Podcast Trafostation Original

Das Original seid ihr selbst

Wo die Vielfalt abgewertet und das Plagiat idealisiert wird, hat es das Original schwer. Über echte Perspektiven und unerwartete Vorbilder sprechen Wolf Lotter und Christoph Pause in der „Trafostation“.

Foto: Severine Guthier/Haufe Group
Foto: Severine Guthier/Haufe Group

Wer mitmachen will, muss die Regeln kennen. Und dafür muss man lesen können. Die Monarchien des 18. Jahrhunderts wussten das: Sie etablierten Volks- und Grundschulen und führten die Schulpflicht ein, um ihren Untertanen etwas „beizubringen“ und um sie für das System abzurichten. Ohne die Erfindung des Buchdrucks wäre das nicht möglich gewesen. Und noch heute setzt das Schulwesen fast nur auf reproduzierbares Wissen. Umso wichtiger – meint Wolf Lotter – sei also die Frage, was wir mit diesen Wissenskopien anstellen werden.

ChatGPT macht jetzt die Routinearbeit

Die Industriegesellschaft und ihre Ökonomie – darüber seien sich linke und liberale Denker sehr schnell einig – schafft sich irgendwann selbst ab. Die Welt der Kopie und der Massenproduktion könnte nur dann funktionieren, wachsen und überleben, wenn diese Strukturen immer wieder automatisiert werden. Sei es mithilfe von Maschinen, Methoden, Modellen oder unterstützt von Robotern, Algorithmen, Software und Computern. Die Automatisierung als Booster der Produktivität.

Routinearbeit, also kopiertes Arbeiten, die immer gleiche Nachahmung nach einer Vorlage ist für Menschen obsolet geworden.

Wenn ChatGPT und die künstliche Intelligenz der Rede wert sind, dann in diesem Zusammenhang, meint Lotter, auch weil sie zeigen: „Routinearbeit, also kopiertes Arbeiten, die immer gleiche Nachahmung nach einer Vorlage ist für Menschen obsolet geworden.“ Der Mensch macht Originale, schafft eigenes Wissen, ist innovativ und erfinderisch. Anstatt sich in stupider Arbeit abzuquälen, solle er das den Maschinen überlassen.

Innovation und Original: China macht’s vor?

Wo Vielfalt als negative Abweichung verstanden wird, wo Plagiieren als normal und clever gilt und sich niemand um geistiges Eigentum schert: In so einer Welt sei es laut des Publizisten schwierig bis unmöglich, neues Wissen und Originale zu schaffen: „Es braucht eine enorme Anstrengung, um das Echte wieder nach vorn zu bringen sowie geistige Arbeit und ihre Hersteller zu schätzen.“

Wenn selbst globale Konkurrenten wie China – durch Kopien westlicher Produkte und Ideen zur Werkstatt der Welt geworden – immer mehr Originale und Innovationen hervorbringen, müssten wir uns laut Lotter fragen: Wo bleiben wir, wenn wir das Echte nicht schätzen, wenn wir weiterhin unser Glück als reine Konsumenten von Produkten einer wenig originellen Industrie sehen?

Menschen wollen Originale. Sie wollen Unterscheidbarkeit. Die Individuen, die Persönlichkeiten, die guten Unterschiede zwischen uns.

Immer mehr Leute durchschauen den Trick der Industrie, stellt der Publizist fest: „Menschen wollen Originale. Sie wollen Unterscheidbarkeit. Die Individuen, die Persönlichkeiten, die guten Unterschiede zwischen uns.“ Wenn wir Glück haben, gewinnen also nicht die Abziehbilder, sondern die Originale. Und das Original seien wir letztlich selbst.