Business Transformation Innovation

So wird die IT anerkannter strategischer Partner

Kommentar Die Welt der Informationstechnologie wandelt sich seit Jahren immer schneller und schneller. Wie stellen sich IT-Verantwortliche von heute dieser Wandlungsgeschwindigkeit, den Anforderungen der neuen Arbeitswelt und behalten ihren IT-Zoo aufgeräumt? Andreas Plaul berichtet aus seinem Alltag als CIO. Diesmal: „Die strategische Rolle der IT im Unternehmen“

Foto: Josh Calabrese on Unsplash
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IT muss Vertrauen in eigene Fähigkeiten schaffen

Als eine ihrer Kernaufgaben versorgt die IT das Unternehmen mit Endgeräten, Netzwerk und einer Vielzahl von Applikationen. Oft gilt dabei: Die Leistungen der IT nehmen die meisten Menschen erst dann richtig wahr, wenn etwas nicht läuft. Viele IT-Führungskräfte und IT-Abteilungen genießen auf Grund dessen keinen guten Ruf im Unternehmen. Mitarbeiter:innen haben potenziell ein schlechtes Gefühl, sobald sie zur IT müssen, denn meistens gibt es dann ein Problem. Wer virtuell oder in echt zum IT-Servicedesk geht, fürchtet insgeheim, sich bloßzustellen. Oder Zeit zu verschwenden.

Viele Mitarbeitende nehmen die IT nur wahr, wenn irgendein Service oder Device nicht funktioniert. 

Für die IT und ihre Positionierung im Unternehmen heißt das vor allem: Sie muss ihre Hausaufgaben machen. Solange der Basisbetrieb nicht stabil läuft, limitiert sich die IT selbst als reinen Versorger des Unternehmens. Die kümmern sich um Computer und Telefone, heißt es dann. Der Wertbeitrag der IT wird nicht klar, und damit fehlt Vertrauen in die Kompetenzen der IT. Auf dieser Grundlage hat die IT keine Chance, über die Grundversorgung der Mitarbeitenden hinaus die Zukunft des Unternehmens zu gestalten, wenn es um Digitalisierung, Innovation und andere Themen geht.  

Innovation sei überlebensnotwendig für Unternehmen, schreibt der  deutsche Sozialwissenschafter Horst Kern, aber nur möglich auf einer breiten Vertrauensgrundlage. Denn Unternehmen agierten als soziale Gruppen und Innovation stelle für die Einzelne immer auch das Risiko dar, in einer sozialen Gruppe nicht akzeptiert zu werden.  

Ein falsches Selbstbild der IT, gepaart mit einer komplexen Sprachbarriere, die von negativen Erfahrungen mit IT verstärkt wird, verhindern Vertrauen und damit Innovation. 

Mit dem Vertrauen kommt die Zusammenarbeit

Doch wie gestaltet die IT den Weg vom klassischen Dienstleister im Unternehmen zum Business Partner? Darüber gibt es dutzende Bücher, 10-Punkte-Pläne und Herangehensweisen, die alle wichtige und richtige Ansätze und Werkzeuge bieten. 

Je besser die Mitarbeitenden der IT ihre Kund:innen verstehen, die anderen Fachbereiche und die Zielmärkte des Unternehmens kennen, desto besser bildet sich eine gemeinsame Sprache – und Missverständnisse werden weniger.  

Aus meiner Sicht ist der wichtigste Punkt Vertrauen schaffen. Schreibt sich leicht, ist es aber nicht. Ich habe immer wieder festgestellt, dass die Sprache erfolgsentscheidend ist. Die Sprache ist ein verbindendes Element und steht im  Zentrum der Verständigung. Mir geht es hier nicht um Deutsch, Englisch etc., sondern  darum, über die Sprache eine Gemeinsamkeit im Denken und Verstehen zu schaffen. Jede:r muss die Gesprächspartner:innen mit ihren Gedanken und in ihrem Umfeld kennenlernen, in dem sie arbeiten und wirken. Je besser die Mitarbeitenden der IT ihre Kund:innen verstehen, die anderen Fachbereiche und die Zielmärkte des Unternehmens kennen, desto besser bildet sich eine gemeinsame Sprache – und Missverständnisse werden weniger.  

Machen wir es an einem Beispiel konkret: In der IT spricht man von Assets und meint damit Systeme, Dienstleister und andere Komponenten des eigenen IT-Zoos. In der Immobilienbranche haben Assets als Anlagevermögen aber eine ganz andere Bedeutung. Wenn die IT-Mitarbeitenden nun mit einer Business Group oder einem Fachbereich arbeitet, die primär im Real Estate-Markt zuhause sind, führt diese Ambiguität zu Missverständnissen. Ein zweiter Aspekt ist für mich die Haltung.

Wir als IT tendieren dazu, uns auf eine systemisch-fachliche Ebene zurückzuziehen und haben in der Vergangenheit oft mit einer grundlegend ablehnenden Haltung auf Anfragen von Mitarbeitenden reagiert. Statt mit einer Can do-Mentalität gemeinsam mit Business Groups und Fachbereichen die Wirklichkeit zu gestalten, wirkte die IT allzuoft als Verhinderer. Ergebnis: Menschen haben sich nur an die IT gewandt, wenn es wirklich nicht mehr zu vermeiden war. Dieses Verhalten hat nicht nur das Image der IT geprägt, sondern auch deren Mitarbeitende. Sie wurden darauf trainiert, nein zu sagen.  

Wir als IT tendieren dazu, uns auf eine systemisch-fachliche Ebene zurückzuziehen und haben in der Vergangenheit oft mit einer grundlegend ablehnenden Haltung auf Anfragen von Mitarbeitenden reagiert.

Wenn man dieses als Verantwortlicher für die IT ändert und die IT bewusst als „Enabler“ aufstellt, schärft sich auch das Bewusstsein der IT-Mitarbeitenden  für die eigene Relevanz in der Lieferkette des Unternehmens. Mit der Veränderung der eigenen Haltung ergibt sich ganz automatisch eine Augenhöhe zu den Business Groups, und dann gilt es  „nur noch“, diese Augenhöhe  mit der eigenen Leistung  wiederkehrend zu halten. Auf dem Weg zu diesem Selbstvertrauens und zu diesem Bewusstseins gibt es aber keine Abkürzung – die kulturelle Arbeit braucht Vorbilder und Hartnäckigkeit. Die Führungskräfte gestalten mit ihrem eigenen Handeln und Wirken den Wandel über die verschiedenen Ebenen der Organisation 

Ist der Straßenruf erst poliert 

Das Eine ist die eigene Grundhaltung als IT. Die andere Herausforderung liegt in der Frage: Schafft es die IT auf Dauer, das, was sie verspricht, abzuliefern? Und unter liefern verstehe ich hier nicht nur Leistung in time, quality and budget, sondern eben auch die dahinter stehende Mentalität. Diese Faktoren zusammen schärfen nach meiner Erfahrung einen dritten wichtigen Aspekt für die Rolle der IT im Unternehmen: die Kraft der positiven Erfahrung  vergangener Zusammenarbeit. 

Die entscheidende Frage lautet: Schafft es die IT auf Dauer, das, was sie verspricht, abzuliefern? 

Sieben Punkte sind in meinen Augen wichtig für die Verbesserung des Straßenrufs:  

  • Liefern, was man verspricht, auch wenn es weh tut 
  • Veränderung des Blickwinkels von „Was ist das Problem?“ zu „Was ist die Lösung?“ 
  • Motivation, Interesse und Neugier schaffen statt Zwang ausüben 
  • Self Marketing der IT:  „Tue Gutes und sprich darüber“, aber übertreibe es nicht 
  • Bewusstes Neinsagen ist wichtig, um nicht beliebig zu sein. Aber es gilt: Nicht immer Nein sagen
  • Ständiges Feedback: des Business, der IT-Mitarbeiter:innen, des Unternehmens als Ganzem 
  • Nie die IT-Hausaufgaben vergessen. Sie sind und bleiben das Eintrittsticket zum Umgang auf Augenhöhe mit dem Business 

Der Straßenruf der IT ist ein zartes, aber wichtiges Pflänzchen. Die IT muss kontinuierlich Business-orientiert positive Erfahrungen erzeugen und Feedback einholen. So lernt die IT, die Welt mit den Augen des Business zu sehen. Gelingt die geschilderte Neuausrichtung der IT, wandelt sich deren Wahrnehmung im Gesamtunternehmen spürbar. Das ist kein Sprint, eher ein Mittelstreckenlauf von 12 bis 24 Monaten. Aber die Veränderung ist spürbar, sobald sie einsetzt: Die IT erhält einen Platz am Tisch, weil ihr Ruf als kompetenter Partner ihr vorauseilt, und nicht, weil sie qua Amt eben dabei sein muss. 

Die Veränderung ist spürbar, sobald sie einsetzt: Die IT erhält einen Platz am Tisch, weil ihr Ruf als kompetenter Partner ihr vorauseilt, und nicht, weil sie qua Amt eben dabei sein muss.

Informationstechnologie ist heute in vielen Punkten erfolgsentscheidend für Unternehmen. Können wir neue Geschäftsmodelle mit Technologie gestalten? Welche technologischen Möglichkeiten haben wir, die uns einen Vorteil verschaffen? Können wir Schritte automatisieren und damit Kosten senken? Gibt es Risiken im Einsatz von Technologie? Wie haben Mitbewerber dank Technologie ein bestimmtes Problem besser gelöst als wir? Solche und andere Fragen entscheiden über Sein oder Nichtsein. Hat sich der Blick auf die IT im Unternehmen verändert, laden die unterschiedlichsten Business Groups die IT aktiv ein, wenn es um strategische Fragen geht. 

IT: Föderal, nicht zentralistisch 

Ist das geschafft, muss die IT auch keine Angst mehr haben vor Kontrollverlust oder einer Schatten-IT in den Business Groups. In vielen Fällen ist gerade die Autonomie von Produkt-Teams entscheidend für deren Erfolg. Die IT kann den wahrgenommenen Kontrollverlust mit einer Technologie-Governance auffangen, die nicht zentralistisch, sondern föderalistisch denkt, die sich selbst als Begleiterin versteht und nicht als alleinige Norm. Und die vor allem  gut im Unternehmen vernetzt ist, um früh in Themen eingebunden zu sein. 

Wir brauchen eine Technologie-Governance, die nicht zentralistisch, sondern föderalistisch denkt, die sich selbst als Begleiterin versteht und nicht als alleinige Norm.

Grundsätzlich ist in einem föderal aufgestellten Unternehmen das autonome Optimum ein wichtiger Eckpunkt. Sobald aber ein technologischer Aspekt Chancen hat, breiter im Unternehmen zu wirken, kommen Produkt-Teams gern auf die IT zu, um einen zentralen Service zu nutzen und so eigene Ressourcen zu schonen. Hier muss die IT bereit sein, als Managed Service-Anbieter zu agieren und dem Business Themen abzunehmen, die nicht Teil des Kerngeschäfts der jeweiligen Business Group sind. Auch darüber wirkt die IT Mehrwert schaffend. 

Die strategische Rolle der IT im Unternehmen 

Die IT ist Enabler, existiert aber nicht zum Selbstzweck. Daher muss sie in der jeweiligen Lieferkette des Unternehmens wirken und braucht eine ständig zu pflegende Vertrauensbasis.

IT ist kein Selbstzweck, sondern eine gestalterische Aufgabe. Und ohne IT geht es heute nicht mehr. 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die folgenden fünf Überzeugungen am besten die Rolle der IT erfolgreich widerspiegeln: 

  • Business Alignment: Als Teil eines Unternehmens und einer gemeinsamen Aufgabe kann die IT nur wirken, wenn sie das Unternehmen versteht und gemeinsame Ziele verfolgt. Alignment bedeutet für mich eine kontinuierliche Absprache der Ziele und eine Aussprache darüber, wie die Ziele erreicht werden. 
  • Professionalisierung: Die IT entwickelt sich weiter. Die Bedrohungen durch Angriffe auf IT-Systeme steigen stetig. Auch die regulatorische Landschaft wandelt sich. Wenn die IT sich nicht kontinuierlich hinterfragt und lernt, neue Herausforderungen zu meistern, fällt sie zurück und ist nicht mehr in der Lage zu liefern. 
  • Produktivität: Auch Mitbewerber entwickeln sich weiter. Viele technologische Lösungen zielen auf eine Optimierung der Produktivität ab. Time-to-market ist ein wichtiger Faktor für die Fähigkeit, am Markt zu agieren. Wenn die IT hier nicht selbst die Möglichkeiten von Technologie nutzt, verpasst sie die Chance, sich selbst zu entwickeln und verliert das Vertrauen des Unternehmens. 
  • Innovation: Ganz oft in der Geschichte der Informatik haben neue Entwicklungen, egal ob evolutionär oder revolutionär, zum Wandel der Arbeitsweise geführt. Sei es, dass neue Technologien auf neuen Themenfeldern angewendet werden, sei es, dass neue Technologien bestehende Herausforderungen besser meistert. Innovation ist das, was entsteht, wenn Vertrauen und Kreativität gemeinsam genutzt werden. 
  • Usability: Des Weiteren liefert IT nur einen Mehrwert in der Arbeit mit und für Menschen. Die besten Systeme und Innovationen tragen keine Früchte, wenn schlechte Nutzbarkeit den Einsatz behindert. Eine hohe Nutzbarkeit belegt in den Augen der Nutzer:innen den Mehrwert der IT. 

In zwei Sätzen zusammengefasst: IT ist kein Selbstzweck, sondern eine gestalterische Aufgabe. Und ohne IT geht es heute nicht mehr.