Innovation Podcast Trafostation

Wer kopiert, verachtet Innovation

Podcast Lohnt sich Innovation heute noch? Über unser gestörtes Verhältnis zum Original und Nachahmung in Zeiten der Wissensökonomie sprechen Wolf Lotter und Christoph Pause in der „Trafostation“.

Foto: Severine Guthier/Haufe Group
Foto: Severine Guthier/Haufe Group

Einen der großen Siegeszüge der Technologie erlebte ausgerechnet die Maschine, die zunächst nur eine andere Maschine kopieren sollte. Lange stand der Computer als Ersatz für Schreibmaschine, Tabellenkalkulator und Buchhaltungsblatt nur wenigen großen Organisationen zur Verfügung, doch schon bald sollte er die Schreibtische privater Haushalte erobern. „Nicht das Ding Computer kommt in die Welt, sondern unsere Außenwelt wandert nach und nach in dieses Ding“, so beschreibt es der Historiker David Gugerli. Die Welt, aufgesaugt und virtualisiert.

Kopien, vom Original nicht mehr zu unterscheiden

Früher wurden Künstler und ihre Verleger beklaut, Bücher im Copyshop reproduziert und Musik auf Kassetten mitgeschnitten. Konnte man damals eine Fälschung ohne Aufwand erkennen – weil die Buchseite einen starken Druckrand hatte oder die Musik beim Abspielen rauschte – ist es heute nicht mehr so einfach. Die digitale Universal-Maschine schafft Kopien, die vom Original nicht mehr unterscheidbar sind. Was digital perfektioniert wurde, ist ein Merkmal der Industriegesellschaft und ihres Betriebssystems, meint Wolf Lotter. Die Fabrik sei demnach nichts anderes als eine riesige Kopiermaschine, die außer der sogenannten Form viele einzelne Abzüge herstellt.

Masse, Kopie, Nachahmung, das Ende der Persönlichkeit und der Kampf gegen das Original. Sie gehören zusammen.

Wir leben in einer Welt der Kopien. Die Ideologie heute wie früher: Gerecht ist, was gleich ist. Und nichts ist gleicher als die Kopie, stellt Lotter fest: „Masse, Kopie, Nachahmung, das Ende der Persönlichkeit und der Kampf gegen das Original. Sie gehören zusammen.“ Wir haben ein zutiefst gestörtes Verhältnis zum Echten, meint der Publizist und verweist auf die Unternehmenswelt: Warum ist abweichendes Denken so verpönt und warum ist es leichter, dem Chef eine geklaute Idee von jemand anderem zu verkaufen, als eine eigene zu entwickeln?

Innovation als Kulturfrage in Organisation, Wirtschaft und Gesellschaft

Ein Blick ins Supermarktregal oder in E-Commerce-Plattformen bestätigt: Wir geben uns damit zufrieden, dass es das Original plus 500 Nachahmungen gibt. Das untergräbt auch die Motivation von Unternehmern, die sich viel einfallen lassen. „Unsere Kultur verachtet das Neue, die Veränderung, damit die Innovation und das Original“, sagt Lotter. Was nicht passt, wird passend gemacht. Doch wie wird ein System so attraktiv, dass man nach einer Innovation, die nachgeahmt wird, wieder die Kraft, die Mittel und die Anreize hat, das nächste Projekt anzugehen? Ob sich das lohnt, sei laut Lotter eine Kulturfrage: in der Organisation, der Wirtschaft und der Gesellschaft.

Wir haben Ansprüche an Menschen, dass sie mit dem, was die Realität anbietet, realistisch umgehen. Also nicht mit dem Ellbogen durch die Welt zu gehen, sondern auch etwas in Form von Ideen und Problemlösungen zurückzugeben.

„Wir haben Ansprüche an Menschen, dass sie mit dem, was die Realität anbietet, realistisch umgehen. Also nicht mit dem Ellbogen durch die Welt zu gehen, sondern auch etwas in Form von Ideen und Problemlösungen zurückzugeben“, betont Lotter. Jeder Handwerker mache das so, Intellektuelle hingegen immer weniger. Wenn Menschen im Zeitalter der Wissensökonomie den Austausch von Wissen so missverstehen, dass sie sich nur ihren Teil nehmen, aber nichts mehr zurückgeben – dessen ist sich der Buchautor sicher – dann stimme etwas nicht.

Anfang 2024 erscheint ein Buch von Wolf Lotter zum Thema „Echt".