New Work

Von Regeln und Regelbrechern

Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon aber bewährt sich im harten Alltag eines Interim- und Turnaroundmanagers? Dr. Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Governance“.

regeln, die sinnvolles Arbeiten verhindern, müssen weg. Aber Regelbrüche als Fortschrittsprogramm zu feiern, führt nirgendwo hin. Meint Bodo Antonic.
regeln, die sinnvolles Arbeiten verhindern, müssen weg. Aber Regelbrüche als Fortschrittsprogramm zu feiern, führt nirgendwo hin. Meint Bodo Antonic.

Rebellion überall

Rebellen haben Konjunktur. Regelbrecher auch. Denn Kreativität und Innovation stellen sich nur ein – so heißt es – wenn man „out of the box“ denkt und Muster bricht. Und das schlechthin Gute wird nur wahr, wenn wir gegen das schlechthin Schlechte aufbegehren. So weit, so gut, so abgedroschen.

Aber stimmt das auch? Sind Regeln zum Brechen da? Woran müssen wir Zeitgeistrebellen eigentlich rütteln? Als Manager, der sich unter Zeit- und Ergebnisdruck beweisen muss, habe ich dazu ein differenziertes Bild. Und ich möchte es hier gerne teilen.

Denn es gibt gute, sinnvolle und absolut notwendige Regeln. Die musste ich in manchem Einsatz dringend ausrufen oder festigen, um den Karren aus dem Dreck zu fahren. Und es gibt schlechte, sinnlose und absolut nervtötende Regeln, denen ich sofort den Garaus mache, wo immer ich ihrer gewahr werde.

Sind Regeln zum Brechen da? Woran müssen wir Zeitgeistrebellen eigentlich rütteln?

Zu wenig sinnvolle Regeln, zu viele sinnlose

Das Interessante dabei: Gerade junge, aufmüpfige, regelbruchverliebte Unternehmen haben von den sinnvollen Regeln zu wenige. Dafür können und predigen sie New Work. Und alte, ehrwürdige und straff durchorganisierte Unternehmen haben von den sinnlosen Regeln zu viele. Deshalb buchen sie New Work-Safaris und touren durch die hippe Start-up-Welt.

Beide Regeltypen haben einen Namen. Die sinnvollen: Governance und Compliance. Die sinnlosen: Bürokratie und Behäbigkeit. Und mit beiden Regeltypen steht und fällt der Erfolg von Unternehmen. Zwei Beispiele.

Beim Weltmarktführer, in dem ich den Vertrieb fit machen sollte, war die Luft draußen. Und Regeln waren schuld daran. Alles musste man melden und beantragen, nichts bekam man einfach mal so. Ein Gräuel für jede Vertriebsorganisation. Es ging so weit, dass selbst Kleinstgegenstände mit einem Wert über einen Euro beantragt werden mussten. Der Prüfaufwand band eine Vollzeitkraft. Ich hob das Limit auf 100 Euro an, setzte Arbeitskraft für sinnvolle Tätigkeiten frei und sparte 50.000 Euro.

Vor allem aber gewann ich zufriedene Außendienstmitarbeiter und veränderte die Kultur. Denn mein Beispiel machte Schule. Immer mehr Mitarbeiter nahmen unsinnige Regeln aufs Korn und entschlackten die Organisation. Ideenvielfalt, Kreativität und Spaß an der Arbeit erzeugten ein deutliches Plus an Innovation. New Work war damals übrigens noch niemandem ein Begriff.

Regelbruch ist kein Fortschrittsprogramm

Das andere Beispiel: ein junges Wachstumsunternehmen. Bereits ein Millionenbusiness, voller Euphorie und bar jeder Struktur. Es wurde debattiert, dass sich die Konferenztische bogen. Es wurden Geschäfte gemacht und Verträge unterschrieben, ohne dass klar war, wer dazu befugt war. Wer am Ende wofür die Verantwortung übernahm, blieb unausgesprochen und interessierte nicht wirklich. Dazu fiel es mir nach wenigen Tagen wie Schuppen von den Augen, dass wohl geschmiert wurde, was das Budget hergab.

Achtet mir die sinnvollen Regeln und killt die sinnlosen. Beides sichert den Unternehmenserfolg und schafft eine Kultur, die diesen Erfolg erst ermöglicht.

Hier half nur: Regeln einziehen! Wer berichtet an wen? Wozu? Wer unterschreibt was? In welcher Höhe? Was gilt bei uns, was geht gar nicht? Eben all das, worüber Zeitgeistrebellen ungern reden und wofür sie selten die Strukturen schaffen: Governance und Compliance.

Deshalb: Achtet mir die sinnvollen Regeln und killt die sinnlosen. Beides sichert den Unternehmenserfolg und schafft eine Kultur, die diesen Erfolg erst ermöglicht. Aber hört bitte auf, den Regelbruch zum Fortschrittsprogramm zu erklären.

Governance und Compliance sind das Fundament nachhaltiger Geschäftstätigkeit. Und Regeln, die man brechen muss, um sinnvoll arbeiten zu können, gehören abgeschafft. Dann gibt’s auch nix mehr, was man brechen und wogegen man rebellieren müsste.