Business Transformation Innovation

Jeder kann kreativ sein – oder?

Analyse Kreativität ist der Schlüssel zu Innovation. Aber Kreativität braucht eine Grundlage, die richtige Mischung aus Wissen, Können, freiem Denken. Wie immer geht es darum, Menschen mit den gesuchten Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammenzubringen in einem Umfeld, dass Möglichkeitsräume eröffnet, schreiben Lysander Weiß und Lucas Sauberschwarz. Klingt banal, ist es aber nicht.

Foto: Dan Cristian Pădureț, Pexels.com
Foto: Dan Cristian Pădureț, Pexels.com

Individuelle Fähigkeiten zur systematischen Innovationsentwicklung

Innovation wird häufig mit Kreativität und Ideen gleichgesetzt. Verbunden mit der Überzeugung, dass jeder Mensch kreativ sein kann, ist der (Trug)Schluss nicht weit, dass für Innovation eigentlich keine besonderen Skills benötigt werden. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Unternehmen immer noch davon ausgehen, dass Innovationen irgendwie nebenbei im Tagesgeschäft entstehen können, wenn nur die richtige Innovationskultur herrscht und vielleicht noch eine inspirierende Innovations-Challenge ausgerufen wird. Oder dass ein kreatives Brainstorming mit den gerade verfügbaren „Freiwilligen“ schon zum Ziel führen wird. Doch liegen in dieser Argumentationskette gleich mehrere Fehleinschätzungen vor.

Serie Innovationsmanagement
Was macht Unternehmen innovationsfähig und damit zukunftsfähig – organisational, prozessual, in Bezug auf Kompetenzen? Dieser Frage gehen Lysander Weiß und Lucas Sauberschwarz in einer Artikelserie nach.
Alle Artikel der Serie

Erstens ist leider nicht (mehr) jeder Mensch kreativ. Zwar ist diese Fähigkeit tatsächlich quasi allen Menschen buchstäblich in die Wiege gelegt – aber nur bei wenigen überlebt sie bis ins Erwachsenenalter. Das zeigt beispielsweise der berühmte „George Land Test“. Der gleichnamige Wissenschaftler nutzte einen Kreativitätstest aus den Assessment-Centern der NASA bei Kindern in verschiedenen Altersgruppen. In der Kohorte der 5-jährigen Kindern bestanden 98 Prozent den Test. Bei den 10-Jährigen waren es nur noch 30 Prozent und bei den 15-Jährigen 12 Prozent. Bei Erwachsenen schließlich waren es nur noch zwei Prozent. Kreativität wird also „verlernt“ – und ist bei Erwachsenen nur noch selten abrufbar! Wenn also Ideen gefunden werden sollen, reicht es nicht, dies zu fordern, sondern es müssen die notwendigen kreativen Skills sichergestellt werden.

Innovation braucht spezifische Skills. Aber welche?

Und selbst wenn dies gelingt und ein hohes Maß an Kreativität zur Verfügung steht, kommen wir zur zweiten Fehleinschätzung: Innovation ist nicht das Gleiche wie Kreativität und Ideen. Nicht umsonst bemerkte Thomas Edison, dass Erfindungen zu einem Prozent aus Inspiration und zu 99 Prozent aus Schweiß bestehen. Kreative Ideen sind ein wichtiger Bestandteil von Innovation, reichen aber allein nicht aus. Insbesondere, wenn eine systematische Innovationsentwicklung erfolgen soll, um nicht nur irgendwelche Ideen, sondern die bestmöglichen Lösungen zur Erfüllung der Unternehmensziele zu finden, kommt es auf viele weitere Fähigkeiten an. Kurz: (Systematische) Innovation braucht spezifische Skills. Aber welche?

Außen hart und innen ganz weich

"Außen hart und innen ganz weich" sang Herbert Grönemeyer in "Männer". Dieser Auszug könnte die notwendigen Skills für systematische Innovation treffend beschreiben. Denn auf die Frage, welche Fähigkeiten für Innovationen besonders wichtig sind, spalten sich die Antworten schnell in zwei Lager. Einerseits werden „harte“ fachliche und technische Skills genannt, wie sie insbesondere bei Ingenieuren oder IT’lern zu finden sind, die inhaltlich neue (technische) Lösungen entwickeln können. Gleiches würde aber zum Beispiel auch für Naturwissenschaftler in Pharmakonzernen oder Chemiker in der Lebensmittelindustrie gelten.

Auf der anderen Seite wird gerne behauptet, dass es vielmehr um „weiche“ Fähigkeiten wie die bereits erwähnte Kreativität, agiles Arbeiten oder das richtige „Mindset“ geht, da man sich mit diesen Voraussetzungen alles Nötige an Fachwissen schon aneignen oder besorgen könne. Frei nach dem Motto: Alle haben gesagt, es geht nicht, bis einer kam, der es nicht wusste und es einfach gemacht hat.

Recht haben natürlich beide Seiten. Denn ohne fachliche oder technische Expertise (Hardskills) lassen sich kaum wirklich neue Lösungen entwickeln, die auch funktionieren. Aber ohne die passenden Arbeits- und Denkweisen (Softskills) wird vielleicht gar nicht erst nach neuen Lösungen gesucht – oder nur an bekannten Stellen. Systematische Innovation erfordert also eine Kombination von geeigneten Hard- und Softskills.

Ohne fachliche oder technische Expertise (Hardskills) lassen sich kaum wirklich neue Lösungen entwickeln, die auch funktionieren. Aber ohne die passenden Arbeits- und Denkweisen (Softskills) wird vielleicht gar nicht erst nach neuen Lösungen gesucht.

Insbesondere die Hardskills sind dabei sehr individuell vom jeweiligen Themengebiet abhängig. In der Regel ist hier jedoch eine Kombination aus technischem und (finanz-)wirtschaftlichem Know-how förderlich. Denn nur so können relevante Markt-/Technologiekombinationen entwickelt werden, die nicht nur funktionieren, sondern auch eine gute Geschäftsmöglichkeit darstellen. Unabhängig davon muss immer wieder neu definiert werden, welche spezifischen Hardskills für die Bearbeitung eines Innovationsprojektes konkret erforderlich sind. Dabei ist zu beachten, dass die Halbwertszeit des Wissens immer schneller abnimmt – kontinuierliches und lebenslanges Lernen ist hier in jedem Fall entscheidend!

Hardskills ohne Softskills reichen nicht

Die Softskills lassen sich besser verallgemeinern, da sie unabhängig von den inhaltlichen Themen für die passende Herangehensweise sorgen. Und da die Hardskills immer schneller an Aktualität verlieren und immer leichter durch digitales Wissen (wie ChatGPT) ersetzt werden können, werden die Softskills zunehmend wichtiger. Dies zeigt auch die Aufstellung der „Future Skills“ des Weltwirtschaftsforums (WEF). Hier finden sich unter den Top 10-Fähigkeiten für 2025 mit Ausnahme der digitalen Hardskills fast ausschließlich Softskills wie analytisches Denken, aktives Lernen, komplexe Problemlösung oder Kreativität und Ideation!

Grafik: WEF
Grafik: WEF

Und tatsächlich sind es diese „Meta-Skills“, welche Innovation oft erst ermöglichen – wenn die Basis der fachlichen Skills gegeben ist. Letztere sind also eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Denn erst die Softskills ermöglichen es, durch die Kombination von analytischem und kreativem Denken zu völlig neuen Lösungen zu kommen und unter hoher Unsicherheit abstrakt neue Ideen zu konzipieren. Hier sind sogenante „kreative Generalisten“ gefragt, die mit großer Neugier alle möglichen Inspirationen sammeln und zu ganz neuen Lösungen kombinieren.

Aus der Kombination ergibt sich der Bedarf an sogenannten „T-Shaped Persons“. Diese verfügen sowohl über ein tiefes fachliches Spezialwissen (Hardskills) als auch über ein breites, generalistisches Wissen mit entsprechenden Metafähigkeiten (Softskills). Hier wird schnell klar: Diese Personen wachsen nicht unbedingt auf jedem Baum. Es stellt sich also die Frage, wie die notwendigen Kompetenzen in der Organisation aufgebaut werden können.

Kreativität: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Bevor die Frage nach dem Aufbau von Skills beantwortet werden kann, sollte zunächst geklärt werden, welche überhaupt benötigt werden. Denn Organisationen starten ja nicht bei null, sondern haben schon diverse Mitarbeitende mit allen möglichen Skill-Kombinationen. Entsprechend kann (gegebenenfalls passend zu den vorher beschriebenen Rollen) ein Kompetenzprofil angelegt werden, um zu matchen, welche Personen die notwendigen Fähigkeiten bereits erfüllen. Gerade der Teamgedanke ist dabei wichtig – denn nicht immer lassen sich alle Fähigkeiten tatsächlich im Sinne eines T-Shaped Profils in einzelnen Personen finden. Häufig muss vielmehr ein gesamtes Team das „T“ formen, indem es die Hard- und Softskills verschiedener Personen in unterschiedlichen Rollen vereinigt. Ein vereinfachtes Beispiel für ein solches „Matching“ der benötigten mit den bestehenden Skills in verschiedenen Rollen zeigt die folgende Abbildung (2).

Die ganzen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es braucht, um dauerhaft kreativ und innovativ zu sein.

 

Doch auch mit vereinten Kräften mangelt es meist noch an dem einen oder anderen Skill. Mit einer Übersicht über die notwendigen Kompetenzen als Zielbild können diese jedoch mit bewährten Mitteln der Personalentwicklung aufgebaut werden. So können mittels Recruiting gezielt Personen mit den notwendigen Hard- oder Softskills gesucht werden. Gerade auf letztere wird häufig wenig Wert gelegt, obwohl sie, wie dargestellt, immer entscheidender werden. Entsprechend sind bei Bedarf auch die Recruiting-Methoden anzupassen, um Kandidatinnen auch nach Werten oder anderen „weichen“ Eigenschaften auswählen zu können.

Upskilling ist gefragt

Natürlich ist auch das Upskilling des bestehenden Personals eine Option. Wenn Kreativität verlernt werden kann, kann sie vielleicht auch wieder erlernt werden! Wenn technische Skills fehlen, können diese trainiert werden. Und wenn Denkweisen nicht passen, gibt es auch dafür oft Rezepte, sofern die Mitarbeitenden bereit sind, sich zu verändern. Hier kommt es also sehr auf die vorhandenen Grundlagen und die individuelle Motivation an.

Beide Wege können entsprechend langwierig sein und schlicht nicht ausreichen, um (kurzfristig) die Skill Gaps zu schließen. Dann kann auf die Option des Outsourcings zurückgegriffen werden, indem externe Dienstleister genutzt werden, die ihre Hard- und/oder Softskills zur Verfügung stellen. So kann Entwicklung oft an Spezialisten ausgelagert werden, oder Innovationsberatungen können kreative Generalisten zur Verfügung stellen, um Projekte zu initiieren. Damit die Skills dennoch langfristig intern aufgebaut werden, sollte hier immer darauf geachtet werden, dass auch ein Enablement stattfindet, um Skills zu übertragen – zum Beispiel indem in gemischten Projektteams gearbeitet wird oder formale Trainings Bestandteil der Dienstleistung sind.

Natürlich ist Upskilling eine Option. Wenn Kreativität verlernt werden kann, kann sie vielleicht auch wieder erlernt werden!

Sind die notwendigen Kompetenzen über diese Wege sichergestellt, müssen sie „nur“ noch eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Die Mitarbeitenden müssen sie auch entfalten können. Dazu braucht es das richtige Arbeitsumfeld – dazu mehr im nächsten (und letzten) Artikel unserer Serie zum ganzheitlichen Innovationsmanagementsystem.

Auswirkung auf dynamische Fähigkeiten

Als eine „Enabling“-Stellschraube wirken sich die Skills positiv auf die Etablierung und Anwendung aller notwendigen „dynamischen Fähigkeiten“ für strategische Innovation aus. Zusammen ermöglichen diese es dem Unternehmen, interne und externe Ressourcen und Kompetenzen (kontinuierlich) zu integrieren, aufzubauen und neu zu konfigurieren, um neue Wettbewerbsvorteile zu entwickeln.

Insbesondere werden jedoch die Fähigkeiten des „Sensing“ und „Seizing“ beeinflusst, welche mit der Identifizierung neuer Opportunitäten und deren Adressierung durch neue Lösungen die systematische Innovationsentwicklung abdecken. Denn nur mit der passenden Kombination aus Hard- und Softskills können die dafür notwendigen Prozesse und Methoden überhaupt erfolgreich angewandt werden. Doch für die weitere Entwicklung der Innovationsfähigkeiten müssen auch noch die anderen Stellhebel betrachtet werden, welche sich in den weiteren Artikeln dieser Serie finden. Sie wollen wissen, wie weit ihr Unternehmen auf der Reise zur kontinuierlichen, strategischen Innovation noch ist? Der „Capability Check“ ermöglicht eine kostenfreie, schnelle Selbsteinschätzung aller dynamischen Fähigkeiten anhand eines wissenschaftlichen Fragebogens.