Business Transformation

Wir brauchen kreative Führung, nicht Management

Kommentar Effizientes Management wird nicht reichen, um eine unsichere Zukunft zu gestalten. Wir brauchen Führung, die mit Unsicherheit umgehen kann und Kreativität und Neues fördert, mahnt Gastautor Guido Schmidt.

Foto: Free Creative Stuff, Pexels
Foto: Free Creative Stuff, Pexels

Was macht Unternehmen zukunftsfähig?

Die Pandemie hat uns allen ein wenig Ruhe beschert. Eigentlich die richtige Zeit, um einmal vertieft über die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen nachzudenken Wenn nicht jetzt, wann dann soll man ein Zukunftsbild für die Zeit nach der Pandemie entwerfen. Doch die Hoffnung, dass wir neue Zukunftsbilder malen und die Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen in eine gute Zukunft führen, ist nur gering. Hängen wir doch zu sehr in einer tiefen Management-Falle.

Hypertrophie des Management

Heute wird alles gemanagt. Nicht nur die großen Konzerne, sondern die Wirtschaft insgesamt, die Bildung, die Kunstbetriebe, sogar das Gesundheitswesen. Der Manager ist das Sinnbild für Erfolg. Management war und ist das unbestrittene Erfolgsprinzip der Gesellschaft und der Wirtschaft.

Heute wird alles gemanagt. Die Zukunft werden wir mit überalterten Rezepten des Managements nicht gestalten können. Wir müssen umschalten auf gute Führung.
Dr. Guido Schmidt

Es wird jedoch so sein, dass wir eine unsicherere Zukunft nicht mehr mit dem überalterten Rezepten des klassischen Management gestalten können. Ganz einfach gesagt: Management hat keinen kreativ gestalterischen Kern. Manager begeistern auch nicht, sondern verwalten mit vorgegebener Emotionslosigkeit. Es geht allein um Effizienz. Das Unbekannte, das wir erforschen und gestalten wollen, ist sicher nicht effizient, sondern herausfordernd. Deshalb müssen wir umschalten auf gute Führung.

Der Kern vom Management

Management ist eine Bewegung aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Der Erfinder des „Scientific-Management“, Frederick Winslow Taylor hatte die Aufgabe, eine industrielle Produktion aufzubauen. Dazu entwickelte er ein System, dass mit ungelernten und Arbeitern eine gleichbleibende Qualität auf geringstem Kostenniveau ermöglicht. Die Trennung von Planung durch die „White Collar“ und Ausführung durch die „Blue Collar“ war geboren. Das ist wohl auch der Grund warum wir noch heute Manager bewundern. Die haben es ja geschafft und müssen sich, anders als die Ausführenden, nicht mehr bei der Arbeit bücken. Heute reicht allein das Label Management, um den Stolz der Leute zu befriedigen.

Das Management-Prinzip wurde zur Methode erhoben und damit demokratisiert. Jeder, der die allgemein gültigen Bausteine einsetzt und sich an die strenge Logik hält, kann heute managen.
Dr. Guido Schmidt

Taylor hatte erkannt, dass man die Risiken und die Kosten am bestem im Griff hat, wenn die Arbeitspakete möglichst klein sind. Sein Ziel der Massenfertigung: Jegliche Unsicherheit weg planen, alles in einen starren unendlich wiederholbaren Fluss bringen. In der weiteren Folge ist aus diesen Überlegungen ein gut gefüllter Werkzeugkasten mit Strategien, Maßnahmen, Organisation, Koordination und Kontrolle zur Erreichung von Zielen entwickelt worden. Das Management-Prinzip wurde zur Methode erhoben und damit demokratisiert. Jeder, der die allgemein gültigen Bausteine einsetzt und sich an die strenge Logik hält, kann heute managen.

Das Mantra des Management ist die Effizienz. Die Grundlage des Management ist die strenge Rationalität. Im besten platonischen Sinne wird behauptet, dass Management frei von emotionaler Intelligenz allein durch die reine Vernunft die Zielerreichung sicherstellt. Die definierten Ziele werden praktisch zwangsläufig erreicht werden. Es ist ja alles so durchdacht. Die Management-Entscheidungen sind so rational, dass man nicht davor zurückschreckt, sie als alternativlos zu bezeichnen.

Bei der Führung ist das ganz anders. Das Ungewisse ist das Spielfeld der guten Führung.
Dr. Guido Schmidt

Management ist eine rein rationale und von Logik getriebene Anschauung der Dinge. Sachlich ist es ein methodisch-instrumenteller Ansatz. Das Untersuchungsfeld ist das Bestehende und die Tatwaffe die Analyse. Was nicht analysiert werden kann, das darf es auch nicht geben, oder kann zumindest als zu unbestimmt abgetan werden.

Die Elemente der Führung

Bei der Führung ist das ganz anders. Dort geht es genau um zwei Dinge. Einerseits muss ein vernünftiger Weg zur Gestaltung einer unsicheren Zukunft gefunden werden. Kreativität und Mut sind gefordert, weil man das Neue und das Zufällige nicht weg diskutiert. Das Ungewisse ist das Spielfeld der guten Führung. Die Führungskraft hat eine Gespür dafür, auf was es ankommt, lange bevor die Controller diese Erkenntnisse in unzählige Zahlenkolonnen gießen können. Die Führung lebt von großen Visionen, herausfordernde Missionen und unbändiger Tatkraft.

Führung erschöpft sich nicht darin, jeden Schritt analytisch belegen zu können. Man muss Menschen gewinnen, einen ebenso unsicheren wie spannenden Weg mitzugehen. Dazu braucht es Überzeugungskraft, und diese kommt einzig und alleine aus dem Pathos der Führungskraft.

Damit ist Führung genau das Gegenmodell zum möglichst emotionslosen Management. Manager glauben ernsthaft, dass die Sache an sich für Menschen eine hohe Attraktivität hat. Führungskräfte wissen, dass sie eine hohe Anziehungskraft für relevanten Themen durch ihre Persönlichkeit schaffen können und müssen.

Also weg mit den emotionslosen Managern, die über eine Effizienzorgie nicht hinauskommen. Hin zu Unternehmern, die gleichermaßen mit einem Gespür für die Situation und mit innovativem Denken das Minenfeld der unsicheren Zukunft überwinden. Leute, die die Herausforderung des Unbestimmten nicht fürchten, sondern lieben.

Gerade jetzt braucht es Führung

Die gewaltigen Eruptionen der Pandemie hatten zunächst einmal Organisationsthemen aufgeworfen. Im Frühjahr ging es um die Anmeldung von Kurzarbeit, die Ausstattung der Mitarbeiter, rechtliche Fragestellungen und die Ausnutzung der großzügigen Geschenke vom Staat. Die erste Phase des pandemischen Schocks brauchte gutes Management. Das Krisen-Management hat auf vielen, wenn auch nicht auf allen Feldern, gut funktioniert. Deutschland ist wieder, aber unter anderen Bedingungen, arbeitsfähig. Gott sei Dank.

Also noch einmal an alle der Aufruf: Weg vom Management des Alten, hin zur Führung in das Neue.
Dr. Guido Schmidt

Wir stehen nach der Pandemie vor gravierenden Umbrüchen. Einzelne Branchen werden auf geringem Niveau aus dem Lockdown zurückkehren. Ein damit verbundener „Zweitrundeneffekt“ wird die Geschäftspartner der angeschlagenen Unternehmen mit voller Wucht treffen. Dazu kommt eine ganze Reihe an Alt-Industrien, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Das sich unsere in die Jahre gekommene Industriegesellschaft strukturell verändern muss, wissen wir schon lange, und dennoch haben wir es versäumt, notwendige Veränderungen mit Kraft anzuschieben. Es war so bequem, das Bestehende einfach weiter zu managen. Unternehmenslenker und Berater versuchen sogar, uns die allgegenwärtige Effizienz als Geschäftssystem zu verkaufen.

Auch die Politik, die ein modernes Krisen-Management betreibt, hat die Vergangenheit fest im Blick. Viel Geld ist in Bereiche geflossen, die nie wieder gesunden werden, oder die wir perspektivisch auch gar nicht fördern wollen. Also noch einmal an alle der Aufruf: Weg vom Management des Alten, hin zur Führung in das Neue. Geben wir den Visionären hier bei uns eine echte Chance und hören wir auf, die Zukunft nur in anderen Erdteilen zu sehen.