Innovation Business Transformation

Das Scheitern staatlicher Projekte und die Notwendigkeit von offenen Innovationen

Kommentar Wer darauf hofft, dass staatliche Milliarden Innovationen fördern, irrt. Das zeigt die Geschichte. Vulgärkapitalisten sollten es aber auch nicht richten. Was wir brauchen, ist ein Aufbrechen der Datensilos für wahrhaft breite Innovation, meint Gunnar Sohn.

Foto: Osman Rana, Unsplash.com
Foto: Osman Rana, Unsplash.com

Kann der Staat Innovation?

Wie kann der Staat zu Innovationen beitragen und was hat Schumpeter damit zu tun? Für die mit Künstlicher Intelligenz vollgepumpte Plaudermaschine ChatGPT ist die Sache klar: „Schumpeters Innovationstheorie geht davon aus, dass Innovationen immer von Unternehmern getrieben werden und nicht durch staatliche Planung oder Regulierung erfolgen. Der Staat spielt demnach keine aktive Rolle bei der Förderung von Innovationen. Stattdessen sieht Schumpeter die Hauptaufgabe des Staates darin, einen Rahmen zu schaffen, in dem Unternehmen ungehindert neue Ideen entwickeln und umsetzen können. Dazu gehört beispielsweise die Schaffung von günstigen Rechts- und Marktbedingungen, die es Unternehmern ermöglichen, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Insgesamt betrachtet Schumpeter den Staat also eher als passiven Teilnehmer im Innovationsprozess.“

Mir fällt nicht viel ein, was von der öffentlichen Hand in den vergangenen Jahrzehnten an Impulsen für Innovationen ausgegangen ist.

Das ist ein herber Schlag für alle Protagonisten, die so viel Hoffnungen auf staatliche Ausgabenprogramme setzen. Aber mir fällt in der Tat auch nicht viel ein, was nun von der öffentlichen Hand in den vergangenen Jahrzehnten an Impulsen für Innovationen ausgegangen ist. Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen? Ein Trauerspiel für das mobile Internet. Da musste erst Steve Jobs mit dem iPhone um die Ecke kommen, um den TK-Konzernen und den staatlichen Akteuren zu zeigen, wie man es richtig macht. Bei den Subventionen flossen in Deutschland in der Regel Milliardenbeträge in todgeweihte Branchen wie den Steinkohlebergbau. Die Förderung von Siemens und AEG zur Brechung der Vormachtstellung von IBM bei Großrechnern war ein klägliches Unterfangen. Die Dominanz der USA im Digitalen konnte der Griff in die Staatskasse nicht brechen.

#ChiracDesTages wird uns nicht retten

Der frühere französische Staatspräsident Jacques Chirac startete 2006 das Projekt Quaero mit großem Getöse, um die erste „wahre multimediale Suchmaschine“ in Europa auf die Beine zu stellen als Antwort auf Google. Das war natürlich Mumpitz und für mich eine schöne Gelegenheit auf ichsagmal.com regelmäßig den #ChiracDesTages auszurufen für gescheiterte staatliche Initiativen beim Erklimmen digitaler Gipfel.

Man braucht halt charismatische, ein wenig verrückte und zugleich hochkompetente Persönlichkeiten, die Neues durchsetzen, intelligenter organisieren und sich vom Routinebetrieb abgrenzen. Der einzige Beamte, der das geschafft hat, ist der Generalpostmeister Heinrich von Stephan, der Ende des 19. Jahrhunderts unter Reichskanzler Otto von Bismarck aus Berlin ein Silicon Valley der Telekommunikation machte. Er erfand die Postkarte, gründete die Reichsdruckerei, das Postmuseum (heute: Museum für Kommunikation) sowie den Allgemeinen Postverein (1878 Weltpostverein) und forcierte erst in Deutschland, dann in der ganzen Welt den Aufbau der modernen Telegraphie.

Man braucht halt charismatische, ein wenig verrückte und zugleich hochkompetente Persönlichkeiten, die Neues durchsetzen, intelligenter organisieren und sich vom Routinebetrieb abgrenzen. Der einzige Beamte, der das geschafft hat, ist der Generalpostmeister Heinrich von Stephan im 19. Jahrhundert gewesen.

Stephan erkannte als einer der Ersten die politische und wirtschaftliche Relevanz des Telefons als Medium der Echtzeit-Kommunikation. Das erste Telefonverzeichnis ist in der Öffentlichkeit noch als „Buch der Narren“ Anfang der 1880er Jahre verspottet worden. Sieben Jahre später gab es in Berlin mehr Telefonanschlüsse als in jeder Stadt in den USA. In diesem Sog entfalteten sich Unternehmen wie die Telegraphenbauanstalt R. Stock (später DeTeWe), AEG und viele andere. Der Einzige, der das Zeug dazu hat, in die Fußstapfen des Generalpostmeisters zu treten, ist Rafael Laguna de la Vera, der Gründungsdirektor der Bundesagentur für Sprunginnovationen.

Ob es um langfristige Energiespeicherung, neue Computing-Konzepte, Immuntherapien oder Kernfusion geht: der Agenturchef setzt auf den Geist der offenen Innovationen. Er verbindet das Ganze mit den Prinzipien der Zusammenarbeit von Open-Source-Software-Projekten mit der Bereitschaft, Informationen in viel höherem Maße zugänglich zu machen, als dies heute üblich ist. Das hat Rafael Laguna de la Vera bei der #BonnSchumpeterLecture der Next Economy Open verraten.

Also keine Patent-Abwehrschlachten zur Verhinderung von Innovationen, sondern ein Aufbrechen von Datensilos, die nur das Erwirtschaften von Monopolrenditen ermöglichen auf Kosten des Fortschritts. So zeigt man Vulgärkapitalisten wie Peter Thiel und Konsorten, dass Daten den Charakter eines öffentlichen Gutes haben und zugleich gut für den Ideenwettbewerb sind.