Innovation Digitalisierung

Wie k.o. macht uns KI?

Kommentar Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon aber bewährt sich im harten Alltag eines Interim- und Turnaroundmanagers? Dr. Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Künstliche Intelligenz“.

Über Künstliche Intelligenz wird zu viel diskutiert. Und zu wenig vom Problem her gedacht.
Über Künstliche Intelligenz wird zu viel diskutiert. Und zu wenig vom Problem her gedacht.

Herausforderung KI sehen, annehmen, managen

Das Thema „Künstliche Intelligenz“, Tarnname „KI“, ist in aller Munde. Die allermeisten fürchten: KI macht unsere Jobs zunichte. Aber viele beteuern auch: KI macht die Welt zu einem besseren Ort. Evangelisten des digitalen Fortschritts versprechen mehr oder weniger die Antwort auf alle ungelösten Fragen des Universums.

Wenn es um Künstliche Intelligenz geht, rate ich, vom Problem her zu denken. Was wollen wir mit dem, was wir KI nennen, lösen?
Bodo Antonic

Was also fangen Manager mit diesem Widerspruch an? Der leichte Weg: Mit den Wölfen heulen und den Marktschreiern brüllen. Und ansonsten den Dingen ihren Lauf lassen. Der einzig richtige Weg: Die Herausforderungen sehen, annehmen und managen.

Lösungen beherzt anpacken

Das geschieht in vier Schritten:

Erstens: Die Frage präzisieren. Worüber reden wir eigentlich, wenn wir von „Künstlicher Intelligenz“ sprechen? Und wo ist das Problem? Was Künstliche Intelligenz ist, ist selbst für Experten nicht immer einfach zu beantworten. Denn wir haben schon keine allgemein akzeptierte Definition dessen, was „menschliche Intelligenz“ ist. Daher rate ich, vom Problem her zu denken. Was wollen wir mit dem, was wir KI nennen, lösen? Und da geht es dann sicher um das, worum es in der Wirtschaft immer geht: Produkte, Services, Prozesse effektiver oder effizienter machen. Vielleicht sogar beides gleichzeitig. Arbeit wird davon betroffen sein, aber nicht im Fokus stehen.

Zweitens: Wenn wir also wissen, was wir mit KI erreichen wollen und die nötigen Experten zur Hand haben, geht es darum, Chancen und Risiken zu bewerten. Um sodann Lösungen voranzutreiben, die die Risiken minimieren und die Chancen heben. Technikfolgenabschätzung nannte man das früher und ging damit recht professionell um.

Drittens: Dann wäre es an der Zeit zu handeln – denn Amerikaner und Chinesen tun das schon, während ich hier noch schreibe und viele Entscheider debattieren. Es gilt, Lösungen beherzt anzupacken und umzusetzen. Immerhin hat selbst die Bundesregierung nun eine Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz formuliert und ein paar Fördergelder bewilligt.

Viertens: Wenn wir uns diesen Ruck gegeben haben, fangen wir an zu managen – wie die Engagierten und Aufrichtigen es immer getan haben. Mit allen Chancen und Risiken im Blick, im Bewusstsein, dass man mit jeder neuen Erkenntnis nachjustieren kann und muss. „Plan, Do, Check, Act“ hat das der amerikanische QM-Pionier William E. Deming genannt.

Es muss uns darum gehen, diffuse Ängste zu zerstreuen und das Vertrauen in Technik und die sie entwickelnden Menschen wiederherzustellen.

Betrachten wir hierzu ein konkretes Beispiel aus der Medizintechnik, in der ich am meisten Erfahrung mitbringe. Ein automatisiertes Verordnungssystem bei Bluttests kann den Ärzten lästige Bürokratie abnehmen (das System verbindet auf Knopfdruck Patientendaten mit Bluttestkategorien), die Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Dateneingabe reduzieren (da die Daten übernommen werden) und sogar dank KI Vorschläge unterbreiten, welche Bluttests im individuellen Fall angeraten wären. Aber dieses System und seine Algorithmen kann und wird Sonderfälle übersehen und die Intuition des Arztes auch in Jahren nicht ersetzen. Sollten wir also lieber darauf verzichten und uns Sorgen um den Jobmarkt unserer heute schon überlasteten Haus- und Fachärzte machen?

Mutig vorangehen, anderen Mut machen

Nein. Es muss uns darum gehen, diffuse Ängste zu zerstreuen und das Vertrauen in Technik und die sie entwickelnden Menschen wiederherzustellen. Das gelingt nur, indem wir im oben beschriebenen Sinne transparent und professionell managen. Und indem wir unsere Führungsqualität unter Beweis stellen. Mutig vorangehen, anderen Mut machen und verantwortlich handeln.

Letzteres bedingt zweierlei. Erstens: Die Verantwortung übernehmen – auch für die Risiken, die wir eingehen. Zweitens: Verantwortlich vorgehen – gemessen an Werten, für die wir einstehen: Zukunftsorientierung, Unternehmertum, Rechtschaffenheit, Demut. Diese Werte fordern von uns nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen um jeden Preis. Aber sie bedingen die Schaffung von Verhältnissen, in denen wir alle menschenwürdig und erfolgreich leben und arbeiten können. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz erhöhen die Chancen hierfür eher als sie zu verschlechtern.