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Weniger Planung, mehr Resilienz

Kommentar Planung ist das probate Mittel, um ein Chaos zu verhindern und den Erfolg sicher zu stellen. Sie darf aber den Spielraum für die Akteure nicht zu stark eingrenzen. Übertriebene Feinplanung ist die eigentliche Ursache für eine fehlende Resilienz.

Foto: Jess Bailey on Unsplash
Foto: Jess Bailey on Unsplash

Das starre System des Management

Bei eigentlich jedem Projekt gibt es eine grobe Planung. Wann beginnt das Unterfangen, was sind die wichtigen Zwischenschritte und wann soll das Projekt abgeschlossen sein. Wenn viele Organisationseinheiten zusammen arbeiten, dann geht es schlichtweg nicht ohne Koordination. Durch eine gute Planung wird gewährleistet, dass das Endprodukt überhaupt in einem angemessenen zeitlichen Rahmen fertig wird.

Eine Heldenreise in die Zukunft
Was hindert uns auf dem Weg zur Exzellenz? Was fesselt uns an Paradigmen der Industriegesellschaft, die in einer komplexen und dynamischen Wissensökonomie nicht mehr passen? Und was lehrt uns ein Blick auf antike mythologische Helden? Diesen Fragen geht Dr. Guido Schmidt an dieser Stelle in Form eines Fortsetzungsromans nach.
Teil 11 Analyse versus Intuition

Das Ergebnis fast jeder Planung ist ein starres System. Die Zukunft wird vorausgedacht und lässt sich doch nicht bändigen. Die faktisch eintretenden Ereignisse greifen das unbewegliche System von allen Seiten an und können es ernsthaft gefährden. Daher ist die Forderung nach resilienten Organisationen sehr berechtigt. Immer genauere Planungen schränken die Resilienz immer mehr ein. Planung ist wichtig, muss aber auch in Grenzen gedacht werden.

Das Ergebnis fast jeder Planung ist ein starres System. Immer genauere Planungen schränken die Resilienz immer mehr ein.

Mit linearem Denken gegen die Welt

Die Gegenteil der Ordnung (im griechischen der Kosmos) ist das Chaos (die erste griechische Gottheit überhaupt). Im festen Glauben an die Koordinationsnotwendigkeit haben sich Heerscharen von Managern und Wissenschaftlern daran gemacht, die Fähigkeiten in diesem Bereich auszubauen. Die moderne IT erweitert ständig ihre Möglichkeiten und führt zu immer besseren Koordinationsmechanismen.

Die Planung des Managements geht dabei im Allgemeinen von linearen Modellen aus. Solche linearen Modelle reihen ganz einfach z.B. die simplen Schritte Einkauf, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Vertrieb aneinander. Es gibt also eine klare Abfolge, bei der die Schritte sachlogisch aufeinander aufbauen. In den 80er Jahren hat die Management-Welt geradezu euphorisch das Werk "Competitive Advantage" von Michael E. Porter gelesen, der diesen eigentlich banalen Ablauf sogar als Geschäftsmodell deklarierte und echte Wettbewerbsvorteile in der simplifizierten Linearität des Managements erkennen wollte.

Kontextual statt linear

Zahnräder sind eine der häufigsten Visualisierungen des Industriezeitalters. In einem guten System greifen die verschiedenen Organisationseinheiten und Aufgaben ineinander. Wenn es keine Störungen gibt, läuft die Maschine. Das alles hat lange Zeit ganz gut funktioniert, doch heute kommen zunehmend Zweifel auf, ob die linearen Systeme die zunehmende Komplexität noch abbilden können.

Die Systeme sind nicht besser, sondern erst einmal nur engmaschiger, geworden.

Das moderne Management hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiter entwickelt. Das heißt: Die Systeme sind immer engmaschiger geworden. Man plant nicht mehr grob, sondern fein. Die IT koordiniert immer mehr Schnittstellen bei immer höherer Taktung – die Zahnräder sind zahlreicher und kleiner geworden. Es wird mittlerweile im Stunden- und Minutentakt geplant, just-in-time gedacht. Maßnahmen, die das System absichern sollen, werden als Verschwendung angesehen.

Die Systeme sind nicht besser, sondern erst einmal nur engmaschiger, geworden. Lineare Planungen sind weiterhin verbreitet. Umweltfaktoren und Störungsgrößen finden zu wenig Berücksichtigung. Im Sinne der Resilienz in einer komplexen Welt gilt es heute, die industrielle Linearität hinter uns zu lassen. Planung muss die Unvorhersehbarkeit vieler Faktoren akzeptieren. Es geht um eine am Kontext ausgerichtete Planung. Unternehmen müssen ihre Innensicht um die Außensicht ergänzen.

Die übertriebene Vorausschau

Warum hält gerade jetzt, wo das Management methodisch-instrumentell ein hohes Niveau erreicht hat, das Schlagwort Resilienz Einzug in die wirtschaftliche Diskussion? Ganz offensichtlich, weil die durchgetakteten Systeme auf unerwartete Ereignisse nicht flexibel genug reagieren können. Es fehlt Spielraum, um überhaupt reagieren zu können.

Wir erleben gerade in den weltweiten Lieferketten, dass wir die Versorgung mit Vor- und Zwischenprodukten nicht mehr reibungslos sicherstellen können. Es gibt einfach zu viele Schnittstellen und zu viele Koordinationspunkte. Alles ist mit allem vernetzt und voneinander abhängig. Die Feingliedrigkeit der Systeme und die immer schnellere Taktung haben einen Kipppunkt überschritten. Deshalb muss Resilienz, die Funktionsfähigkeit des Ganzen, neben die Effizienz treten.

Planerische Anmaßung

Die Ursache fehlender Resilienz liegt an der fatalen Fehleischätzung, dass Planung das wahre Leben beherrschen könne. Multidimensionale Kontexte lassen sich nicht vorausdenken. Der Kontext hält sich nicht an die geplanten Abläufe. Die Welt ist nicht linear.

Das Management muss seine Urangst vor unvorhersehbaren Ereignissen überwinden. Dazu bedarf es eines Urvertrauens in die Fähigkeiten der Organisation.

Im Grunde formuliert das Management mit der Planung einen Herrschaftsanspruch. Die Planung setzt sich über alle unerkannten Umfeldeinflüsse und das Verhalten vieler anderer wirtschaftlicher Akteure einfach hinweg. Die eigene Planung und damit eine sich selbst genügende Systemschau soll die komplexe Welt der Zukunft hinreichend beschreiben. Das eigene Unternehmen wird zur dominanten Perspektive auf die Welt. 

Im Einklang mit der wahren Welt

Wer Resilienz erreichen will, darf nicht erschrecken, wenn etwas Ungeplantes passiert. Das Management muss seine Urangst vor unvorhersehbaren Ereignissen überwinden. Dazu bedarf es eines Urvertrauens in die Fähigkeiten der Organisation.