Business Transformation New Work

„Für das, was wir machen, gibt es keine Blaupause“

Die Ministry Group verinnerlicht seit Jahren mit großer Leidenschaft New Work. Welche Herausforderungen und Synergien entstehen können, erklärt Geschäftsführer Marco Luschnat im Gespräch mit Johannes Ceh.

Hierarchieabbau, Selbstorganisation, Agilität: Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Foto: Sven Mieke
Hierarchieabbau, Selbstorganisation, Agilität: Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Foto: Sven Mieke

Den Sinn des Tuns vermitteln

„Wir arbeiten seit sechs Jahren hierarchiefrei, selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Entscheidungen werden dort getroffen, wo das Know-how und der Mut vorhanden sind. Das ist in der Regel im Team und nicht in der Geschäftsführung“, sagt Marco Luschnat. Die zentrale Frage dabei lautet für ihn: „Wie schaffen wir es, den Leuten, mit denen wir hier arbeiten, den Sinn zu vermitteln hinter dem, was wir tun – und das in den Mittelpunkt zu stellen?” Wichtig sei dabei vor allem, die Transformation als Weg zu verstehen.

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Marco Luschnat

Inzwischen ist die Ministry Group häufig gefragt, andere Unternehmen auch auf diesem Weg zu begleiten. Allerdings stellt Luschnat klar: „Es gibt für das, was wir hier machen, keine Blaupause. Unternehmen müssen immer ihren eigenen Weg finden.“ Das bedeute zum einen, sehr grundsätzlich an die Sache heranzugehen und Dinge unterwegs immer wieder in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite heiße es auch, mit Rückschlägen zu rechnen und sie anzunehmen. „Nur weil man sagt: Ab heute New Work, ab heute anders und selbstbestimmt, heißt es noch lange nicht, dass das auch tatsächlich funktioniert. Es heißt vor allem nicht, dass das überall angenommen wird. Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben, sind aber in den letzten Jahren auch einige Male richtig auf die Schnauze gefallen."

Scheitern und lernen

Die größte Herausforderung bei dem Ganzen liegt darin, Scheitern anzunehmen und aus Fehlern zu lernen. Für Luschnat war in der Rückschau die Art und Weise, wie er und seine Kollegen aus der Geschäftsführung die von ihnen geplante neue Arbeitsweise dem Team kommunizierten, eine wesentliche Fehlerquelle. Man hatte sich das Ganze in einem Strategiemeeting überlegt. Der Plan war, alle Entscheidungsgewalt vollständig an das Team zu übergeben.

 

„2014 setzten wir uns zusammen: So, ab jetzt sind wir alle eigenverantwortlich, selbstbestimmt und hierarchiefrei. Viel Spaß! – Das ist brutal nach hinten losgegangen. Denn: Wir haben das Team gar nicht gefragt, ob es Lust dazu hat. Wir haben Hierarchiefreiheit so richtig schön hierarchisch von oben über das Team gestülpt. Das Ergebnis war große Unsicherheit.”

Hierarchiefreiheit von oben bestimmt?

Wichtig war laut Luschnat dabei die Erkenntnis, dass es Menschen gibt, die gar keine Lust haben, Verantwortung in diesem Maße zu übernehmen. Weil einfach nicht jede:r dazu veranlagt ist. Und weil manchmal auch Entscheidungen getroffen werden müssen, die nicht so einfach sind. „Wir haben Leute verloren, die so nicht arbeiten wollten. Und mussten begreifen, dass das völlig okay ist. Die Entscheidung, so zu arbeiten, haben wir jedoch nie in Frage gestellt. Und würden es auch heute nicht tun.” 

Einer der wichtigsten Faktoren ist für Luschnat das Commitment zum Menschen. „Wenn Unternehmen aus Hierarchien heraus denken, heißt das oft, den Mitarbeiter:innen die Fähigkeit abzusprechen, selbst etwas zu erschaffen. Stattdessen setzt man auf Micromanagement.“ Luschnat gibt zu, sich ab und an selbst an diese Verpflichtung erinnern und darauf besinnen zu müssen: „Zu diesem Commitment muss man sich manchmal zwingen.” Doch dieser Weg habe sich für ihn und sein Unternehmen enorm ausgezahlt. Vertrauen und Partnerschaft seien die Grundlage für bessere Ergebnisse. 

Vertrauen in die Menschen

Neben dem Scheitern gebe es viel mehr Beispiele, die den Wert von Vertrauen in die Menschen zeigen. „Speziell dann, wenn man etwas zurückbekommt, von dem man nicht dachte, dass das schon (so) funktioniert.” Und das zahle sich nicht nur nach innen aus, sondern auch nach außen in der Zusammenarbeit mit Kund:innen und Partner:innen: „In dem Augenblick, in dem das Dienstleister-Auftraggeber-Gefälle weg ist und man feststellt, dass man auch partnerschaftlich gemeinsam an Projekten arbeiten kann, ist das Ergebnis tausendfach besser.”

Was also gilt es, für die Zukunft der Arbeit zu tun? „Ich glaube, dass sich in vielerlei Hinsicht das Menschenbild in den Führungsetagen ändern muss. Wir müssen alle Dinge in Frage stellen, die über Jahre und Jahrzehnte, teils über hunderte Jahre in Stein gemeißelt waren. Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmen, die das nicht verstehen, in den nächsten Jahren ernsthafte Schwierigkeiten bekommen werden. Wenn das nicht verstanden, akzeptiert und gelebt wird, haben wir ein Problem.” Aber, und auch da lässt Luschnat keinen Zweifel: „Ich glaube, es gibt Hoffnung.”