).

Das hat die Menschen mehr motiviert als Sinngeschwurbel und Aufbruchgedöns.

Was zählt, ist der Zweck der Unternehmung

Deshalb gilt für mich im Unternehmenskontext: Sinn macht Sinn - wenn wir darunter Zweck verstehen. Warum gibt es dieses Unternehmen, wozu arbeite ich hier? Und was tun wir gemeinsam, damit das auch morgen noch so ist?

Unsinn gefährdet die Zukunft unserer Unternehmen mehr, als die große Sinnerzählung sie verbessert.

Viel wichtiger aber ist es für Manager, den Unsinn in ihren Organisationen zu tilgen. Und da gibt es viel zu tun.

  • Bürokratie beseitigen (Genehmigungsprozesse, Pöstchen-Schacher), die Zeit und Nerven kostet.
  • Sinnlose Rituale (Reportings, Meetings, Ruckreden) abschaffen, die Menschen vom Arbeiten abhalten.
  • Sinnfreies Aneinanderfügen von trendigen Blähbegriffen in Unternehmenspräsentationen und Powerpoint-Folien unterlassen.

Genau hier liegt der Hebel. Denn Unsinn gefährdet die Zukunft unserer Unternehmen mehr, als die große Sinnerzählung sie verbessert. Für die berühmte Bottom Line gilt das genauso.