Digitalisierung Change Management

Was asynchrone Kommunikation bringt – und was nicht

Kommentar Die Welt der Informationstechnologie wandelt sich seit Jahren immer schneller und schneller. Wie stellen sich IT-Verantwortliche von heute dieser Wandlungsgeschwindigkeit, den Anforderungen der neuen Arbeitswelt und behalten ihren IT-Zoo aufgeräumt? Andreas Plaul berichtet aus seinem Alltag als CIO. Diesmal: „Mehr Chats und keine Meetings? Was bringt asynchrone Kommunikation?“

Foto: Richard Horvath/ Unsplash
Foto: Richard Horvath/ Unsplash

Eine Welt ohne Meetings?

Wie viel Zeit verbringen wir eigentlich in Meetings während unserer Arbeitszeit? Das hängt davon ab, mit welchen Menschen wir sprechen. Das Problem der vielen Meetings von Führungskräften ist nichts Neues, wird seit langem beklagt – Stichwort Zeitverschwendung und Arbeitszeitvernichtung.
Wenig Struktur und überflüssige Wortmeldungen führen dazu, dass viele Meetings keinen Wert fürs Unternehmen schaffen. Seit Corona hat sich das Problem verschärft, denn zu virtuellen Besprechungen kann ohne Aufwand eine beliebe Zahl von Teilnehmenden hinzugezogen werden. Und die Erfahrung lehrt: Je mehr Menschen im Meeting desto unklarer und verteilter die Verantwortlichkeiten.

Trotz Zwei-Pizza-Regel, Stehtischen und strukturierten hybriden Besprechungen: Die Zahl der Meetings bleibt zu groß. Also Schluss mit Besprechungen jeder Art?


Manche Unternehmen haben bereits die sogenannte Zwei-Pizza-Regel eingeführt. Sie legt fest, dass an einem Meeting maximal zehn Menschen teilnehmen dürfen, die von zwei Pizzas satt würden. Andere setzen auf physische Maßnahmen, veranstalten Besprechungen beispielsweise nur an Stehtischen, um es nicht zu gemütlich werden zu lassen. In der Haufe Group haben wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren viele Erfahrungen mit hybriden Meetings gemacht und gelernt, was sie effizient macht. Die Schlüsselfaktoren sind die klare Strukturierung der Meetings, die Reduzierung der Teilnehmerzahl sowie ein Protokoll, dass Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Zeitplan klar definiert.

Doch trotz Zwei-Pizza-Regel, Stehtischen und strukturierten hybriden Besprechungen: Die Zahl der Meetings bleibt zu groß. Also Schluss mit Besprechungen jeder Art? Ist asynchrone Kommunikation über E-Mails oder Chat ein Weg aus der Zeitfresser-Falle Meeting?

Asynchrone Kommunikation senkt Stress und Druck

Asynchrone Kommunikation hat aus meiner Sicht vor allem folgende Vorteile: Sie kann helfen, Stress und Druck auf die Mitarbeitenden zu reduzieren, weil sie nicht immer sofort auf alle Anfragen reagieren müssen und in Ruhe arbeiten können. Sie bestimmen damit weitgehend selber, wann und wo sie arbeiten, auch über Zeitzonen hinweg. Die störungsfreie Zeit ermöglicht Konzentration und Nachdenken. Ganz praktisch zeigen sich die Vorteile auch darin, dass bei asynchroner Kommunikation Diskussionen und Entscheidungen immer automatisch protokolliert sind.  Asynchrone Kommunikation kann Stress und Druck der Mitarbeiter reduzieren und damit die Produktivität und Arbeitsergebnisse verbessern.

Dagegen steht eine Reihe von Nachteilen: persönliche Beziehungen leiden. Kritische Gespräche zwischen Menschen, Feedbackgespräche oder Performance-Dialoge können nicht per Mail oder Chat geführt werden, das sollte klar sein. Dazu kommt: Nonverbale Informationen gehen verloren, dabei sind 93 Prozent unserer Kommunikation mimisch und gestisch. Umso höher ist der Aufwand für eindeutige, unmissverständliche Formulierungen in den E-Mails und Nachrichten.

Technologie ist nie die Lösung, sondern immer nur ein Mittel zum Zweck. Welches Problem möchten wir lösen? Das ist immer die entscheidende Frage.

Alles eine Frage der der richtigen Technologie?

Technologie ist nie die Lösung, sondern immer nur ein Mittel zum Zweck. Welches Problem möchten wir lösen? Das ist immer die entscheidende Frage. Und abhängig von den Problemen gibt es unterschiedliche Formate, damit Menschen langfristig erfolgreich agieren können. Doch wo Menschen zusammenarbeiten, wird es schnell komplex und schwierig – und die Aufgaben vielfältig:

  • Austausch von Wissen
    Hier steht Kommunikation sicher im Vordergrund, aber Menschen können Wissen über unterschiedliche Kanäle austauschen und aufnehmen. Textinhalte und Videokonferenzen bilden eine geeignete Grundlage, visuelle Darstellungen und auch motorische Kollaboration unterstützen aber viele Menschen maßgeblich im Verständnis.
  • Soziale Gruppenerfahrungen
    In der Gruppe agiert der Mensch unbewusst und bewusst. Körpersprache und Position im Raum bestimmen auf natürliche Weise, wie sich die zwischenmenschlichen Interaktionen der teilnehmenden untereinander entwickeln. Auch virtuell lässt sich die Entwicklung in den jeweiligen Teams über Räume, aber auch VR-Brillen und/oder in Kombination mit Präsenzmeetings unterstützen
  • Innovation
    Kreativität braucht Freiräume. Besonders in trockenen Videokonferenzen scheint es wenig Platz dafür zu geben. Hier sehe ich auch das höchste Potenzial für Augmented Reality und Virtual Reality-Technologien. Ganze Werkzeugkoffer voller Möglichkeiten zur „Gamification“ der Zusammenarbeit warten in den Metaversen großer Technologiekonzerne. Spielen fasziniert alle Altersgruppen und führt zu einer Steigerung der Konzentration und der Kreativität.
  • Problemlösung
    Die meisten Probleme lassen sich durch ein strukturiertes Standardvorgehen analytisch lösen. Hier spielen etablierte Zusammenarbeitswerkzeuge aus dem Projektmanagement eine große Rolle. Hinzu kommen weitere Lösungen für gemeinsames Whiteboarding, Wireframing etc., wo man auf dem Bildschirm oder in virtuellen Realitäten frei darauf los malen kann. Manchmal hilft aber auch nur die direkte Konfrontation mit dem Thema in Präsenzmeetings oder in virtuellen Realitäten
  • Vertrauen
    Für eine effektive Zusammenarbeit braucht es eine vertrauensvolle Basis. Vertrauen entsteht durch eine positive Erfahrung des sich gegenseitig Öffnens. Ich erlebe, dass es fast unmöglich ist, sich über Videokonferenzen oder Mails tatsächlich zu öffnen. Ohne Körpersprache und räumliche Nähe verlieren Informationen an Intension und Emotion.

Es gibt noch unzählig weitere menschliche Situationen, die mit einer „One-Size-Fits-All“ Lösung wie Videokonferenzen zu kurz kommen. Am Ende macht es die Mischung aus Präsenz, Videokonferenzen und immersiven Erlebnissen. Und noch ist diese Mischung nicht ausgewogen.

Am Ende macht es die Mischung aus Präsenz, Videokonferenzen und immersiven Erlebnissen. Und noch ist diese Mischung nicht ausgewogen.

Wir müssen Werkzeuge für effektive Zusammenarbeit bereitstellen

Ich sehe es als Auftrag an jede:n CIO, die richtigen Werkzeuge bereitzustellen, damit wir die Herausforderungen hybrider Arbeitswelten im Heute und Morgen lösen können. Wir beschäftigen uns bei der Haufe Group dazu in kleinen Gruppen mit den Möglichkeiten in den unterschiedlichen Metaversen. Und wir sind uns sicher, dass hier viele Innovationen auf uns warten, die nicht nur die Überwindung von räumlichen Entfernungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, sondern langfristig auch Zufriedenheit und Erfolg der Menschen unterstützen und stärken. Damit wir eben nicht die nächsten Jahre ausschließlich in Videokonferenzen verbringen.