New Work Digitalisierung

Was tun gegen Zoom-Fatigue?

Seit zwei Jahren verbringen viele Menschen viel Zeit in Videokonferenzen. Das macht viele müde und mürbe. Das Phänomen hat auch einen Namen: Zoom-Fatigue. Was können Unternehmen tun, um das Phänomen zu verhindern? Dieser Frage ist Gastautorin Jenny Dietrich in ihrer Masterarbeit wissenschaftlich nachgegangen.

Foto: Gabriel Benois on Unsplash
Foto: Gabriel Benois on Unsplash

Das Büro als zentraler Ort der Zusammenarbeit verliert an Bedeutung

Spätestens seit Beginn der Pandemie wissen wir: Neue Arbeitsstrukturen und vor allem eine Unzahl von Online-Meetings bestimmen unser berufliches Tun – zumindest, wenn wir im Büro arbeiten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das auch nach dem Abflauen der Pandemie für viele so bleiben wird. Tendenziell werden selbstbestimmtes Arbeiten und größere Entscheidungsfreiheit und damit Verantwortung für eine wachsende Zahl von Menschen bestimmend.

Zoom-Fatigue zeigt sich in drei Ermüdungserscheinungen: Menschen sind genervt, gestresst oder unkonzentriert.

Ein Kennzeichen ist verteilte Arbeit, das Büro als zentraler Ort der Zusammenarbeit verliert an Bedeutung. Das bringt Vorteile, etwa die Möglichkeit der flexiblen Mobilarbeit. Aber auch Nachteile. Aufgaben werden komplexer, und besonders die Vielzahl an virtuellen Meetings birgt für Mitarbeitende Risiken. Im Vordergrund steht eine spezielle Art von Müdigkeit und Erschöpfung, die Jutta Rump und Marc Brandt (2020) vom Institut für Beschäftigung und Employability als „Zoom-Fatigue“ bezeichnen. Zoom-Fatigue stellt Unternehmen vor die Herausforderung, Lösungen für das Phänomen zu finden. Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen die gesundheitsgefährdenden Folgen und auch die Auswirkungen auf die Effizienz und Effektivität der Mitarbeitenden von virtuellen Meetings kennen. Und dass sie die Arbeitswelt der Zukunft gesundheitsfördernd gestalten.

Zoom-Fatigue ist große Herausforderung

Wie können Unternehmen nun der Zoom-Fatigue in einer zunehmend virtuellen Arbeitswelt erfolgreich begegnen? Dieser Frage widmet sich meine Masterarbeit mithilfe des Diary-Verfahrens. Ausgehend von einem betriebswirtschaftlich orientierten und agil angehauchten Verständnis von New Work betrachtet die Masterarbeit die Ursachen und Folgen von Zoom-Fatigue und identifiziert Handlungsmöglichkeiten. Das Diary-Verfahren ist eine Forschung auf Basis von Tagebüchern, die bisher kaum genutzt wird, sich aber perfekt für eine selbstbestimmte Reflexion der eigenen Meeting-Routinen anbietet und gleichzeitig die New Work-Arbeitshaltung berücksichtigt.

In den Diaries macht sich Zoom-Fatigue in Form von drei Ermüdungserscheinungen bemerkbar: Menschen sind genervt, gestresst oder unkonzentriert. Diese Erscheinungen können graduell ab- oder zunehmen. Die Forschungsergebnisse ähneln den wenigen aktuellen empirischen Studien zu Zoom-Fatigue von Rump und Brandt (2020) bzw. Fauville et al. (2021). Um einen Vergleichspunkt zu haben, können die Folgen von Zoom-Fatigue dem ersten der drei möglichen Auswirkungsstufen von virtuellen Meetings zugeordnet werden, wie dies derzeitig auch in der deutschen Wirtschaft der Fall ist (Rump & Brandt, 2020).

Zoom-Fatigue hat 5 Ursachen

Ich konnte die Ermüdungserscheinungen als Folge virtueller Meetings in Zusammenhang mit fünf Ursachen setzen:

  • eine passive Handlungsrichtung der Teilnehmenden
  • eine ziellose und unstrukturierte Gestaltung, die sich auf eine schlechte oder nicht vorhandene Moderation, eine große Teilnehmendenanzahl, ein sinnhinterfragendes Thema sowie einer langen Dauer, einem virtuellen Meeting vorwiegend am Nachmittag und fehlenden Pausen innerhalb des virtuellen Meetings bezieht
  • Wartezeiten aufgrund von technischen Problemen oder ungeplanten Vorkommnissen
  • individuell negativ wahrgenommene zwischenmenschliche Beziehungen
  • visuelle und/oder auditive Ausfälle oder Reizüberflutungen

Bereits eine dieser Ursachen reicht aus für Zoom-Fatigue, manchmal ist das Zusammenspiel mehrerer Elemente ausschlaggebend. Bei der Auswertung wurde berücksichtigt, dass virtuelle Meetings ebenso Eigenschaften von nicht-virtuellen Meetings aufweisen.

Virtuelle Meetings können die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie die Arbeitgeberattraktivität gefährden.

Zoom-Fatigue wirkt sich dabei auf die Mitarbeitenden und die Organisation aus. In der Praxis wird dies als Belastungsfaktor wahrgenommen und in der Wissenschaft als Risikofaktor kategorisiert, denn virtuelle Meetings gefährden die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie die Arbeitgeberattraktivität (Rump & Brandt, 2020). Besonders besorgniserregend ist das Ergebnis einer Studie, in welcher Frauen durch virtuelle Meetings aufgrund der „Spiegel-Angst“ stärker von Zoom-Fatigue betroffen sind als Männer (Fauville et al., 2021), weil sich ihr Stresslevel durch den stetigen Anblick des eigenen Videos erhöht (Fox, 1997).

Die Studie kam außerdem zu dem Schluss, dass jüngere Menschen stärker durch virtuelle Meetings ermüden als ältere (Fauville et al., 2021). Unternehmen sollten daher dem Umstand, dass die Gestaltung der virtuellen Arbeit einen Beitrag zur Gesundheit sowie zur Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens leisten kann, vermehrt Beachtung schenken. Präventive, nachhaltige Maßnahmen, die die Gesundheit der Mitarbeitenden und deren Produktivität erhalten, beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zudem positiv (Lange, 2019).

Einige Ansätze für Mitarbeitende, Organisationen und ihre Personal- und Organisationsentwicklungen scheinen zukunftsfähig, um in den kommenden Jahren Zoom-Fatigue in einer virtuellen Arbeitswelt bewusst begegnen zu können: Aktivierte Teilnehmende in einem virtuellen Meeting, die keinen Nebenaktivitäten nachgehen und sich untereinander austauschen können, leiden weniger an Zoom-Fatigue. Dies kann durch eine integrative und interaktionsfördernde Moderation unterstützt werden. Eine strukturierte Gestaltung mit einer passenden sowie möglichst kleinen Zielgruppe, einer ausgewählten Zeitspanne und einer Agenda hilft, vorab Klarheit über das Ziel des virtuellen Meetings zu erhalten. Wartezeiten umgeht man am besten mit dem pünktlichen Abschluss eines virtuellen Meetings.

Eine integrative und interaktionsfördernde Moderation, eine strukturierte Gestaltung mit einer passenden sowie möglichst kleinen Zielgruppe, eine definierte Zeitspanne und eine Agenda helfen, Zoom-Fatigue zu vermeiden.

MS Teams informiert sogar fünf Minuten vorab über das anstehende Ende des geplanten virtuellen Meetings, so kann die Zeit optimal für eine Rekapitulation genutzt werden. Dass die Technik einwandfrei funktioniert und genug Handlungsspielraum durch beispielsweise externe Tastaturen oder kabellose Kopfhörer ermöglicht wird, bildet die Basis für ein gelungenes virtuelles Meeting.

Zielorientierung, Sinnhaftigkeit und Produktivität tragen dazu bei, dass ein virtuelles Meeting als nicht so ermüdend wahrgenommen wird. Pausen zwischen virtuellen Meetings werden als wichtigste Empfehlung im Umgang mit Zoom-Fatigue angesehen, denn diese reduzieren Ermüdung und steigern die Leistung. Das Microsoft Human Factors Lab (2021) erklärt, dass Übungen zur Achtsamkeit oder zur Meditation beziehungsweise eine bildschirmfreie Zeit, zum Beispiel mit der App Headspace, besonders hilfreich seien. Des Weiteren erleichtern technische Weiterentwicklungen wie Pausen-Einstellungen im Kalender oder eine Anleitung zum virtuellen Pendeln das Pausenmanagement.

Pausen zwischen virtuellen Meetings werden als wichtigste Empfehlung im Umgang mit Zoom-Fatigue angesehen, sie reduzieren Ermüdung und steigern die Leistung.

Expert:innen rechnen damit, dass technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz die Prävention weiter verbessern werden. Sie gestatten es, den Hintergrund der eigenen Kachel weichzuzeichnen oder geben den Menschen das Gefühl, durch eine optische Bildcollage gemeinsam in einem Raum zu sein. Auch VR-Brillen erlauben es, in der virtuellen Realität weniger zu ermüden. Wer auf High-Tech verzichten möchte, kann das eigene Video verbergen, in Arbeitsphasen einfach die Kamera ausmachen oder greift auf einen Audio-only-Call mit maximal zwei weiteren Kolleg:innen zurück.

Ziel: Organisationsweit eine gesunde virtuelle Meetingkultur

Auf der Ebene der Personalentwicklung können Unternehmen ein Lernangebot entwickeln, das es Mitarbeitenden erlaubt, sich der  Zoom-Fatigue bewusst zu werden und Kompetenzen für ermüdungsreduzierte virtuelle Meetings aufzubauen. Auch Führungskräfte sollten gezielt unterstützt werden, die Herausforderungen einer virtuellen, gesundheitsorientieren Führung und einer empowermentorientierten Führung erfolgreich zu begegnen.

Die Verantwortung dafür, eine virtuelle Meetingkultur mit möglichst geringer Zoom-Fatigue zu gestalten, liegt ausdrücklich beim Unternehmen.

Organisationen sollten eine gesunde virtuelle Meetingkultur entwickeln und das Phänomen Zoom-Fatigue in der strategischen Organisationentwicklung berücksichtigen und dafür strukturelle Maßnahmen unternehmensweit verankern, die Ermüdung verringern. Ein gut aufgestelltes, digitales betriebliches Gesundheitsmanagement unterstreicht die Bedeutung der Mitarbeitendengesundheit im Unternehmen.

Die Verantwortung dafür, eine virtuelle Meetingkultur mit möglichst geringer Zoom-Fatigue zu gestalten, liegt ausdrücklich beim Unternehmen – über Abteilungen hinweg. Das Thema betrifft aber alle: Neben Organisations- und Personalentwicklung das betriebliche Gesundheitsmanagement, die Führungskräfte und natürlich auch die Mitarbeitenden selber. Dies hat weitere positive Effekte: Die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden bleibt erhalten, die Arbeitgeberattraktivität kann gesteigert werden und das Unternehmen bleibt zukunftsfähig.

Referenzen

Fauville, G., Luo, M., Queiroz, A. C. M., Bailenson, J. N., & Hancock, J. (202). Nonverbal Mechanisms Predict Zoom Fatigue and Explain Why Women Experience Higher Levels than Men. http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3820035

Fox, K. (1997). Mirror, mirror. A summary of research findings on body image. Social Issues Reserach Center. Abgerufen am 24.01.2022, von http://www.sirc.org/publik/mirror.html

Lange, M. (2019). Digitalisierung und Mitarbeitergesundheit – Zukünftige Herausforderungen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in einer digitalisierten Arbeitswelt. B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 35(03), 144-148. https://doi.org/10.1055/a-0890-7279

Microsoft Human Factors Lab (2021, 20.04.2021). Research Proves your Brain needs Breaks. New options help you carve out downtime between meetings. Abgerufen am 20.09.2021 von https://www.microsoft.com/en-us/worklab/work- trend-index/brain-research

Rump, J., & Brandt, M. (2020). Zoom-Fatigue 2. Phase. Abgerufen am 04.06.2021, von https://www.ibe-ludwigshafen.de/wp-content/uploads/2021/01/IBE-Studie- Zoom-Fatigue-2-Phase.pdf

Schermuly, C., & Geissler, C. (2020). Ergebnisbericht des New Work-Barometer 2020 [Power Point]. https://www.srh-berlin.de/fileadmin/Hochschule_Berlin/Projekte/neuneuneu.pdf

Schermuly, C., & Geissler, C. (2021). Ergebnisbericht des New Work-Barometer 202 [Power Point]. https://www.srh-berlin.de/fileadmin/Hochschule_Berlin/B.A_allgemein/Ergebnisbericht_NWB_2021.pdf

Winkler, K., Heinz, T., & Wagner, B. (2020). Gut zu wissen: Herausforderung New Work – Wissen managen und Lernen fördern. In S. Wörwag & A. Cloots (Eds.), Zukunft der Arbeit - Perspektive Mensch (S. 217-228). Springer Gabler. https://doi.org/https://doi.org/10.1007/978-3-658-26796-4