Business Strategie Digitalisierung

IT kann Krise

Kommentar Die Welt der Informationstechnologie wandelt sich seit Jahren immer schneller und schneller. Wie stellen sich IT-Verantwortliche von heute dieser Wandlungsgeschwindigkeit, den Anforderungen der neuen Arbeitswelt und behalten ihren IT-Zoo aufgeräumt? Andreas Plaul berichtet aus seinem Alltag als CIO. Diesmal: „IT kann Krise“.

Foto: Jukan Tateisi on Unsplash
Foto: Jukan Tateisi on Unsplash

Krisenzeiten 

Die letzten drei Jahre waren durch verschiedene Krisenphasen gezeichnet. Angefangen mit der Gesundheitskrise, auf die die IT sehr kurzfristig reagieren musste. Plötzlich waren Standorte nicht mehr zugänglich, jeder Mitarbeitende brauchte ein mobiles Endgerät, eine VPN-Verbindung ins Firmennetzwerk und eine Schulung zur datenschutzkonformen Arbeit im Homeoffice. Glücklicherweise waren wir schon zuvor primär mit mobilen Endgeräten ausgestattet und hatten in den Wochen vor den harten Einschränkungen der Gesundheitskrise systemische Vorbereitungen wie Kapazitätserhöhungen in der IT-Infrastruktur vorgenommen, um allen Mitarbeiter:innen umfassendes mobiles Arbeiten zu ermöglichen. 

Ein starkes Interaktionsnetzwerk im Unternehmen, zentrale IT-Fähigkeiten und ein eingespieltes Team erlauben die Koordination zeitkritischer Themen und machen es möglich, tragfähige Lösungen zu finden.

Darüber hinaus wurden die IT-Lieferketten zeitweise unterbrochen, was die Handlungsfähigkeit der IT-Abteilung massiv beschränkt hat. Wir befanden uns, und befinden uns nach wie vor, in einer Lieferkettenkrise. Wir können neue IT-Hardware nur eingeschränkt bestellen, die Lieferzeiten liegen im Moment bei mehreren Monaten oder sogar Jahren. Zum Glück hatten wir in der Haufe Group vorausgeplant und konnten somit die ersten negativen Effekte abfedern, außerdem waren wir in der Lage, über unsere langjährigen Partner weiterhin die notwendige Hardware bestellen.

Neue Herausforderung Hybrid

Nach dem Homeoffice für alle kam die nächste Phase mit der Rückkehr vieler Mitarbeiter:innen an die Unternehmensstandorte. Das hat die Kapazitäten unserer IT auf den Prüfstand gestellt. Die Haufe Group legt die Entscheidung darüber, wie die Zusammenarbeit aussieht, wie viele Tage die Menschen im Büro oder mobil arbeiten, in die Hände der einzelnen Teams. Diese hybride Arbeitswelt bedingt zum Beispiel neue Shared Desks, neue Meeting- und Interaktionsbereiche sowie eine adäquate Ausstattung der Menschen im Homeoffice. Innerhalb weniger Wochen bauten wir entsprechend dreihundert Shared Desk-Arbeitsplätze auf, führten eine Schreibtisch-Buchungslösung ein und konnten mit HR und Facility Management ein ganzheitliches Nutzungskonzept etablieren, das es den Mitarbeiter:innen ermöglicht, das jeweilige Arbeitsmodell zu gestalten. Auch hier hat die IT Ihre Handlungsfähigkeit in der Krise bewiesen.

Und dann kam der Krieg in der Ukraine. Dieser hat weitreichende Implikationen und hat gerade in der IT-Sicherheit die Bedrohungslage auch für deutsche Unternehmen nachhaltig verändert. Beispielhaft genannt seien sogenannte Supply Chain Attacks, denn diese zwingen uns, Abhängigkeiten zu Softwarekomponenten russischer Herkunft kritisch zu prüfen. Daneben kam die Notwendigkeit auf die IT zu, auf die ausgesprochenen Sanktionen gegen Russland zu reagieren und kurzfristig alle Kunden und Lieferanten darauf zu überprüfen, ob sie von den Sanktionen betroffen sind. Wir mussten Lieferketten neu denken und einzelne Komponenten austauschen. In unserem Unternehmen ermöglichte uns ein starkes Asset Management die schnelle Reaktionsfähigkeit. 

IT in der Krise? 

Doch wie behauptet sich die IT in solchen Krisen, idealerweise nicht zufällig, sondern auf Grund bewusst gewählter Strukturen? Oft stellt sich der Corporate Service IT zunächst als Cost Center dar, das für Performance, aber auch Innovation und Professionalität steht. Die vorhandenen Strukturen und Kolleg:innen arbeiten tagtäglich daran, das Unternehmen zu befähigen. Im Alltag kommt es immer wieder zu kleinen oder großen Herausforderungen wie Systemausfällen, Cyberattacken, kurzfristigen Systemanpassungen. Und in Projekten realisieren wir oft unter Zeitdruck Verbesserungspotenziale und steigern die Effektivität des Unternehmens. 

Krisen sind eine Transformation mit hohem zeitlichem Druck. 

In Krisenzeiten profitieren wir von diesen Erfahrungen. Ein starkes Interaktionsnetzwerk im Unternehmen, zentrale IT-Fähigkeiten und ein eingespieltes Team erlauben die Koordination zeitkritischer Themen und machen es möglich, tragfähige Lösungen zu finden: 

  • Die IT hat als zentraler Corporate Service wegen des hochintegrierten Charakters von IT-Lösungen nahezu mit allen Mitarbeiter:innen Kontakt und erweitert ihr Interaktionsnetzwerk kontinuierlich. Dieses Netzwerk lässt sich im Krisenfall für IT- und Nicht-IT-Themen bidirektional nutzen. Die IT kann schnell Ansprechpartner:innen identifizieren – und handeln.
  • Zentrale IT-Fähigkeiten erlauben die Erhebung, Verarbeitung und Analyse von Daten. Daten helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. So können zum Beispiel Abhängigkeiten von angreifbaren Softwarekomponenten schnell identifiziert werden. Gleichzeitig wirken zentrale IT-Fähigkeiten meist synergetisch. Auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten können gemeinsame Systemnutzung und Kostenoptimierung zu schnellen Einsparungen führen.
  • Am Ende ist es aber vor allem das eingespielte Team, welches uns handlungsfähig macht. Als tägliche Problemlöser:innen besitzen wir ein „Can do“- Die Teams sind darauf ausgerichtet, Probleme zu verstehen und Lösungen zu finden.

Letztlich sind Krisen eine Transformation mit hohem zeitlichem Druck. 

IT in der Krise

Doch was machen die Krisen mit der IT? Wie beschrieben besitzt die IT verschiedene Gravitationspunkte: 

Als Cost Center kann die IT durch zentrale Angebote und zentrales Wissen die Performance und Produktivität im Unternehmen steigern. Dies ist häufig auch mit direkt messbaren Mehrwerten verbunden. Gleichzeitig ist die IT ein Technologiebereich. Mit Innovation können neue Angebote und Geschäftsmodelle geschaffen werden. In multifunktionalen Teams bringen IT-Kollegen technische Innovationen mit den unternehmerischen Innovationen der Business Groups zusammen. Das steigert den Umsatz am Markt. 

Mit einem starken Fokus auf Usability und Business Alignment kann die IT auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen eingehen. Die IT lebt von der Akzeptanz im Unternehmen. Eine IT, die bei den Mitarbeitenden kein Standing hat, ist nicht handlungsfähig. Unser Ziel lautet, vom „Ich muss zur IT“ zur „Ich will zur IT“ zu gelangen. Entsprechend aufgestellt steigert eine nutzerzentrische IT den internen NPS. 

Zuletzt steht die IT für Professionalität. In der Komplexität der internen und externen Anforderungen senkt eine gut aufgestellte IT die Risiken dank einer zentralen Governance bei Technologiethemen. Das reduziert die Gefahr finanzieller und reputativer Schäden.

Wo in Zeiten des Wachstums die IT das Unternehmen primär mit Innovationen unterstützt, muss sie sich in der Krise auf Produktivität und Performance zurückbesinnen.   

Prioritäten verschieben sich in der Krise

Aber: In der Krise verschiebt sich der Schwerpunkt der IT. Kosten und Synergien werden wichtiger. Die Zufriedenheit der Nutzer:innenist weiterhin ein wichtiger Erfolgsfaktor, es werden aber Kompromisse gemacht. 

Und die Verschiebung des Schwerpunkts macht etwas mit der IT. Wo bisher Projekte mit Fokus auf Veränderung durchgeführt wurden, geht es in Krisenzeiten Bewahrung und Optimierung. Eine gewisse Stetigkeit erlaubt die Bewältigung der Krise. Auch in den Mindsets braucht es kritische Stimmen, die die Notwendigkeit von Kosten und Aktivitäten kritisch hinterfragen und Optimierung in den Mittelpunkt stellen. 

Die Aufgabe des CIO und aller IT-Führungskräfte ist es, die IT jeweils nach den aktuellen Bedürfnissen des Unternehmens auszubalancieren, ohne in Extreme zu verfallen. In der Krise jegliche Innovation zu vernachlässigen ist genauso schädlich, wie bei jeder Veränderung das gesamte Portfolio auszutauschen. Die Herausforderung liegt darin, mit Fingerspitzengefühl die Ausrichtung wiederkehrend zu verschieben, ohne dabei die DNA der IT zu beschädigen. Anpassung mit Augenmaß eben.

CIO sind aufgerufen, als „transformational leaders“ im Unternehmen zu agieren und sich der Krisenrealität anzupassen.

Führung in der Krise 

Was heißt das für die Arbeit einer oder eines CIO? Für die richtige Balance braucht es aus meiner Sicht vor allem die Verknüpfung der unterschiedlichen Bedürfnisse: 

  • Als Führungskraft muss die oder der CIO nah an den Teams sein, um ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Regelmäßiger Austausch, aber auch das Messen der Mitarbeitendenzufriedenheit geben Aufschluss über Fragen, mögliche Ängste und Bedenken, denen man dann frühzeitig begegnen kann.
  • Als Führungskraft des Unternehmens muss die, muss der CIO die Auswirkung der Krise auf das Unternehmens verstehen. Wie wirken sich wirtschaftliche, regulatorische Entwicklungen und Fragen der IT-Sicherheit auf die Geschäftsmodelle des Unternehmens aus? Wo braucht es Stabilität, wo tut Veränderung not, wo sind schnelle Entscheidungen erforderlich? Diese Fragen zu beantworten, ist Kernaufgabe von Führung. 
  • Als Partner der Business Groups muss die oder der CIO trotz des akuten Krisenmanagements heute an morgen denken. Es gibt eine Zeit nach der Krise, und für die braucht es Innovation. Auch wenn möglicherweise mehr Kosteneffizienz gefragt sein wird, benötigen die Business Groups die IT als Ermöglicherin von Innovation.

CIO sind aufgerufen, als „transformational leaders“ im Unternehmen zu agieren und sich der Krisenrealität anzupassen.

Nach der Krise ist vor der Krise 

Auch wenn die letzten drei Jahre elementare Veränderungen für unsere Arbeitswelt und in der IT gebracht haben, ist die IT daraus oft gestärkt hervorgegangen und bildet weiterhin eine der wichtigsten Stützen von Unternehmen. Die vergangenen und aktuellen Krisen steuern uns wahrscheinlich in eine Rezession und eine spürbare Inflation. Vorsichtige Kunden, geringere Budgets und steigende Kosten werden der IT viel abverlangen. Das bedeutet, Kosten und die Diversität des IT-Portfolios bewusst zu hinterfragen und nicht einfach zu hoffen, dass es schon nicht so schlimm werden wird.  

Ein Unternehmen muss wirtschaftlich bleiben, um nachhaltig zu sein. Und dazu leistet die IT einen goßen Beitrag.

Der Kampf gegen den Klimawandel und der nachhaltigere Umgang mit den vorhandenen Ressourcen zeichnet bereits jetzt eine mögliche weitere Krise vor. Dabei darf die IT nicht verzagen. Im Kern sind wir Problemlöser:innen. Wir brennen für technologische Ansätze, um mit deren Hilfe die Arbeits- und Lebensqualität der Menschen zu erhöhen und den Unternehmenserfolg mitzugestalten. Dazu braucht es die IT. Immer.