Podcast Trafostation Business Transformation

Lasst die Kreativen kreativ sein!

Podcast Können wir das Denken anordnen? Über die historische Bedeutung von Kreativität, hartnäckige Hindernisse in der Gegenwart und ein neues Setting für Wissensarbeit sprechen Wolf Lotter und Christoph Pause in der vierten Folge des Podcast „Trafostation“.

Foto: Severine Guthier/Haufe Group
Foto: Severine Guthier/Haufe Group

Die Karriereleiter erklimmen Menschen nicht immer mit Neugier und Offenheit. Ganz im Gegenteil: Oft genug erwarten Führungskräfte von ihnen, dass sie sich einordnen und unterordnen. Für das Selberdenken wird man dann nicht bezahlt. In der neuen Arbeitswelt hat das aber keine Zukunft mehr. Das meint auch Wolf Lotter: „Kreativität ist eine Schlüsseltugend der Wissensgesellschaft und aller Transformation.“

Kreativ war bis vor wenigen Jahren, wer Kultur und Kunst gestaltete. Kreativität sei schöngeistig und nett gewesen, berichtet Lotter, aber nicht notwendig. Besondere Fähigkeiten, etwa in der Kunst, galten in der Vergangenheit als Gottesgeschenk. Wenn ein Dichter dichtete, eine Musikerin komponierte oder ein Maler malte, führte eigentlich Gott selbst Federkiel und Pinsel. Genie war Schicksal. Kreativität war Vorbestimmung. Alles hatte seine Ordnung.

Wenn ein Dichter dichtete, eine Musikerin komponierte oder ein Maler malte, führte eigentlich Gott selbst Federkiel und Pinsel. Genie war Schicksal. Kreativität war Vorbestimmung.

Die Aufklärung und die industrielle Revolution führten zu einer neuen Ordnung. Arbeit und Unternehmen waren für das Nützliche verantwortlich. Auch die Kreativität musste sich dieser Zweckmäßigkeit unterwerfen. Systematisch ergründeten Erfinder:innen die Natur und gossen ihre Erkenntnisse in Normen, Regeln, Methoden und Prozesse. Der Inbegriff des Kreativen in der Industriegesellschaft: der Ingenieur, der Scharfsinnige.

Weder das Genie noch der Ingenieur genügen, um Kreativität als Grundlage von Wissensarbeit und Innovation zu verstehen. Und selbst Bürokrat:innen, die lieber verwalten als Probleme zu lösen, brauchen Kreativität. Der Industrialismus bevorzugte diesen Typ Mensch, der für das schlichte Arbeiten und nicht für das Denken bezahlt wird. Doch die komplexe Welt legt uns ein Problem nach dem anderen zur Lösung vor. Also sind wir auf kreative Lösungen angewiesen.

Kreativität braucht klare Strukturen und eine neue Kultur

Menschen, die nicht kreativ sind, solle man in Ruhe lassen. Was ihnen nicht entspricht und was sie nicht wollen oder können, dazu könne man sie nicht ständig auffordern. Lotter betont: „Eine Kreativitätsverordnung für alle ist Unfug.“ Aber diejenigen, die kreativ sind, sollten wir kreativ sein lassen. Wer experimentiert, fragt, sich umschaut, um Probleme mit Denken zu lösen, braucht klare Strukturen. Keine Lösung kommt auf Knopfdruck. Es geht um eine neue Kultur.

Wo Vielfalt, das Unangepasste, die Alternative, kurz, wo echte Diversität ihren Platz hat, dort findet auch die Kreativität ihre Kreativen.

Kein Prozess. Keine Methode. Keine Formel. „Wo Vielfalt, das Unangepasste, die Alternative, kurz, wo echte Diversität ihren Platz hat, dort findet auch die Kreativität ihre Kreativen“, erklärt Lotter. Bereits das lateinische Wort „creare“ habe einen doppelten Sinn: Etwas zu erschaffen und schöpferisch zu denken. Aber auch, etwas wachsen zu lassen. Früher sprach man davon, einen Gedanken reifen zu lassen. Eine Idee in eine anwendbare, nützliche und sinnvolle Verbesserung der Welt zu überführen. Das und nichts anderes ist Kreativität.

Weitere Themen: Wie wir Kreativität in Menschen entfesseln, warum das noch heute Häme und Ignoranz erzeugt und wie auch Klempner:innen, Fließbandarbeiter:innen und Pfleger:innen kreativ sind.