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Die neue Lust am Abenteuer

Kommentar Exzellente Unternehmen haben sich in schwierige Abenteuer gestürzt und waren am Ende erfolgreich. Wir sollten alle häufiger und positiv gestimmt in die weite Welt hinausgehen. Es mögen kleine Abenteuer sein, aber man steigert sich mit den Herausforderungen. Vielleicht muss die Führung dabei das Management an die Hand nehmen

Foto: Raimond Klavins on Unsplash
Foto: Raimond Klavins on Unsplash

Fehlen uns Helden?

Die Heldentaten der Ilias sind große und zeitlose Abenteuer. Trotz aller Unplanbarkeit und Gefahren sind die Helden los gezogen, um die Welt zu verändern. Aber, was ist es, was sie angetrieben hat? Warum haben wir das Gefühl, dass uns ein solcher Antrieb heute fehlt, oder zumindest viel zu selten ist. Es ist sicher eine Frage der intrinsischen Motivation, aber auch der Rahmenbedingungen.

Eine Heldenreise in die Zukunft
Was hindert uns auf dem Weg in die Wissensgesellschaft? Was fesselt uns an Paradigmen der Industriegesellschaft, die in einer komplexen und dynamischen Wissensökonomie nicht mehr passen? Und was lehrt uns ein Blick auf antike mythologische Helden? Diesen Fragen geht Dr. Guido Schmidt an dieser Stelle in Form eines Fortsetzungsromans nach.
Teil 3: Die Risikoscheu des Managements

Der Hedonismus als persönlicher Antrieb

Aristippos hat uns gelehrt, dass nur zwei Dinge den Menschen wirklich antreiben. Das Vermeiden von Angst und der Lustgewinn. Wie wenig die Angst als Antrieb funktioniert, sehen wir immer dort, wo es zu Stillstand kommt. Lust nun aber hat in der rationalen Welt des Managements eigentlich auch keinen Platz. Es erscheint dem Management besser, den Aufbruch in ein Abenteuer als Pflicht und nicht als Spaß anzusehen. Aber die Lust hat eine starke Wirkung, vielleicht sogar eine starke Faszination und natürlich eine Aura des Verbotenen und des Anrüchigen.

Es erscheint dem Management besser, den Aufbruch in ein Abenteuer als Pflicht und nicht als Spaß anzusehen.

Was heute zur Motivation geschrieben wird, greift immer noch auf die uralte Erkenntnis des Aristippos zurück. Wir müssen uns wohl mit der Frage beschäftigen, welchen Einfluss, neben dem inneren Antrieb, das gesamte Umfeld spielt.

Ein ehrenwerter Beruf: Abenteurer

Telemachos, der Sohn des Odysseus ist aufgeregt. Eine unbekanntes Schiff hat im Hafen angelegt. Viele Neugierige eilen herbei, um das große und stolze Schiff zu bewundern. Am Hafen eingetroffen, werden schon die ersten Waren von Bord geladen. Es riecht aufregend nach Kräutern. Düfte, die Telemachos nicht kennt. Besonders feine Stoffe sind vorsichtig zu einem Ballen zusammengeschnürt. Wie bunt die feinen Stoffe sind. Nicht nur einfache wollweiße und graue Ware wie er sie selber immer trägt. Da zeigt sich der Eigner des Schiffes. Ein stolzer Mann in einer leichten, aber sehr dekorativen Rüstung. In das harte Kernleder sind kunstvolle Verzierungen geschnitzt und einige bronzene Metallstücke blitzen in der Mittagssonne.

Je länger jemand als Manager in einer großen Organisation unterwegs ist, umso größer wird der Pflichtanteil und umso geringer wird die Lust.

Telemachos spricht den Mann an. „Wo kommst Du her?“ Der Mann antwortet: „Wir sind durch das ganze schwarze Meer gesegelt, bis dorthin, wo der Kaukasus das Meer berührt.“ „War es eine schwierige Fahrt“, fragt Telemachos. „Das kann man wohl sagen mein Junge. Das Meer war diesmal besonders unruhig und ein paar mal drohten wir mit der schweren Ladung zu kentern. Vor Troja waren einige Piraten, die uns um Hab und Gut berauben wollten und auf dem Weg um die Peleponnes ist uns fast das Wasser und das Essen ausgegangen.“ Antwortet der Kapitän. „Hattest Du Angst?“ Fragte Telemachos nach. „Natürlich“ war die knappe Antwort. „Aber warum bist du bei all den Gefahren Seefahrer geworden ?“ wollte Telemachos wissen. „Weil ich Lust dazu hatte“ antwortete der Mann. „Wie kann man Lust daran finden, sich der Gefahr und der Angst auszusetzen“ hakte Telemachos nach. „Weil es nichts schöneres gibt, als ferne Länder zu bereisen, die Grenzen der Heimat zu überwinden und neue Welten kennen zu lernen. Schau dir die schönen Waren aus dem entfernten Osten an, die ich mitgebracht habe. Und Du solltest die Leute am anderen Ende der Welt sehen. Einige haben Haare so schwarz wie die Nacht, andere haben eine so dunkle Hautfarbe, dass man Sie in der Nacht gar nicht sehen kann. Und alle sprechen eine eigene Sprache. Es ist einfach wunderbar aufregend“. Telemachos hatte genug gesehen und erfahren. Er rannte den ganzen Weg hinauf zur Burg des Vaters. Mit wenig Atem und pochendem Herz traf er auf Mentor, seinen Lehrer. „Mentor, ich weiß jetzt, was ich einmal werden will. Ich habe Lust, Seefahrer und Abenteurer zu werden“, keuchte er.

Das Leiden im Alter: Mehr Pflicht als Lust

Es muss nicht der alleinige Vorzug der Jugend sein, dass wir Lust haben, das Neue zu entdecken und das Unbekannte wertzuschätzen. Allerdings können wir durchaus festhalten, dass die gesetzten Manager wenig Lust ausstrahlen. Der Aufbruch in neue Welten erfolgt, wenn überhaupt, verzögert und meistens widerwillig. Je länger jemand als Manager in einer großen Organisation unterwegs ist, umso größer wird der Pflichtanteil und umso geringer wird die Lust. Das ist der eigentliche Grund, warum es gerade jetzt so viele Initiativen für eine neue und aufstrebende Unternehmenskultur gibt und warum die Talentakquisition zunehmend schwieriger wird.

Heute haben die Optimierer mit ihrem Blick auf die Effizienz die allgemeine Deutungshoheit. Aber ist nicht gerade jetzt die Zeit, um dem Neuen mehr Glanz zu verleihen?

Aber es muss nicht so sein. Im Grunde geht es um die gemeinschaftliche Einschätzung, ob die operative Exzellenz des Bestehenden oder die Exzellenz im Sinne von wirklich Neuem wertgeschätzt wird. Heute haben die Optimierer mit ihrem Blick auf die Effizienz die allgemeine Deutungshoheit. Aber ist nicht gerade jetzt die Zeit, um dem Neuen mehr Glanz zu verleihen? Warum soll sich die Gesellschaft nicht darauf einigen, dass Fortschritt und Innovation als hehrere Ziele anzusehen sind. Man kann z.B. die VUCA-Welt einfach umdeuten. Es ist nur ein Vorschlag, aber warum sollen wir nicht aus VUCA-Lust machen.

Die neue Zukunftsformel - LUST

LUST ist ein neues Akronym für den positiven Blick in die Zukunft. Es setzt weniger beim Umfeld an, als bei den Menschen, die sich in dieser Umwelt zurechtfinden wollen. Nein mehr noch, die als Treiber die Zukunft aktiv gestalten wollen. Lust ist das Motto der neuen Helden. Es löst das pessimistische Bild des von Unwägbarkeiten gebeutelten Management ab und beschreibt die wichtigsten Attribute einer neuen Führung.

Lust heißt :

  • L = listig
  • U = unbekümmert
  • S = selbstbewusst
  • T = tatkräftig

Heute gibt es die einfache Gleichsetzung von der Welt der Wirtschaft mit der Welt der Zahlen. Die Entscheidungen sollen möglichst mathematisch basiert und natürlich logisch sein. Die nicht weiter hinterfragte Behauptung des klassischen Managements ist, dass sich aus den Zahlenwerken auch die Lösung ergibt. Das tut sie aber nicht. Die Idee mit dem Pferd vor Troja ist listig und kreativ, aber nicht analytisch und logisch. Sie ist einfach Exzellent. Viel zu häufig haben wir uns von den Analysten erzählen lassen, dass bestimmte Entscheidungen alternativlos sind. Das stimmt auch nicht, denn es gibt immer viele Wege und wer, so wie Odysseus, listig ist, sieht auch viele Alternativen. Der blasse Analytiker, der endlos auf die Tatsachen schaut und dem einfach nichts einfallen will, der nimmt gerne die erst beste Idee dankend an. Weil er nicht listig ist und weil er nach der ersten Idee gar nicht weiter sucht, sieht er auch keine Alternativen. Der Listige aber, wird immer eine oder gar mehrere Lösungen finden. Die List ist das genaue Gegenteil der in Wirtschaft und Management unumstößlichen Analyse und wird daher nicht gefördert. Schade eigentlich, denn die Cleveren sind häufig viel erfolgreicher als die Manager mit ihrer Logik.

Die nicht weiter hinterfragte Behauptung des klassischen Managements ist, dass sich aus den Zahlenwerken auch die Lösung ergibt. Das tut sie aber nicht.

Es wirkt auf den ersten Blick nicht professionell, wenn man sich einer Gefahr unbekümmert aussetzt. Im Management ist es doch ein unumstrittener Grundsatz, Risiken abzuwägen und sachlogische Entscheidungen zu treffen. Unbekümmertheit wird daher gerne mit Unbedacht gleichgesetzt. Das ist aber nicht richtig.

Die deutsche Sprache hat nicht umsonst diese zwei Wörter hervorgebracht. Die unterschiedlichen Wörter stehen eben auch für zwei unterschiedliche Begriffe. Unbedacht bedeutet, nicht alles zu durchdenken. Daraus wird dann gerne der Vorwurf abgeleitet, sich für einen neuen Weg nicht richtig vorzubereiten. Wenn man allerdings, wie im Management üblich, nur die Gefahren in die Betrachtung einbezieht, dann hallt dieser Vorwurf wie ein Echo zurück. Das Management vergisst regelmäßig die Chancen genauso akribisch herauszuarbeiten, wie die Risiken. Unbekümmert heißt eben nicht unbedacht, sondern macht deutlich, dass man das Unbekannte auf sich nimmt und fest davon überzeugt ist, die vorher nicht erkennbaren Gefahren meistern zu können.

Die wirklich selbstbewussten Menschen wissen um den Wortteil "Bewusstsein". Selbstbewusst ist nur, wer sich sowohl seiner Stärken als auch seiner Schwächen bewusst ist.

Selbstbewusstsein ist ein durch und durch positives Attribut. Natürlich kann man die Zukunft nicht in die Hand nehmen, wenn es an Selbstbewusstsein fehlt. Man muss doch von den Erfolgschancen überzeugt sein, wenn man sich auf den Weg macht. Die wirklich selbstbewussten Menschen wissen aber auch um den Wortteil Bewusstsein. Selbstbewusst ist nur, wer sich sowohl seiner Stärken als auch seiner Schwächen bewusst ist. Menschen, die die eigenen Grenzen nicht erkennen, oder anerkennen wollen werden scheitern. Dann kann das Selbstbewusstsein gefährlich werden.

Die Diskussion ist nicht nur die Grundlage des Handelns, sondern auch ihr Gegenteil. Wir alle kennen Situationen, wo man stundenlang darüber streitet, wie die Lage einzuschätzen ist. Ist die Gefahr real, sind die Chancen wirklich vorhanden? Aus dieser Bewertung entspinnt sich dann der zweite Diskussionsgegenstand: Ist die Zeit zum Handeln schon gekommen? Doch auch die Beantwortung der zweiten Frage ist noch nicht der Endpunkt. Man muss noch über die Handlungsoptionen sprechen.

Nicht jedes Mittel zeigt die gleiche Wirkung. Das erfordert eine genaue Abwägung der Alternativen. Die Tatkraft dagegen verkürzt den Zeitraum solcher Debatten. Sie kann mit gewissen Unsicherheiten leben und nimmt sie als unausweichliches Element einer noch nicht eingetretenen Zukunft an. Sie basiert auf der Bereitschaft, kalkulierbare Risiken einzugehen und auf den vorher genannten Eigenschaften der Unbekümmertheit und des Selbstbewusstseins. In einem der meistzitierten Wirtschaftsbücher des letzten Jahrhunderts „In Search of Excellence“ wird die Tatkraft als „Bias to Action“ bezeichnet und ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren von Unternehmen.

Die Zeit des Optimismus ist gekommen

Es ist also an der Zeit, der Lust einen neuen Stellenwert in der Wirtschaft einzuräumen. Wir haben ja erkannt, dass der andere Arm des Hedonismus, die Angst, eine gelungene Transformation nicht antreiben wird. Und warum soll Management eigentlich nur eine Pflicht sein und darf keinen Spaß machen?

Wir treten heute mit vereinten Kräften, mit Lust und Überzeugung dafür ein, dass wir VUCA jetzt, sofort und nachhaltig durch die neue LUST ersetzen.

LUST ist ein Anspruch an die handelenden Personen und das Agieren der gesamten Organisation. Warum sollte auch bei der Arbeit, in diesem besonders wichtigen Bereich des gesellschaftlichen und persönlichen Lebens, der täglich viele Stunden einnimmt, die Lust verbannt werden. Wir treten heute mit vereinten Kräften, mit Lust und Überzeugung dafür ein, dass wir VUCA jetzt, sofort und nachhaltig durch die neue LUST ersetzen. Es geht um eine neue Zeit in der einfach umgeschaltet wird von Pessimismus auf Optimismus. Vielleicht kann auch das Management von reiner Pflichterfüllung auf eine lustvolle Gestaltung der Zukunft umschalten. Es wäre den Versuch auf jeden Fall wert.