Innovation Business Transformation

Diskussion um Disruption – was zählt?

Die Fokussierung auf Disruption im Innovationsmanagement kann in die Irre führen, wenn dabei andere Formen der Innovationen aus dem Blickfeld geraten. Was genau bedeutet Disruption? Und wie begegnet man ihr?

Der Blick darf sich nicht auf Disruption verengen
Der Blick darf sich nicht auf Disruption verengen

Der Begriff der Disruption ist zum Wirtschaftswort des Jahres geworden. In vielen Präsentationen taucht der Begriff auf, wenn der Redner grundlegende Veränderungen in der Wirtschaftswelt beschreiben will, die die Digitalisierung mit sich bringt. Clayton Christensen, der die Theorie der disruptiven Innovation ausformulierte, sah sich deshalb zu einer Klarstellung veranlasst, die er in der Havard Business Review im Dezember 2015 unter dem Titel „What is Disruptive Innovation?“ veröffentlichte. Die Geschäftsmodelle von Uber oder Tesla, die einen Angriff auf ganze Branche darstellen, qualifiziert Christensen nicht als disruptiv, obwohl diese in vielen Präsentationen als Beispiele für disruptive Innovationen vorgeführt werden. Den Elektroautohersteller Tesla beispielsweise sieht er als innovatives Unternehmen, das im Segment der hochpreisigen Automobile ein Nischenprodukt auf den Markt gebracht hat, das sehr erfolgreich ist. Das Segment der Premiumautos oder Elektroautos haben die klassischen Automobilhersteller aber nicht übersehen, sondern beobachten den Markt sehr genau. Teslas Zukunft sieht Christensen deshalb als Nischenhersteller, der jahrelang um relevante Marktanteile kämpfen muss, oder als typischen Übernahmekandidaten der großen Autokonzerne.

Was ist dann aber eine disruptive Innovation? Nach Christensen beschreibt der Begriff den Prozess, dass sich marktführende Unternehmen auf ihre profitabelsten Kunden konzentrieren und für diese ihre Produkte und Dienstleistungen ständig verbessern. Start-ups oder kleine Unternehmen erkennen Kundenbedürfnisse in Segmenten, denen die Marktführer keine große Bedeutung zumessen. Sie fassen Fuß, verbessern ihre Angebote für die gewonnene Kundengruppe – was die Marktführer durch ihre Konzentration auf die profitablen Kunden übersehen. Zur Disruption kommt es dann, wenn kleine Anbieter die höheren Marktsegmente ins Visier nehmen und den Marktführern ihre profitablen Kunden streitig machen. Kennzeichen von disruptiven Unternehmen ist es, dass sie das untere Marktsegment oder unversorgte Kundenbedürfnisse ansprechen. Das ist – so Christensen – weder bei Uber noch bei Tesla der Fall.

Start-ups oder kleine Unternehmen erkennen Kundenbedürfnisse in Segmenten, denen die Marktführer keine große Bedeutung zumessen.

Konsequenzen für die Praxis

Folgt man den theoretischen Überlegungen der Forschergruppe um Christensen, sind marktführende Unternehmen Disruptionen von Start-ups nicht hilflos ausgeliefert. Wenn sie auf der Hut sind und Kundenbedürfnisse auch in unteren Marktsegmenten erkennen, können sie ihre Technologien und Dienstleistungen an die Kundenbedürfnisse anpassen und neue Wettbewerber abwehren. Das ist auch der Grund, warum viele disruptive Start-ups scheitern.

Das Innovationsmanagement allein auf disruptive Veränderungen auszurichten, kann Unternehmen also in die Irre führen. Die Weiterentwicklung der bestehenden Technologie und Dienstleistungen ist deshalb für die Unternehmen ebenso wichtig wie die Achtsamkeit auf disruptive Veränderungen im Markt. Beides gehört zusammen. Der gerade veröffentlichte Innovationsreport des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHK) macht die Bedeutung der Innovationen für die Zukunft der Firmen deutlich. Während die großen Unternehmen ihre Ausgaben für Innovationen auf einem hohen Niveau weiterführen (wie der „Global Innovation Survey 2015“ des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) einmal mehr belegt), fällt der Mittelstand zurück. Das ist ein Alarmsignal. Innovationen sind gerade für den Mittelstand überlebensnotwendig. Daher ist es nicht zuletzt wichtig, dass HR Methoden einsetzt, mit denen HR selbst innovativer werden und die Mitarbeiter beim Innovieren unterstützen kann. HR schafft schon jetzt in Start-ups eine kreative Arbeitsumgebung. Für den Mittelstand könnten einige Cases interessant sein.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen im Personalmagazin 2/2016.

KEY FACTS

Der Begriff Disruption wird häufig missverstanden. Gemäß der Definition von Clayton Christensen entstehen Disruptionen, wenn kleinere Unternehmen erfolgreich in Marktsegmenten aktiv werden, die die Etablierter außer Acht lassen.

Start-ups zielen häufig auf Marktsegmente, die Etablierte nicht sehen.

Etablierte Unternehmen sind disruptiven Kräften nicht schutzlos ausgeliefert.

Weiterentwicklung von Bestehendem und Beobachten der Disruptionen vorantreiben