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Mit Stein und Hardenberg gelingt auch die Direktzahlung des Klimageldes

Kommentar Wir brauchen keine Revolution. Sondern wirtschaftsorientierte Reformen nach dem Vorbild Preußens vor 200 Jahren. Oder einfacher: Funktionierende Infrastrukturen und zukunftsorientierte Förderungen. Sollte doch möglich sein, meint Gastkolumnist Gunnar Sohn.

Foto: widy antoro/ Pexels.com
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Digitale Prozesse? Medienbrüche!

Die öffentliche Hand liebt Medienbrüche und sie liebt vor allem analoge Briefe und Umlaufmappen: Hier dominieren nach wie vor der Postweg oder das Faxgerät. Was war das für ein Schwachsinn bei der Neuberechnung der Grundsteuer. Alle Daten liegen dem Staat vor – nur werden sie von unterschiedlichen Stellen verwaltet. Folge: Die Hauseigentümerin bekommt die A-Karte zugeschoben, die nötigen Unterlagen zu suchen, mit Androhung von Bußgeldern. Steuerbescheid scannen und der Rentenversicherung per E-Mail schicken? Nee, nee. „Da kommt erst ein Formular per Post und da heften Sie dann den Steuerbescheid dran und schicken uns das wieder zu.“

Echtzeitdaten-Management während der Corona-Zeit? Fehlanzeige. So war es unmöglich, Ursache und Wirkung bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu analysieren, bemerkt Professor Dietrich Grönemeyer auf der Fachmesse Zukunft Personal. Warum ist das Klimageld noch nicht da? Weil IT und Daten für Direktzahlungen fehlen. Das Bundesfinanzministerium will bis zum nächsten Jahr die Technik fertig haben. Was für ein Offenbarungseid! Mittlerweile sind die CO2-Einnahmen auf Jahre für andere Sachen verplant wie Häusersanierung, Heizungstausch, EEG-Förderung, Subventionen für Intel und Co.

Die öffentliche Hand liebt Medienbrüche und sie liebt vor allem analoge Briefe und Umlaufmappen: Hier dominieren nach wie vor der Postweg oder das Faxgerät.

Die verschlafene Digitalisierung richtet auch hier erheblichen Schaden an: Hätte es Ende 2021 einen Direktzahlungsweg gegeben, wären die Einnahmen aus den CO2-Abgaben womöglich nicht komplett anders verplant worden, und wir hätten heute ein historisches Klimageld, meint der Journalist Philip Banse auf der Plattform X.

Preußische Reformen statt Französische Revolution

Der Ex-Politiker Thomas Sattelberger und der Unternehmer Winfried Felser forderten in einer Kolumne so eine Art französische Revolution, um Deutschland grundlegend zu reformieren. Wenn man sich den maroden digitalen Staat hierzulande anschaut, brauchen wir eher eine Totalsanierung der technischen Infrastruktur und die Entwicklung von Highend-Innovationen nach preußischem Vorbild.

Was mit dem Sturm auf die Bastille begann, endete bekanntlich im Terrorregime der Jakobiner und führte zur Machtergreifung von Napoleon mit den bekannten kriegerischen Folgen für Europa. Letztlich offenbarte der napoleonische Expansionswille auch die Schwachstellen des europäischen Staatensystems. Und hier spielte dann eben in Preußen die Musik mit den Stein-Hardenbergschen Reformen und den wirtschaftspolitischen Akzenten, die beispielsweise zum Technologie-Boom in Berlin führten. Ausgelöst durch den Postminister Heinrich von Stephan unter Kanzler Otto von Bismarck.

Reformen Basis für wirtschaftlichen Erfolg

Die wirtschaftspolitische Bilanz der Franzosen in Folge der Bastille-Erstürmung ist mager, wenn man sich die Entwicklung im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts anschaut. So lag die Arbeitslosigkeit zwischen 1871 und 1914 in Deutschland bei ein bis zwei Prozent – in Frankreich bei sechs bis zehn Prozent. Das Volksvermögen betrug 1912 in Deutschland 290 Milliarden Goldmark, Frankreich kam auf 240 Milliarden Goldmark. Die Zahl der Telefone lag in Deutschland 1910 bei 1.076.000, in Frankreich bei 14.616. Hier war Berlin das Silicon Valley der Telekommunikation. Steuerbelastung pro Kopf: Deutschland 35 Mark, Frankreich 66 Mark.

Wir brauchen noch mehr Wumms, Herr Bundeskanzler.

Ähnlich sieht es bei der Erzeugung von Roheisen und Eisenerzen aus, beim Außenhandel, in der Spielwarenindustrie, bei Sparguthaben, bei der Erzeugung von Elektrizität und dergleichen.

Innovationen brauchen funktionierende Infrastruktur

Entscheidend war dabei die Rolle des Staates: Etwa bei der Reform der Verwaltung, des Finanzwesens und der Gewerbeordnung, die in Preußen in Gang gesetzt wurden. Generell sei die staatliche Wirtschaftsförderung wichtig gewesen, so Philipp Robinson Rössner in seinen Opus „Wirtschaftsgeschichte neu denken”: Etwa bei der Gewerbe- und Industrieförderung, der Qualitätssicherung von Industrie- und Gewerbeprodukten, der Bereitstellung öffentlicher Güter und Infrastruktur bis hin zur gezielten Importsubstitution und infant industry protection, die bis heute in weniger entwickelten Ländern bisweilen erfolgreich angewandt wird.

Was im 19. Jahrhundert möglich war, sollte doch heute wieder gelingen. Innovationen gelingen nur mit einer modernen technologischen Infrastruktur. Und die sollte der Staat anstoßen durch eine Aussetzung der Schuldenbremse. Wir brauchen noch mehr Wumms, Herr Bundeskanzler.