Business Transformation Change Management

Was tun und lassen im Krisenfall?

Für Bodo Antonic ist die Krise so etwas wie sein Normalfall. Denn er ist Interim- und Turnaroundmanager. Worauf er in seinen Einsätzen achtet und was er tunlichst unterlässt, schildert er in diesem Beitrag.

Im Krisenmanagement gilt es typische Fehler zu vermeiden. Dann ist Zukunft möglich. Foto: Lukas von Pexels
Im Krisenmanagement gilt es typische Fehler zu vermeiden. Dann ist Zukunft möglich. Foto: Lukas von Pexels

Es ist wieder Krise. Diesmal ausgelöst von einem Virus mit dem Namen SARS-CoV-2, das sich weltweit rasant verbreitet. Die Bedrohung für Menschen, Firmen und die Wirtschaft ist groß und real. Dennoch gehören Krisen zum Leben dazu. Und zu meinem besonders.

Analysieren, planen und dann tun, tun, tun. Ohne zu tun, bessert sich die Lage nicht, ohne zu tun, verharren die Menschen in Starre und Angst.

Als Interim- und Turnaroundmanager komme ich fast immer dann zum Einsatz, wenn es brennt. Dann geht es immer darum, schnell die Lage zu erfassen, beherzt zu entscheiden, straff zu managen und in kurzer Zeit die Wende zum Besseren zu erreichen. Das hat mich gelehrt, worauf es in diesen Situationen ankommt, was sich bewährt und was man tunlichst unterlassen sollte. Hier mein persönlicher Leitfaden.

Vier fatale Fehler und die Lehren daraus

Es sind meiner Erfahrung nach vier Fehler, die unter Anspannung und großer Unsicherheit immer wieder gemacht werden. Auch ich bin davor nicht gefeit. Umso mehr reflektiere ich meine Emotionen und mein Verhalten genau auf diese fünf Aspekte hin.

Erstens Aktionismus: Wir neigen in der Krise dazu, Kontrollverlust und Ohnmacht mit Tun zu kompensieren. Man will ja helfen, man hat Ängste und will seine Energie loswerden.  Das erlebe ich immer wieder und gehe dagegen vor. Als Führungskraft muss man jetzt die Lage beruhigen. Das gelingt über entsprechende einfühlsame, aber auch klare Kommunikation („so ist die Lage“, „diese Fragen sind offen und wir werden sie klären“, „darum geht es im Großen und Ganzen, die Details sind noch unklar“).

Wir neigen in der Krise dazu, Kontrollverlust und Ohnmacht mit Tun zu kompensieren. Als Führungskraft muss man jetzt die Lage beruhigen.

Wichtig und bewährt ist aber auch, den Betätigungsdrang der Menschen zu befriedigen. Gute Führungskräfte achten jetzt besonders darauf, ob und wie business- und überlebensnotwendige Routinen erfüllt werden. Und sie geben gezielt Arbeitsaufträge, die im Hier und Jetzt Sinn ergeben und den Menschen von Anfang das Gefühl geben, sie können zur Krisenbewältigung beitragen (Rechercheaufträge, Beziehungspflege, etc.). Das verschafft Zeit, um den Plan zu finden, wie man aus der Krise herauskommt und dann durchstartet.

Zweitens „Kopf in den Sand“: Viele Menschen haben Angst vor Entscheidungen, in der Krise erst recht. Dagegen muss man angehen und förmlich die Menschen wieder in Bewegung versetzen. In anderen Krisen mache ich Meetings im Laufen. In dieser verordne ich, so abstrus das klingt,  Lockerungsübungen in der Webkonferenz. Das entspannt, sorgt für Heiterkeit, nimmt den Dingen die Schwere und macht den Kopf frei.  

Dennoch bleibt die Herausforderung, unter maximaler Unsicherheit Entscheidungen zu treffen. Das gelingt trotzt aller Lockerungsübungen nicht jedem. Zumal die Verantwortung riesig ist. Und genau dafür gibt es Chefs und Führungskräfte. So brutal auch das klingt: Es dient oft der Krisenbewältigung, Entscheidungen an sich zu reißen – und dadurch andere zu entlasten und auf Dinge zu fokussieren, in denen sie Gutes tun können. Daraus folgt fast zwangsläufig: Häufig ist es von Vorteil für alle, wenn Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess gar nicht einbezogen werden und nach der meist zu Recht geschmähten Methode „Command and Control“ freundlich, aber bestimmt zur Erledigung ihrer Aufgaben angehalten werden.

Führungsversagen rächt sich

Wichtig dabei: Zumutungen wie diese nehmen Menschen in der Krise dann gut und gerne an, wenn sie Vertrauen zu und in die Führungskraft haben. Fehlt dieses, rächt sich nun alles Führungsversagen vorheriger Zeiten oder ein entsprechendes Image umso mehr. Solche Führungskräfte kann man im Hintergrund managen, aber nicht mehr auf der Vorderbühne die Krise bewältigen lassen.

Häufig ist es von Vorteil für alle, wenn Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess gar nicht einbezogen werden und nach der meist zu Recht geschmähten Methode „Command and Control“ freundlich, aber bestimmt zur Erledigung ihrer Aufgaben angehalten werden.

Drittens „Sich verzetteln“:  In der Krise stellen sich so viele neue, ungewohnte Fragen, die einen zu überwältigen drohen. Diese muss man in der Tat alle aufnehmen, aber nicht alle beantworten. Schon gar nicht sofort. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist es zu priorisieren. Was ist gerade wichtig und was ist auf Dauer wichtig? Alles dazwischen kann man getrost herunterstufen.

Für die Nahbetrachtung stelle ich die einfache, aber eindringliche Frage: „Was sichert das Überleben?“ Für die Fernbetrachtung die Frage: „Was sichert die Zukunft?“. Für die Nahbetrachtung zählt die Sicherung von Liquidität, Schlüsselkunden, Schlüsselprozessen und die Produktivität von Schlüsselmitarbeitern. Für die Zukunft gilt es alle Voraussetzungen zu schaffen, aus der Krise gestärkt und mit neuen Erfahrungen und Ideen hervorzugehen. Das betrifft dann Fragen der Ressourcen, der Kultur und der materiellen und immateriellen Vermögenswerte im Unternehmen.

Viertens Inkonsequenz: Ja, Ziele formuliert man in unsicheren Zeiten nur auf Sicht. Und ja, man muss sie nachschärfen und beständig auf neue Informationen und Entwicklungen reagieren. Das entbindet einen aber nicht davon, auch umzusetzen. Analysieren, planen und dann tun, tun, tun. Ohne zu tun, bessert sich die Lage nicht, ohne zu tun verharren die Menschen in Starre und Angst, ohne zu tun werden Chancen verschenkt als erster und am schnellste aus der Krise herauszukommen.  Die Umsetzung gelingt umso besser, je klarer die große Linie ist und je flexibler man im Detail geplant hat.

In der Krise ist nach der Krise

Denn eines darf man nicht vergessen. Die Krise – und gerade diese Pandemie – trifft alle gleichermaßen. Wer hier am schnellsten und besten reagiert, bewältigt sie nicht nur am ehesten, sondern setzt sich auch vom Wettbewerb ab. Ob und wie das gelingt, liegt in den Händen guter Führungskräfte und engagierter Teams. Beide sehe ich in Krisen immer wieder über sich hinauswachsen. Tun sie alles, dass das auch in Ihrem Unternehmen passiert.