Innovation Digitalisierung

Es braucht (noch) keine virtuelle Realität

Kommentar Die Welt der Informationstechnologie wandelt sich seit Jahren immer schneller und schneller. Wie stellen sich IT-Verantwortliche von heute dieser Wandlungsgeschwindigkeit, den Anforderungen der neuen Arbeitswelt und behalten ihren IT-Zoo aufgeräumt? Andreas Plaul berichtet aus seinem Alltag als CIO. Diesmal: „Virtuelle Realitäten“

Foto: Francesco Ungaro, pexels.com
Foto: Francesco Ungaro, pexels.com

Virtuelle Realität und Immersion

Virtuelle Realitäten (VR) haben einen besonderen Reiz. Spätestens seit dem Holodeck in Star Trek träumen Trekkies und Techies von computergenerierten Realitäten. Mit ihnen ergeben sich Möglichkeiten, historische oder fiktive Abläufe zu erstellen und so das Fantastische erlebbar zu machen.

Das Eintauchen in eine andere Welt fasziniert Menschen seit Jahrhunderten an fiktionalen Geschichten. Es ist die Sehnsucht, beinahe alles Denkbare möglich zu machen.

Heute versuchen wir noch nicht, diese erstellten Realitäten über ein „Holodeck“ breit verfügbar zu machen, sondern reduzieren im Rahmen des technologisch Machbaren die Umsetzung von virtuellen Realitäten auf die verschiedenen Sinnesorgane. Besonders visuelle Signale, zum Beispiel über Videobrillen, scheinen erfolgreich Realitäten vorzugaukeln. Aber auch akustische Signale etwa über klassische Kopfhörer werden genutzt, um das virtuelle Erlebnis echter wirken zu lassen. Weil man erkannt hat, dass die Gestaltung von Realität gleichzusetzen ist mit den erlebbar gemachten Sinneseindrücken und dass die Fokussierung auf einige Sinne die Komplexität beim Erstellen von virtuellen Realitäten stark reduziert.

Richard Bartle und Maurice Benayoun sind nur zwei der bedeutendsten Köpfe, die es geschafft haben, uns mit Bild- und Tonmedien in andere Realitäten zu versetzen. Diese Erfahrungen sind bereits so intensiv, dass das Gehirn sie mit echtem Fokus, Emotionen und Erinnerungen wahrnimmt. Ob wir nun Videobrillen und Kopfhörer tragen oder uns im Ganzkörperanzug befinden werden – die Eindrücke sind beeindruckend realistisch.

Künstler:innen, Designer:innen und Forscher:innen sprechen hier von Erlebnissen, die emotional, mental und körperlich ansprechend sind. Das Einbinden der verschiedenen Sinne erschafft eine Erfahrung, die es dem Gehirn ermöglicht, sich vollkommen auf die virtuelle Welt zu konzentrieren und diese als Realität zu erleben. Genau dieses Eintauchen in eine andere Welt fasziniert Menschen seit Jahrhunderten an fiktionalen Geschichten. Es ist die Sehnsucht, beinahe alles Denkbare möglich zu machen.

Wir werden in der Lage sein, uns vollständig in virtuellen Welten zu bewegen und unsere Erfahrungen dort nahezu uneingeschränkt zu gestalten.

Wir haben in den letzten Jahren enorme technologische Fortschritte in der Welt der virtuellen Realität gemacht. Wir können heute bereits beeindruckende virtuelle Welten erschaffen, die uns in ihren Bann ziehen. Die nächste Generation der virtuellen Realität wird jedoch noch viel weiter gehen. Wir werden in der Lage sein, uns vollständig in virtuellen Welten zu bewegen und unsere Erfahrungen dort nahezu uneingeschränkt zu gestalten.

Neue Möglichkeiten

Egal ob bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim Spiel – die virtuelle Realität erweitert unsere Möglichkeiten inzwischen um ein Vielfaches. Da sich die Technologie in den letzten Jahren immer weiterentwickelt und verbessert hat, wird das Thema zunehmend populärer und findet auch immer mehr Anwendungsgebiete.

So können wir uns mittlerweile nicht nur in andere Welten begeben, sondern auch hautnah an Events teilnehmen oder mit Menschen interagieren, die weit entfernt von uns sind.

Im Privaten haben Computerspiele und Simulationen weiterhin den größten Anteil. Der Spielemarkt boomt und es werden immer mehr Geräte zur Verfügung gestellt, mit denen man virtuelle Realitäten noch immersiver erleben kann. In der heutigen Arbeitswelt gibt es zwar schon Anwendungsgebiete, bei denen Wissen während der Arbeit durch visuelle und auditive Signale vermittelt werden soll, allerdings geschieht der Großteil der Arbeit immer noch vor dem Bildschirm.

Sollte man selbst noch keine Erfahrungen in der Nutzung von virtueller Realität haben, lässt sich das heute Machbare gar nicht richtig erfassen. Es hat nichts gemein mit 3D- Brillen im Kino oder Augmented Reality (AR)-Erlebnissen auf Smartphones, sondern stellt eine eigene Erlebniswelt dar. Daher ist das Ausprobieren von VR-Brillen neuester Generation zum Beispiel über Mietplattformen für solche Geräte eine wichtige Annäherung an das.

Digitale Produktpräsentationen erlauben es, im Sales ein genaueres Produktverständnis zu erzeugen und einen immersiven Sales-Termin zu gestalten.

Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Immersion für die Steigerung der Effizienz zu nutzen. Hier ein paar Beispiele:

  1. Vor vier Jahren haben wir mit der Haufe Akademie mit der Microsoft Hololens innovatives und nachhaltiges Lernen verprobt. Im Seminar „Mit Speed Reading und mega memory® Gedächtnistraining die Infoflut meistern“ probierten wir mit den Teilnehmer:innen aus, wie immersives Lernen funktioniert. Mithilfe einer App wurden Inhalte visuell im Raum platziert. Das regt das Gehirn an, entsprechend Erinnerungen zu verknüpfen und Inhalte leichter lernbar zu machen.
  2. Mit Lego® Serious Play® nutzen wir die spielerischen Möglichkeiten beim Modellieren mit Legosteinen im Team. Mit virtuellen Realitäten kann das Format präsenzunabhängig genutzt werden und im jeweiligen physischen Raum der Teilnehmer:innen entsteht ein sichtbares Ergebnis, was von allen Seiten betrachtet werden kann.
  3. Digitale Produktpräsentationen erlauben es, im Sales ein genaueres Produktverständnis zu erzeugen und einen immersiven Sales-Termin zu gestalten. Hier werden Produkte im virtuellen Raum entsprechend dargestellt und im Termin erläutert.

Wie nutzen wir die neuen Möglichkeiten?

Die Möglichkeiten sind groß und die Ideen im Business vielfältig, die Adaption von VR-Technologien über den Status von Experimenten hinaus. VR stellt die IT allerdings vor neue Herausforderungen. Neben den entsprechend ausgestatteten Räumlichkeiten braucht es vor allem auch Mitarbeiter:innen mit Kenntnissen der Sozialwissenschaften, damit VR zielgerichtet genutzt werden kann. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht wichtig, um VR anbieten zu können:

  1. Auswahl geeigneter Hardware
    Zuallererst braucht es Geräte, die in der Lage sind, neue Erfahrungen über Reize der menschlichen Sinne zu erzeugen. Das Angebot unterschiedlicher VR- und AR-Geräte ist groß. Wir legen unseren Fokus auf Geräte, die eine hohe Usability besitzen: kabellos, mit ausreichend Akku, stabiler Darstellung und guter Rechenleistung.
  2. Bereitstellung einer kreativen Umgebung
    Virtuelle Realitäten müssen einfach erlebt werden, damit sie ihren immersiven Effekt erzeugen. Komplexe Prozesse und falsche Zielgruppen schrecken ab. Im Rahmen eines Labs bieten wir Brillen und Hardware zur Nutzung an und bedenken dabei auch die Ablaufnotwendigkeiten wie Hygiene, Einweisung etc.
  3. Expertise in der Nutzung
    Meist entscheiden die ersten Versuche über die Adaption neuer Technologien. Ungewohnte Anwendungen und neue Nutzungsweisen stellen eine Hürde dar. Unterstützung in der Nutzung hilft, anfängliche Probleme zu überwinden und die Technologie effektiv zu nutzen. Enablement eröffnet neue Möglichkeiten, selbständig oder gemeinsam mit Expert:innen Anwendungen zu gestalten.
  4. Experimente zulassen und fördern
    Häufig nutzen Unternehmen die anfängliche Euphorie und das Interesse der Menschen nicht. Die Technologie bleibt im Lab und die Ideen in den Köpfen. Die Anregung aus Experimenten aufzunehmen und auszubauen, daraus passende Formate entwickeln und eine sich selbst verstärkende Adaption zu erreichen ist einen weiteren wichtigen Eckpunkt.
  5. Begleitung der sozialen Effekte von VR
    Neben der Technologie, der Gestaltung der Abläufe und der Businessorientierung greifen wir bewusst auch die Veränderung der sozialen Interaktion bei der Nutzung von VR auf. Denn VR entfaltet ihre eigene soziale Dynamik, ganz so wie wie klassische Videokonferenzen.

Wenn man diese und andere Punkte beachtet, macht VR richtig Spaß und es entwickelt sich eine neue Arbeitsweise.

VR stellt die IT allerdings vor neue Herausforderungen. Neben den entsprechend ausgestatteten Räumlichkeiten braucht es vor allem auch Mitarbeiter:innen mit Kenntnissen der Sozialwissenschaften, damit VR zielgerichtet genutzt werden kann.

Die Aufgabe des CIO ist es, als Übersetzer von Technologie Möglichkeiten und Gestaltungsraum zu schaffen, diese effektiv zu nutzen. Auch wenn das initial ein Investment an Zeit, Expertise und Geld darstellt, sind die Möglichkeiten umfassend – und die zentralen Aktivitäten der IT ermöglichen Enablement und Synergien im gesamten Unternehmen.

Welche Rolle wird VR spielen?

Die Möglichkeiten von VR sind vielschichtig, und die New Work-Arbeitswelten brauchen Lösungen, die eine mögliche Isolation im Homeoffice verhindern, das Talent Gap angehen und die Bindung von Mitarbeitenden ans Unternehmen stärken. Gleichzeitig sind die Prozesse in den Unternehmen und die bestehenden Anwendungen nicht auf VR ausgelegt. VR ist nach wie vor, auch in der öffentlichen Wahrnehmung, ein Thema im Bereich Gaming und als Future Tech mit wenig Bezug zum realen Leben. Doch Konzerne wie Meta und Google investieren hohe Summen in diese Technologien, und es ist eine Frage der Zeit, bis sie allgemein verfügbar sein werden.

Die Aufgabe des CIO ist es, als Übersetzer von Technologie Möglichkeiten und Gestaltungsraum zu schaffen, diese effektiv zu nutzen.

Wir müssen heute die Grundlage schaffen, auf der wir morgen und übermorgen zukunftsorientiert agieren können. Noch ist es nicht soweit, dass VR alle Formate durchdringt und für alle Mitarbeitenden relevant wird. Aber der oder die CIO kann als Innovator:in und Vordenker:in  iterativ diese Grundlagen aufbauen und damit heute das Morgen gestalten.