Business Transformation Digitalisierung

Eine ERP-Einführung ist kein IT-Projekt

Kommentar Software-Einführungen scheitern oft. Weil sie als IT-Projekt gedacht werden. Dabei geht es vor allem um die ganzheitliche Transformation des Unternehmens. Und das hat massive Konsequenzen, meint Oliver Sowa.

Foto: Adobe Stock
Foto: Adobe Stock

It's all about transformation, stupid!

Warum scheitern ERP-Einführungen oder andere Software-Projekte? Einer der Hauptgründe ist die gedankliche Falle, dass viele Unternehmensleitungen das extrem komplexe Thema vom falschen Ende her denken. Bei einer ERP-Einführung geht es nur am Rande um Software. Sie ist kein IT-Projekt. Die wahre Herausforderung liegt in der ganzheitlichen Transformation des Unternehmens.

Im Kern geht es darum, das Unternehmen auszumisten sowie die Geschäftsprozesse vom Kunden her gedacht zu vereinfachen und zu verschlanken. Abschaffen, entrümpeln und wegschmeißen ist angesagt.

Ich spreche aus eigener schmerzhafter Erfahrung. Bei Beutlhauser ist im Sommer 2016 eine ERP-Einführung mit jahrelangem Vorlauf krachend gegen die Wand gefahren. Wer war dafür verantwortlich? Der Hersteller der Software oder der Implementierungspartner? Die Antwort ist eindeutig: Keiner von beiden. Wir selbst trugen die Verantwortung für das Scheitern.

Wenn ERP-Einführungen scheitern, liegt das in der Regel nicht am Hersteller der Software oder dem Implementierungspartner. Unternehmen scheitern dabei an sich selbst. Wir sind damals sehenden Auges ins Unglück gerannt, weil wir versucht haben, über 160 Jahre Firmengeschichte mitsamt allen gewachsenen Strukturen und Geschäftsprozessen digital abzubilden. Zudem haben wir geglaubt, dass es sich um ein IT-Projekt handelt. Das war blind und kann nicht funktionieren.

Paradigmen- und Perspektivenwechsel

Der Weg zum Erfolg bei einer ERP-Einführung erfordert einen Paradigmen- und Perspektivenwechsel. Das ist ein Projekt der Unternehmensleitung. Im Kern geht es darum, das Unternehmen auszumisten sowie die Geschäftsprozesse vom Kunden her gedacht zu vereinfachen und zu verschlanken. Abschaffen, entrümpeln und wegschmeißen ist angesagt. Das, was sinnvoll ist und übrig bleibt, wird so weit wie möglich digitalisiert. Dies in enger Abstimmung mit dem Hersteller der Software und dem Implementierungspartner.

Das sind unsere praktischen Erfahrungen in der Beutlhauser-Gruppe. Und so ist uns im Sommer 2021 die Umstellung von Infor LN auf SAP S/4HANA gelungen – inklusive FSM (Field Service Management) für unsere über 300 mobilen Servicetechniker. Ein Big Bang an 27 Standorten und in allen Geschäftsbereichen. Unser zweiter Anlauf ist uns deshalb gelungen, weil wir rechtzeitig zuvor die kulturelle, soziale und organisatorische Transformation als Basis der digitalen Transformation bereits auf den Weg gebracht hatten. Zudem wurden die Anwender – und damit die Personen, die später mit dem System arbeiten sollten – frühzeitig eingebunden. Ein rund 80-köpfiges Projektteam aus den Bereichen Vertrieb, Miete, Service, Finanzen, IT und Controlling erarbeitete umfassend die zukünftigen Soll-Prozesse. Es entstand ein detailliertes Lastenheft, das die erforderlichen Leitplanken für die Auswahl der Software und des passenden Implementierungspartners schuf. Anschließend arbeiteten wir eng mit dem Hersteller der Software und dem Implementierungspartner zusammen. Erst als wir sicher waren, dass der nötige Reifegrad erreicht ist, folgte im Sommer 2021 das Go-live.

Wer sein Unternehmen digital transformieren will, der muss dies vorher kulturell, sozial und vor allem organisatorisch tun.

Die logische Schlussfolgerung: Eine ERP-Einführung ist kein IT-Projekt und hat nur am Rande etwas mit Software zu tun. Wer sein Unternehmen digital transformieren will, der muss dies vorher kulturell, sozial und vor allem organisatorisch tun. Dafür braucht es den Mut, die Ausdauer und die Konsequenz der Unternehmensleitung, das Unternehmen von den Entscheidungswegen her hierarchisch auf den Kopf zu stellen und die institutionellen Rahmenbedingungen so zu bauen, dass horizontale Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg nah am Kunden möglich ist.