Innovation New Work

Vom Kopf auf die Füße

Die Beutlhauser Gruppe macht selbstbestimmtes Arbeiten für alle möglich. Weil sie dort überzeugt sind, dass das die Menschen dazu befähigt, das Beste für die Kunden zu erreichen. Eine Reportage über New Work in einer traditionellen Branche – ohne dass das Unternehmen es New Work nennt.

Foto: Roderick Aichinger
Foto: Roderick Aichinger

Hard Stuff: Bagger, Kräne, Gabelstapler

Auf einer Landstraße, durch Wald und vorbei an grasenden Kühen, geht es im Auto vom Passauer Donauufer den Hügel hinauf. Nach rund fünf Minuten sieht man sie bereits: zwei große Liebherr-Kräne. Sie weisen den Weg zum Gelände der Beutlhauser Gruppe. Das Unternehmen ist einer der größten Investitionsgüterhändler in Deutschland. Es verkauft, vermietet und beserviced Baumaschinen jeder Größe, Kommunalmaschinen und Flurförderfahrzeuge, sprich Gabelstapler.

Die Beutlhauser Gruppe gibt es seit 1860. Begonnen hat alles als Handelsgeschäft für Glas- und Porzellanwaren, um 1900 herum stieg das Unternehmen in den Handel mit landwirtschaftlichen Maschinen ein. Heute macht die Gruppe über 500 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt über 1.400 Menschen.

"Ich finde es außergewöhnlich, wie viele junge Führungskräfte es bei Beutlhauser gibt", sagt Dominik Marold, selbst eine dieser jungen Führungskräfte. Foto: Roderick Aichinger

162 Jahre am Markt, führend in der vermeintlich konservativen Stahl- und Eisenbranche. Auf den ersten Blick ein erfolgreicher Mittelständler. Und doch fällt das Unternehmen aus dem Raster des Üblichen. „Wir haben das Unternehmen hierarchisch wirklich vom Kopf auf die Füße gestellt in Bezug auf die Entscheidungswege“, sagt Oliver Sowa, einer der drei Geschäftsführer der Beutlhauser Gruppe.

Begonnen hat der Umbau der internen Strukturen und Organisation im Jahr 2008. Auslöser war zum einen der Eindruck, „dass wir schon erfolgreich sind, aber doch unter unseren Möglichkeiten blieben“, wie Sowa es ausdrückt. Bei Beutlhauser hat die Geschäftsführung alles ausprobiert, was man in solchen Momenten macht: Mitarbeitergespräche und 360-Grad-Feedback einführen, die klassischen Change Management-Methoden inklusive der „Tal-der-Tränen“-Kurve anwenden. Aber richtig gezündet hat es nicht, sagt Sowa.

Nicht am Menschen schrauben, sondern an den Strukturen

Dann kam ein Strategietreffen des Managements im Jahr 2015. Als Gast war der Managementberater Reinhard K. Sprenger dabei. Das Gespräch kam auf all die Versuche, das Schiff Beutlhauser Gruppe in eine andere Richtung zu steuern – und auf den mangelnden Erfolg all der Maßnahmen. „Und da hat Sprenger uns sehr klar gezeigt: Man kann an den Menschen herumschrauben. Doch das endet immer dort, wo wir zu diesem Zeitpunkt gerade standen – im Nirgendwo. Oder man verändert die Strukturen – und lässt die Menschen einfach ihre Arbeit machen“, sagt Sowa.

Man kann an den Menschen herumschrauben. Doch das endet immer im Nirgendwo. Oder man verändert die Strukturen – und lässt die Menschen einfach ihre Arbeit machen
Oliver Sowa, Geschäftsführer, Beutlhauser Gruppe

Das war wie ein Türöffner und hat eine spezielle Dynamik ausgelöst. „Nach dem Strategietreffen sind wir angetreten, das Unternehmen wirklich nah an die Kunden zu bringen. Der Schlüssel dazu ist in unseren Augen, die Menschen in die Lage zu versetzen, kundenorientiert zu handeln.“ Für Sowa bedeutet das: Entscheidungen dort treffen, wo sie getroffen werden müssen. Alles aus dem Weg räumen, was Menschen daran hindert, für und im Sinne des Kunden zu handeln. Freiräume geben. „Was braucht der Kunde? Und was brauchen die Regionalgesellschaften, um die Kundenbedürfnisse bestmöglich zu befriedigen? Das sind die Fragen, die unser Handeln heute bestimmen“, erklärt Sowa in einem Interview mit dem Personalmagazin.

Foto: Roderick Aichinger
Foto: Roderick Aichinger

In der Folge haben er und seine Geschäftsführerkollegen sich alle Prozesse, Kostenstellen und Abteilungen genau angesehen. Und vieles ersatzlos gestrichen. Wir haben die Mitarbeitenden von den Fußfesseln befreit“, nennt Sowa das. Offenbar mit Erfolg: Der Umsatz ist von 305 Millionen im Jahr 2016 auf über 500 Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen, die Zahl der Mitarbeitenden von knapp 900 auf mehr als 1.400. Das Unternehmen hat in die eigene Digitalisierung investiert und ein eigenes Softwaregeschäft für die Baubranche aufgebaut sowie das Angebot um neue Services für die Kunden erweitert.

Nicht übereinander, sondern miteinander reden

Das klingt gut, aber Geschäftsführer sehen die Welt ja häufig ein wenig anders als Mitarbeitende. Was also sagen die Mitarbeiter? „Ich bin seit 12 Jahren bei Beutlhauser im Vertriebsaußendienst dabei“, führt Alexander Wittl aus. „Und ich habe eigentlich alle größeren Veränderungen mitbekommen.“ Als er anfing, seien es knapp 700 Mitarbeiter gewesen, jetzt sind es doppelt so viele. Und trotzdem sei es sehr familiär, jeder kenne jeden und freue sich, die Kollegen zu sehen. „Das ist etwas Besonderes, das habe ich schon ganz anders erlebt.“ Und in den 12 Jahren habe sich einiges getan. „Diese bewusste Entscheidung, dass die Dinge nicht mehr oben entschieden werden, sondern dass wir Mitarbeiter mehr Verantwortung bekommen – es hat einige Zeit gedauert, bis die Leute das angenommen haben. Aber es hat viel verändert und ins Positive gedreht.“

Diese bewusste Entscheidung, dass die Dinge nicht mehr oben entschieden werden, sondern dass wir Mitarbeiter mehr Verantwortung bekommen – die hat viel verändert und ins Positive gedreht.
Alexander Wittl, Vertrieb, Beutlhauser Gruppe

Nicht übereinander, sondern miteinander reden. Und zwar auf Augenhöhe. So lautet das interne Motto bei Beutlhauser. „Und das wird von der Geschäftsführung wirklich vorgelebt“, sagt Michael Gsödl. „Wir können mit der Geschäftsführung sprechen wie mit den Kollegen.“ Eine Kultur der offenen Türen und der offenen Ohren sei das. „Oliver Sowa hat vor Jahren einmal den Satz gesagt: ‚Wichtige Dinge bespricht man, unwichtige Dinge schreibt man‘. Das hilft mir ungemein“, so Gsödl. Denn es fördere die Zusammenarbeit.

„Ich finde es außergewöhnlich, dass wir bei Beutlhauser sehr viele junge Führungskräfte haben“, sagt Dominik Marold, selbst eine dieser jungen Führungskräfte. Das zeige, dass man ihnen etwas zutrauen. „Und mir hilft es enorm, dass die Geschäftsführung ausdrücklich erwartet, dass wir untereinander und auch mit den eigenen Teammitgliedern immer auf Augenhöhe spricht. Denn ich hätte ein großes Problem damit, wenn ich meine Leute quasi ‚unterbuttern‘ sollte. Dass echte Zusammenarbeit wirklich gewollt wird, macht für mich das Führen deutlich einfacher.“

Unterstützung von Anfang an – vom Azubi bis zur Führungskraft

"Das fängt im Grunde schon am ersten Arbeitstag an", meint Nicole Kampelsberger, die die Beutlhauser Akademie organisiert, die interne Fort- und Weiterbildungsinstitution. „Beim Newcomer-Tag hat Matthias Burgstaller (einer der geschäftsführenden Gesellschafter, Anm. d. Redaktion) das als eines der ersten Themen angesprochen – dass wir miteinander offen und ehrlich umgehen. Ich habe ja schon einige Berufserfahrung, und das hätte ich mir früher gewünscht, dass das so in den Mittelpunkt gestellt wird.“

"Offen und ehrlich miteinander umgehen. Das ist die Firmenphilosophie auf allen Ebenen", sagt Nicole Kampelsberger.

„Wir haben einmal im Monat eine Niederlassungsbesprechung“, sagt Michael Gsödl. „Und Kollegen, die vorher woanders gearbeitet haben, erzählen dann, dass sie dort wegen einer 20-Euro-Gutschrift für einen Kunden zum Chef gehen mussten, um sich das genehmigen zu lassen. Und sie berichten, dass sie komplett nach Dienstanweisung arbeiten mussten, ohne jeden Freiraum, Dinge anders und vielleicht besser zu lösen.“

„Dass Beutlhauser seine Strukturen geändert hat, von zentralen Entscheidungen hin zu dezentraler Verantwortung, war nicht immer leicht“, sagt Wittl. „Das hat schon gedauert, bis das bei uns allen angekommen war. Aber es hat viele Blockaden gelöst.“ Man sehe das an den Auszubildenden, die oft erst 15 oder 16 Jahre alt seien, wenn sie anfingen. „Anfangs trauen die sich kaum, guten Morgen zu sagen. Und nach ein paar Monaten sind sie selbstsicher und haben ein ganz anderes Auftreten.“

Alle Mitarbeitenden sind gleichwertig

Vielleicht auch deshalb, weil alle Auszubildenden quasi vom ersten Tag an interne Fort- und Weiterbildungen an der Beutlhauser Akademie machen können. „Uns ist das sehr wichtig: Auszubildende sind ganz normale Mitarbeitende, keine Aushilfskräfte für Arbeiten, die sonst niemand übernehmen möchte“, betont Nicole Kampelsberger.

"Wir können mit der Geschäftsführung sprechen wie mit den Kollegen." Michael Gsödl, Beutlhauser Gruppe Foto: Roderick Aichinger

Sein Ziel formuliert Oliver Sowa so: „Es geht um die Wiedereinführung des erwachsenen Menschen in der Organisation.“ Denn nur erwachsene, selbstbewusste und selbstdenkende Menschen seien in der Lage, das Beste für jeden Kunden zu schaffen. Und genau darum gehe es. Ob das New Work ist? „Ich behaupte, dass wir in hohem Maß New Work machen, wir reden aber nicht über New Work.“ Weil das Gerede über New Work mehr verschleiere als offenlege. „Im Unternehmenskotext geht es darum, jeden Tag dem Kunden einen echten Mehrwert zu liefern. Denn damit verdienen wir Geld. Und dafür müssen Menschen sich anstrengen“, sagt Sowa im Interview mit dem Personalmagazin. Aber: „Wenn man sich anstrengt und dafür eine Gegenleistung bekommt, bringt das einem Menschen Zufriedenheit.“