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Mit Zuversicht gegen die Hoffnung

Kommentar Hoffnung ist das Wort der Stunde. Doch Hoffnung macht passiv und untätig. Was jetzt nottut, sei Zuversicht, meint Guido Schmidt. Denn sie motiviere zum Handeln.

Foto: Joshua Hoehne, Unsplash
Foto: Joshua Hoehne, Unsplash

Hoffnung lähmt

Die täglichen Nachrichten machen wirklich keinen Spaß. Es gibt eigentlich kein anderes Thema mehr als die Pandemie und die mit ihr verordneten Einschränkungen. Wir werden rund um die Uhr in Alarm versetzt und sollen geduldig auf das Ende des Schreckens warten. Das Lieblingswort der Politiker, Wissenschaftlicher, Wirtschaftsbosse und einfachen Bürger ist die Hoffnung. Wir sollen die Dramatik anerkennen, die Anstrengungen würdigen und vor allen Dingen die Hoffnung nicht aufgeben, dass alles wieder besser oder gar gut wird.

Genau diese Erwartung ist es aber, die die Gesellschaft, den Staat, die Wirtschaft und jeden einzelnen Mitbürger geradezu lähmt und alle guten Lösungen des Problems effektiv verhindert. Die Hoffnung ist das Beruhigungsmittel für alle, die auf eine Impfung warten. Die Reflexe des gesellschaftlichen wie ökonomischen Krisenmanagements sind jedoch wie Wirtstiere, die die Krise nur verstärken.

Die Büchse der Pandora war voller Hoffnung

Der Mythos von der Büchse der Pandora ist weitgehend bekannt und zu einer häufig verwendeten Redewendung geworden. Auf Geheiß des Zeus wird Pandora aus Lehm geschaffen. Nach ihrer Heirat öffnet sie die Büchse, in der alles Böse ist – und die Hoffnung. So kam das Schlechte in die Welt und seit jeher wird die Hoffnung als Gegenpol von Tod, Krankheit, Hunger und Elend und natürlich auch Covid-19 verstanden.

Mit Friedrich Nietzsche hat diese über hunderte von Jahren überlieferte Deutung eine ganz neue Perspektive gewonnen. Er behauptet, dass die Hoffnung das schlimmste aller Übel sei: „Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“ Das schrieb er in "Menschliches, Allzumenschliches".

Das passive Element der Hoffnung erleben wir in der Wirtschaft jeden Tag. Viel zu selten wird die Frage gestellt, welche grundlegenden Änderungen jetzt sofort angegangen werden sollten, um nicht nur die Pandemie zu überleben, sondern neue und große Erfolge zu feiern.

Dieser Gedanke ist zumindest eine Überlegung wert. Gibt es doch Allegorien der Hoffnung, wie die betenden Hände von Dürer, die Gottesglaube an die Stelle von engagiertem Handeln setzen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Hoffnung eine passive Komponente hat, die zum Ertragen der üblen Situation auffordert. Also erst einmal abwarten, oder nicht?

Die Hoffnung der Wirtschaft

Das passive Element der Hoffnung erleben wir in der Wirtschaft jeden Tag. Viel zu selten wird die Frage gestellt, welche grundlegenden Änderungen jetzt sofort angegangen werden sollten, um nicht nur die Pandemie zu überleben, sondern neue und große Erfolge zu feiern. Viel zu häufig hört man als Antwort auf die Frage nach der Zukunft: „Lassen Sie uns erst einmal schauen, was passiert.“ Das typische Krisenmanagement ist abwartend und reaktiv. In praktisch jeder Sitzung in den letzten Monaten wurde eine aktive Auseinandersetzung mit einem größeren Wandel aufgeschoben. Aus einer angekündigten großen Transformation der Wirtschaft sind Homeoffice, Fernunterricht und Laptopausstattung geworden. Den meisten Managern reicht wohl die Hoffnung auf ein New Normal. Und natürlich man hat die Hoffnung, das es nicht mehr lange dauern kann, bis man das rettende Ufer einer neuen Normalität erreicht hat.

Die neuen Erfolge liegen nicht auf der Strecke bis zur nächsten rettenden Insel. Man kann und muss Zukunft und Erfolg längerfristig betrachten.

Ja, es macht im Krisenmodus einen Unterschied, ob ein Lockdown verlängert wird. Ja, es ist natürlich nicht dasselbe, ob Insolvenzantragspflichten ab morgen oder übermorgen wieder aufleben. Die Zukunft sollte man aber nicht als einen Tag X nach den politischen Einschränkungen definieren. Die Zukunft ist nicht die Wartezeit bis zum nächsten schrecklichen Ereignis. Die neuen Erfolge liegen nicht auf der Strecke bis zur nächsten rettenden Insel. Man kann und muss Zukunft und Erfolg längerfristig betrachten.

Wenn man erst einmal sensibilisiert ist, dann fällt auf einmal der inflationäre Gebrauch der Hoffnung auf. Wir hoffen auf Impfstoff, auf einen Rückgang der Inzidenzwerte, auf die Akzeptanz der Einschränkungen, oder eben ganz allgemein auf ein schnelles Ende der Pandemie. In der Wirtschaft hoffen die einen auf eine schnelle Erholung und die anderen propagieren eine längere Durststrecke. Allen gemeinsam ist die Hoffnung, dass es wieder bergauf gehen werde.

Führung und Zuversicht

Es mag haarspalterisch erscheinen, aber ein Wort wie Zuversicht hat eine ganz andere Bedeutung. Die Zuversicht hat eine positive Konnotation und ist weit weg von gefalteten Händen, die gegen Himmel gerichtet sind. Aber wie kann man Zuversicht gewinnen? Die Antwort ist ganz einfach: Durch Handeln!

Gute Führung hat einen weiten Horizont. Gute Führungskräfte erkennen den silbernen Streif am Horizont und nicht nur das Licht am Ende des Tunnels.

Fangen Sie mit kleinen Schritten an. Erkennen Sie für sich selber, wenn Sie wichtige Themen bis zu einem nächsten Ereignis aufschieben. Machen Sie sich bewusst, wie stark Reaktion den Tagesablauf bestimmt und wie wenig Gestaltung in Ihrem beruflichen Leben wirklich vorhanden ist. Stellen Sie sich die Frage, ob die Fundamente des Geschäftes vor der Krise auch die Garanten für Erfolge in der Zukunft sein werden. Anders ausgedrückt: Erweitern Sie ihren Horizont!

Nicht nur auf politischer Ebene dominieren Maßnahmen, die unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft nicht fördern. Auch in der Wirtschaft und in den Unternehmen fehlt es an langfristiger Gestaltung.

Gute Führung hat einen weiten Horizont. Gute Führungskräfte erkennen den silbernen Streif am Horizont und nicht nur das Licht am Ende des Tunnels. Es geht darum, Neuland zu betreten und Altes hinter sich zu lassen. So muss man den Antrieb der großen Entdecker verstehen, die noch heute unser Weltbild prägen. Tatsächlich sind auch die Ikonen der Wirtschaft diejenigen, die neue Welten erkunden und gestalten.

Nicht nur auf politischer Ebene dominieren Maßnahmen, die unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft nicht fördern. Auch in der Wirtschaft und in den Unternehmen fehlt es an langfristiger Gestaltung. Stellen Sie (sich) daher regelmäßig die Frage, ob Ihre Beschlüsse und Maßnahmen über die Pandemie hinaus reichen.

Das Momentum nutzen

Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um an neuen Ideen und neuen Geschäftssystemen für die Unternehmen zu arbeiten. Die Terminkalender sind nicht mehr durch lange Reisen und ausschweifende Meetings blockiert. Und gerade jetzt stellt sich sowieso jeder die Frage, was nach Corona passiert. Die Diskussion ist eröffnet, nur die Antworten fehlen noch. Das ist Arbeit, harte Arbeit. Doch sie muss getan werden, gerade jetzt. Der Lohn für all die Mühen ist die Zuversicht, dass Sie nicht nur „da raus kommen“, sondern auch etwas Tolles schaffen.

Oder hat der Volksmund doch recht, dass die Hoffnung zuletzt stirbt?