New Work Digitalisierung

re:publica: Die digitale Machtverschiebung

Die re:publica 2018 hat Antworten auf die Frage gesucht, wie Führung aussehen sollte, wenn Daten und Digitalisierung die Arbeitswelt bestimmen. Allerdings eher auf unauffälligen Nebenbühnen. Ein wenig mehr innovative Beispiele wären gut.

Viel los war auf der re:publica 2018. Viele treibt die Frage um: Wie können wir die Arbeitswelt von morgen gestalten? Foto: <a href="https://www.flickr.com/photos/re-publica/41864301851/in/album-72157696390863795/" rel="nofollow" target="_blank">Jan Zappner/re:publica</a>
Viel los war auf der re:publica 2018. Viele treibt die Frage um: Wie können wir die Arbeitswelt von morgen gestalten? Foto: Jan Zappner/re:publica

Wenn Algorithmen Arbeitsanweisungen geben

Auf der diesjährigen re:publica war vor allem auf den Bühnen abseits des Massenandrangs für Interessierte am Thema Arbeitswelt am meisten geboten. So hatte etwa der Daimler Incubator „lab 1886“ auf dem Gelände der re:publica einen Truck aufgestellt, der sich einfach zur Eventlocation umbauen lässt. Lab CEO Matin Ebrahimchel berichtete dort von seiner Arbeit: „Unsere Konkurrenz sind die digitalen Player wie Uber, Google und Apple. Wir wissen, die schnellen Fische fressen die langsamen.“

Die Mobilitätsbranche lässt derzeit schon erahnen, was die Arbeitswelt künftig bringt. Lior Zalmanson von der Universität Haifa in Israel hat bei Uber analysiert, was passiert, wenn Algorithmen den Beschäftigten Arbeitsanweisungen geben. Das System „Uber Pool“ kontrolliere die Fahrer und entscheide autonom, wann und wie viel sie arbeiten. Die Menschen wüssten nicht, wie Pool funktioniert und seien völlig isoliert. Es fehle an Transparenz und Kontrolle. „Die Fahrer fühlen sich wie Roboter“, so Zalmanson. Interessanterweise reagierten sie darauf mit Mythenbildung und Geschichtenerzählen. Gleichzeitig führe dies zu einer verstärkten Streikbereitschaft. „Sie versuchen das System zu boykotieren und auszutricksen, um wieder menschlich zu werden.“

Unsere Konkurrenz sind die digitalen Player wie Uber, Google und Apple. Wir wissen, die schnellen Fische fressen die langsamen.
Matin Ebrahimchel, CEO lab 1886, Daimler Incubator

„Die selbstfahrenden Autos werden auch die Uber-Fahrer ersetzen. Diese trainieren selbst das System, das sie obsolet macht“, zeigte sich Manuel Beltrán vom Institute of Human Obsolescence überzeugt. Wenn menschliche Arbeit überflüssig werde, gelte es neue Formen der Arbeit zu testen. „Daten sind eine Form der Arbeit“, konstatierte der Spanier, der in Kunst- und Forschungsinstallationen auslotet, wie Datenarbeit funktionieren könnte. Konzerne wie Facebook verdienten mit den Aktivitäten ihrer Nutzer Geld. So sei es nur folgerichtig, sie dafür zu bezahlen. Eine seiner Installationen misst die Scrollaktivitäten auf Facebook und spuckt einen Beleg über den erarbeiteten Betrag aus. Außerdem hat Beltrán einen Körperanzug entwickelt, der mittels thermoelektrischer Generatoren überflüssige Wärme in Energie umwandelt und diese in eine Cryptowährung umrechnet. „Wir müssen die Hohheit über unsere Daten zurückgewinnen.“ Eine Gewerkschaft für Data Workers oder ähnliche politische Initiativen seien nötig. Denn sonst drohten Überwachsmonster wie sie aktuell der chinesische Staat plane.

Neue Führung – wie lässt sich das Machtvakuum füllen?

Technologie und Arbeit sind heute verwobener denn je. „Handlungen führen zu Daten führen zu Handlungen“, erklärte Verena Bader, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität der Bundeswehr. In der Forschung gehe es darum zu verstehen, wie Algorithmen unser Verhalten verändern, ergänzte ihr Kollege Prof. Dr. Stephan Kaiser. „Seit fünf Jahren diskutieren wir über neue Führungsebenen. Wir haben festgestellt, dass da ein Machtvakuum eingetreten ist.“ Es sei nicht mehr eindeutig, wer die Arbeit kontrolliere und steuere. Man müsse das nicht nur analysieren, sondern auch eine Gegenmacht erzeugen und eine neue Art der Mitbestimmung mitdenken.

Damit beschäftigte sich ein Panel des IBM HR Festivals. Katharina Heuer, die kürzlich ihren Austritt aus der DGFP-Geschäftsführung bekanntgab, sprach von einem neuen Mitbestimmungsbedürfnis der Mitarbeiter. „Sie wollen selbst mitreden und sind ein dritter Part auf Augenhöhe.“ Die DGFP habe einen Kodex für den Umgang mit Big Data aufgestellt. Das Problem dabei: Technologie und deren Missbrauchsmöglichkeiten werden nicht immer richtig eingeschätzt – bestes Beispiel: der aktuelle Skandal bei Facebook. „Wir brauchen eine neue Kompetenz: Wir müssen lernen, wie wir mit Fehlern im System umgehen und im Bedarfsfall sanktionieren.“

Seit fünf Jahren diskutieren wir über neue Führungsebenen. Wir haben festgestellt, dass da ein Machtvakuum eingetreten ist.
Prof. Dr. Stephan Kaiser

„Man muss kooperieren, aber nicht immer einer Meinung sein“, meinte Sven Franke von CO:X, der einen Prozess der Kulturveränderung im Expertennetzwerk der Deutschen Bahn an der Schnittstelle von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern begleitet. Der Weg sei allerdings ganz schön weit, solange die Mitbestimmung noch Papier-Akten verwende und die Angst dominiere, durch Fehler die negative Seite der Digitalisierung weiter zu verstärken. „Schon bei #Metoo hat sich gezeigt: Wir führen ganz viele Diskussionen einfach nicht.“

Zu viel POP und Schwimmen im Nebel?

Insgesamt blieb das Gefühl, dass zu wenig Konkretes geschieht, um die digitale Arbeitswelt zu gestalten. Der mit dem re:publica-Motto POP einziehende Mainstream trug mit zu diesem Eindruck bei. Zum Beispiel als Ranga Yogeshwar in seiner Rede mit Plattitüden für Offenheit gegenüber neuen technischen Möglichkeiten warb. „Er hat schön gesprochen, aber ich habe nichts gelernt“, kommentierte eine Zuschauerin seinen Vortrag im Anschluss.

Um für Führungs- und Managementfragen die digitale Avantgarde zu werden, müsste die Konferenz noch eine Schippe drauflegen und mehr innovative Unternehmensansätze zeigen.

Um für Führungs- und Managementfragen die digitale Avantgarde zu werden, müsste die Konferenz noch eine Schippe drauflegen und mehr innovative Unternehmensansätze zeigen. Doch als Inspirationsquelle ist die re:publica allemal eine Reise wert. In Zukunft möchte sie noch internationaler werden: Geplant sind neben Berlin (6. bis 8. Mai 2019) und Thessaloniki weitere Events in Ghana und in den USA.