Business Transformation Change Management

Das meiste Elend kommt von oben

Kommentar Oft ist Kundenorientierung nur ein Wort. Schuld daran tragen aber selten die Mitarbeitenden, sondern diejenigen, die das Unternehmen denken, bauen, führen: die Geschäftsleitung. Der Umbau Richtung Kunden erfordert Willen zur Selbstkritik. Und Mut.

Foto: David Malan/Ocean/Corbis
Foto: David Malan/Ocean/Corbis

Kundenorientierung? Zu oft Marketing-Blabla

„Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt!“ Diese wohlklingende Floskel zieht sich durch weite Teile der Unternehmenslandschaft. Mit vor stolz geschwellter Brust berichten Geschäftsführer, was das Unternehmen doch alles für den Kunden tut. Oder noch schlimmer: Sie beauftragen ihre Marketingabteilungen, entsprechende Kampagnen zu fahren. Geschichten, die beim ersten Hören einen Nerv treffen, sich beim Blick hinter die Fassade jedoch oftmals als „Schönfärberei“ entpuppen. Denn in der Regel bleibt der Kunde bei den meisten Entscheidungen außen vor. Häufig werden die Unternehmen von innen nach außen gedacht und die Prozesse vor allem für sich selbst optimiert.

Echte Kundenzentrierung bedeutet mehr als reine Lippenbekenntnisse: Die Perspektive des Kunden ist Dreh- und Angelpunkt für alles Weitere. Produkte und Dienstleistungen analoger und digitaler Art sind meist keine „Raketenwissenschaften“ und austauschbar. Den entscheidenden Unterschied macht der Mensch. Das Unternehmen muss konsequent so gebaut werden, dass die konkreten Bedürfnisse des Kunden am „Point of Sale“ wahrgenommen werden. Dafür braucht es Menschen, die genau zuhören, verstehen, was der Kunde will und braucht und dann auch in der Lage sind, schnelle Entscheidungen zu treffen, um eine passende Lösung zu finden.

Change und Kulturwandel sind nichts für Feiglinge.

Doch oftmals hindern strenge Hierarchien und die generellen Strukturen im Unternehmen die Mitarbeitenden genau daran. Das war bei Beutlhauser früher auch so. Vertikale Entscheidungswege von oben nach unten und wieder zurück, Abteilungssilos, exakte Zielvorgaben, Kontrollmechanismen oder Incentivierungen wie Verkäuferprovisionen waren bei genauer Betrachtung kundenfeindlich. Wer war dafür verantwortlich, dass wir nicht vordergründig für den Kunden arbeiteten? Sicher nicht unsere Mitarbeitenden, sondern in erster Linie wir als Geschäftsleitung. Unsere Art, das Unternehmen zu denken, zu bauen und zu führen. Deshalb bin ich davon überzeugt: Das meiste Elend kommt von oben.

Ausrichtung auf den Kunden umfasst das gesamte Unternehmen

Erst als wir unseren Beobachtungsfehler und das Problem ursächlich erkannt sowie die Fehler bei uns selbst und nicht bei den anderen gesucht haben, konnte eine echte Transformation beginnen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass vom Kunden her denken und handeln nur dann funktioniert, wenn im Unternehmen die institutionellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein hohes Maß an Autonomie und horizontaler Zusammenarbeit ermöglichen. Die Entscheidungskompetenz muss dafür zur Fachkompetenz. Zudem muss der Weg von außen – vom Kunden – nach innen – in das Unternehmen – führen. Keinesfalls umgekehrt.

Woran liegt es, wenn Mitarbeitende Kunden nicht so bedienen können, wie diese es brauchen? Sicher nicht an den Mitarbeitenden. Sondern an der Geschäftsleitung. An der Art, wie sie das Unternehmen denkt, baut, führt.

Im Kern geht es zu großen Teilen um den Change im Denken der Unternehmensleitungen. Leider bringen noch zu wenige Geschäftsleitungen dafür die Offenheit und Bereitschaft mit. Und dann gibt es noch diejenigen, die zwar verstanden haben, worum es ursächlich geht, aber nicht bereit sind, sich mutig den nötigen Konsequenzen zu stellen. Schließlich erzeugt echte, ernstgemeinte Transformationsbereitschaft Lärm im Unternehmen.

Werden Strukturen, die sich über Jahrzehnte hinweg etabliert haben und auf eine „Das haben wir schon immer so gemacht“-Daseinsberechtigung bauen, ernsthaft hinterfragt und bei Bedarf abgeschafft, entsteht Reibung. Das muss man aushalten können. Change und Kulturwandel sind eben nichts für Feiglinge. Einfacher ist es natürlich, sich wie beim Versteck-Spiel die Augen zuzuhalten, während man langsam in dem Glauben herunterzählt, dass dieser Kelch schon an mir schon vorübergeht. So sieht man schließlich nicht, wie die Kunden zu anderen Unternehmen abwandern, die wirklich tun, was sich alle auf die Fahnen schreiben: Den Kunden in den Mittelpunkt stellen.