Wann und wie uns Krisen stärken

Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon bewährt sich im Alltag eines Interim- und Turnaroundmanagers? Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Resilienz“.

Resilienz war nie wichtiger als jetzt

Sie haben mich in dieser Kolumne als einen kennengelernt, der gerne hart mit Managern, Mitarbeitern und Moden ins Gericht geht. Und so befürchten Sie jetzt wahrscheinlich, dass ich den Trendbegriff „Resilienz“ und alles, was wir unter diesem Schlagwort diskutieren, in meinem dalmatinischen Furor zerlege. Doch weit gefehlt!

Resilienz ist mir lieb und teuer. Es ist ein Konzept, das aus der Beobachtung der Natur entspringt – und das damit den Naturwissenschaftler in mir besonders anspricht. Und es ist ein Thema, das nie so relevant war wie in diesen Krisenzeiten.

Darum: Was ist Resilienz? Der Begriff beschreibt vor allem die Fähigkeit von Menschen, mit widrigen Umständen umzugehen, Krisen zu meistern und „sich nicht unterkriegen zu lassen“. Worauf er sich ursprünglich nicht bezieht, ist die Fähigkeit von ganzen Gruppen oder Unternehmen, unter Druck und Widrigkeiten zu bestehen.

Doch genau darum geht es in meinem Job als Interim- und Turnaroundmanager: Ich sorge dafür, dass Menschen gemeinsam das Ruder herumreißen und den Karren aus dem Dreck fahren. Weshalb ich mir erlaube, hier über resiliente Menschen und robuste Organisationen gleichermaßen zu reflektieren.

Widerstandsfähigkeit bildet sich aus

Die Resilienzforschung öffnet uns die Augen dafür, dass es nicht allein um angeborene Eigenschaften geht, wenn manche Menschen besser als andere mit Widrigkeiten klarkommen. Sie zeigt, dass die Widerstandsfähigkeit von Menschen erst im Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht: nämlich wie resiliente Personen denken und fühlen, wie sie in ihre Umwelt eingebettet sind und wie sie Herausforderungen wahrnehmen, annehmen und angehen.

Es geht also auf der einen Seite um Personen, die Anlagen mitbringen, die aber auch lernen und sich entwickeln. Resilienz ist bis zu einem gewissen Grad trainierbar. Auf der anderen Seite geht es um Systeme und Prozesse. Hier kommt Management ins Spiel.

Was Manager dazu beitragen können

Als Manager schaffe ich die Voraussetzungen, dass Menschen angesichts immenser Herausforderungen bestehen. Wenn es hart auf hart kommt, muss ich darauf achten, wer wie belastbar scheint und wer wie an Aufgaben herangeht. Außerdem muss ich im Blick behalten, wie die Umstände sind, in der diese Person ihre Aufgabe bewältigen soll.

Zudem schaffe ich Rahmenbedingungen. Ich tue dies, indem ich ein Auge auf Prozesse habe, die Art des Umgangs der Menschen miteinander verfolge und einen Kurs vorgebe, an dem sich alle orientieren können. Ob Organisationen robust sind und Menschen auch in schwieriger Lage bestehen, liegt damit zu großen Teilen in meiner Hand.

Resilienz: Worauf es in Unternehmen ankommt

Ich habe hier über die Jahre und in unzähligen Einsätzen ein paar Einsichten gewonnen, die ich gerne teilen möchte. Meiner Überzeugung nach kommt es auf diese vier Dinge an:

  1. Man muss sich und andere auch in guten Zeiten mit Herausforderungen und Verunsicherungen konfrontieren. Übung kräftigt.
  2. Man braucht Freiheit und Verantwortung, um sich angesichts großer Herausforderungen zu bewähren und daraus Kraft zu ziehen. Positives Feedback stärkt die Resilienz.
  3. Man braucht aber auch einen Rahmen, in dem man seine Freiheit, zu machen und zu entscheiden, zum Wohl des Ganzen einbringen kann. Nur so entsteht Fokus auf das, was nottut und nützt.
  4. Und man braucht Rückendeckung, die damit verbundenen Risiken einzugehen. Ohne sie geht es nicht.

Daraus folgt zum einen: Robuste Organisationen sind gewissermaßen „gymnastiziert“. Und gute Manager agieren in ihnen wie der selige Turnvater Jahn.

„Nun macht mal, ich zähle auf Euch“ – das ist weder gutes Management noch verantwortungsvolle Führung.

Zum anderen sind gute Manager, die Resilienz in ihrem Unternehmen fördern wollen, auch so etwas wie ein Innenarchitekt. Sie geben dem Können, dem Selbstbewusstsein, der Freiheit und dem Willen ihrer Mitarbeiter Raum – gestalten diesen Raum aber auch. Und zwar, indem sie Spielregeln festlegen, Verantwortlichkeiten transparent machen und Ziele ausgeben.

Laissez-faire führt auf den Holzweg

Was gute Manager, die robuste Mitarbeiter und Organisationen haben wollen, tunlichst unterlassen, ist dagegen Laissez-faire. „Nun macht mal, ich zähle auf Euch“ – das ist weder gutes Management noch verantwortungsvolle Führung. Allerdings hat diese Einstellung in Zeiten der Selbstorganisation und Schwarmintelligenz stark Schule gemacht.

Wohl dem, der seine Resilienz in ruhigeren Zeiten schon gekräftigt hat.

Die gegenwärtige Pandemie zwingt uns alle, Resilienz unter Beweis zu stellen. Sie wird dazu führen, dass einige Manager, Mitarbeiter und Unternehmen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Und andere an ihr zerbrechen. Wohl dem, der seine Resilienz in ruhigeren Zeiten schon gekräftigt hat.