New Management Talks

„Nach der Krise ist nicht vor der Krise“

Wir erleben im Moment einen brutalen Abriss all dessen, was bis vor wenigen Wochen selbstverständlich schien. Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich im Krisenmodus. Doch genau jetzt wird Zukunft gestaltet, meint Christof Horn. Corona sei ein entscheidender Tipping Point.

Die Zukunft entscheidet sich genau jetzt

„Jetzt ist genau der richtige Moment, nach vorne zu gehen“. Das ist die zentrale Botschaft von Christof Horn, CEO Automotive & Aviation der umlaut AG, in der ersten Folge der New Management Talks. „Denn in diesem Moment bereiten wir die Zukunft nach der Corona-Krise vor.“ Horn, Experte für die Auto- und die Luftfahrtindustrie gibt zu, dass gerade diese Branchen „ganz schon etwas abgekriegt“ haben. Denn Mobilität spiele in Zeiten von Betretungsverboten und Ausgangsbeschränkungen keine Rolle. Allerdings habe sich die Autoindustrie schon vor Corona in der Krise befunden, der Dieselskandal und vor allem die Herausforderung E-Mobilität hätten die Branche schwer getroffen. Covid-19 verstärke diese Entwicklungen enorm.

Auf einmal gehen Dinge, die bis gestern undenkbar oder zumindest nicht gewollt waren. Weil sich die Bedürfnisse radikal verändert haben.
Christof Horn, CEO umlaut AG

Es fänden gerade grundlegende Veränderungen statt. „Wenn wir uns zum Beispiel die Schulen anschauen: Da herrschte jahrelang eine enorme Skepsis gegenüber der Digitalisierung. So richtig wollte sich niemand mit dem Thema beschäftigen“, sagt Horn. „Aber Skepsis ist eine Haltung, die man sich leisten kann, wenn alles okay ist und gut läuft. Wenn einem der Boden unter den Füßen wegbricht, kommen ganz andere Bedürfnisse zum Tragen.“ Jetzt gehe es um Verfügbarkeit. Wenn alle zuhause sitzen, sei das Wichtigste, dass die Menschen miteinander kommunizieren können. „Und auf einmal gehen Dinge, die bis gestern undenkbar oder zumindest nicht gewollt waren, wie Homeoffice oder Unterricht über Video-Chat und Collaboration Tools.“ Die Krise verschiebe das Bewertungssystem, auf einmal seien Sicherheitsvorbehalte und andere Bedenken zweitrangig.

New Management Talks #2
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Corona als Tipping Point

„Wir stehen an einem Tipping Point, das Bedürfnis nach Erreichbarkeit wird elementar. Dahinter werden wir auch nach dem Ende der Krise nicht mehr zurückgehen“, ist Horn überzeugt. „Im Moment tut sich eine Tür auf für die Digitalisierung, die nun auch in Deutschland positiver gesehen wird als noch vor kurzem.“ Das zeige sich daran, dass nun auch Unternehmen, die mobile Arbeit und Homeoffice immer angelehnt hätten, alles tun, um das doch möglich zu machen. „Wie nachhaltig diese Veränderungen in der Haltung sind, können wir noch nicht sagen. Aber so viel ist für mich klar: Nach der Krise ist nicht vor der Krise. Wir erleben tatsächlich einen Sprung.“

Ausrichtung und Ziel

Generell seien Krisenzeiten Zeiten der Führung. „In der Krise greifen Reflexe, die Menschen besinnen sich auf alte, gewohnte Muster, die in der Vergangenheit funktioniert haben.“ Deswegen träten viele jetzt radikal auf die Kostenbremse und strichen alle Ausgaben, die für das unmittelbare Überleben nicht notwendig scheinen. „Aber diese gewohnten Muster führen jetzt nicht mehr nach vorne. Weil die aktuelle Krise wirklich disruptiv ist, die Strukturen verändert.“  Das gelte auch für die Art, wie Menschen in Unternehmen und über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Agile Unternehmen seien im Umgang mit dieser Disruption im Vorteil. Weil sie schneller auf die Veränderungen reagieren könnten. Aber eines dürfe man nicht vergessen: „Agil heißt weder hierarchiefrei noch führungslos. Im Gegenteil. Agile Strukturen und Arbeitsweisen haben eine zwingende Voraussetzung: Ausrichtung.“ Das Ziel muss klar sein, um dann mit agilen Methoden den besten Weg dorthin zu finden. Ohne dieses Ziel, ohne diese Ausrichtung, drehten agile Teams sich nur im Kreis. „Es braucht eine zentrale Instanz, die den Rahmen vorgibt. Ganz besonders in der Krise. Die Abarbeitung der Aufgaben erfolgt dann autonom“, so Horn.

Agil heißt weder hierarchiefrei noch führungslos. Im Gegenteil. Agile Strukturen und Arbeitsweisen haben eine zwingende Voraussetzung: Ausrichtung.
Christof Horn, CEO umlaut AG

In der Krise zeige sich deutlich, dass die meisten Unternehmen in den letzten Jahren schlicht keine Strategie hatten. In Zeiten des Wachstum schien sie vielen nicht notwendig. „Es lief ja alles immer besser in die gewünschte Richtung.“ Aber in höchst volatilen und unplanbaren Zeiten, werde die Strategie wichtig. Denn ohne Strategie fehle die Ausrichtung. „Strategie bedeutet aber nicht nur, das Wohin zu bestimmen. Genauso wichtig, eigentlich noch wichtiger, ist es, den eigenen Standort zu bestimmen.“ Wo stehe ich gerade? Wie bewerte ich die Situation? Erst, wenn das klar sei, könne man am Zielbild arbeiten – und den Zeitpunkt bestimmen, an dem man umschwenkt.