Digitalisierung

Warum Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Agilität Hand in Hand gehen

Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie sind langfristig erfolgreicher als Unternehmen ohne. Zu diesem Ergebnis kommen eine Reihe internationaler Studien von führenden Universitäten. Dies zeigt: Corporate Social Responsibility (CSR) wird in der Praxis immer wichtiger!

Wirtschaftlicher Erfolg beruht zukünftig auf dem Zusammenspiel von Innovation und Nachhaltigkeit.
Wirtschaftlicher Erfolg beruht zukünftig auf dem Zusammenspiel von Innovation und Nachhaltigkeit.

Spätestens seit der gesetzlichen Verankerung der Berichtspflicht gewinnt das Thema Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zusätzlich an Bedeutung. Eine Unternehmensstrategie, die CSR nicht berücksichtigt, ist heute kaum mehr denkbar. Mit dem international anerkannten CSR-Experten Prof. Dr. Rene Schmidpeter haben wir uns darüber unterhalten, wie Agilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenwirken und wie nachhaltiges Management zukünftig aussehen wird. Schmidpeter hat den Stiftungslehrstuhl für Internationale Wirtschaftsethik und CSR an der Cologne Business School inne und leitet das dortige Center for Advanced Sustainable Management (CASM).

Herr Schmidpeter, Sie unterscheiden zwischen einem eher compliance-orientierten Zugang zum Thema Nachhaltigkeit und CSR als proaktiven Managementansatz. Was ist darunter zu verstehen?

Ein compliance-orientierter Zugang zur Nachhaltigkeit folgt dem Motto „do not harm“ und möchte somit in erster Linie Schaden vermeiden. Dies wäre aber auch einfach dadurch möglich, dass man gar nichts tut. Das ist aus einer strategischen Management-Perspektive nicht das eigentliche Ziel von Nachhaltigkeit und hat somit mit unternehmerischem Denken nur wenig gemein. Ziel eines proaktiven CSR-Ansatzes ist es vielmehr einen positiven Impact zu generieren. Genau mit diesem Gedanken beginnt der nachhaltige Managementansatz. Dabei ist Compliance nicht hinfällig – natürlich muss man weiterhin die Gesetze einhalten!

Es geht bei CSR in erster Linie darum, einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen und dabei gleichzeitig unternehmerisch erfolgreich zu sein.

Für Haufe sind Organisation, Mitarbeiter und Technologie die drei wichtigsten Dimensionen eines Unternehmens für deren Transformation. Um in dieser erfolgreich zu sein, müssen die drei Dimensionen in Einklang sein. Wie wirken sich die unterschiedlichen CSR-Ansätze auf Organisation, Mensch und Technologie aus?

Die beiden Ansätze stehen sich diametral gegenüber. Der compliance-orientierte Ansatz ist defensiv und versucht durch Kontrolle in allen drei Dimensionen Schaden zu verhindern. Der nachhaltige Managementansatz ist chancenorientiert und fokussiert sich auf Innovation unter der Prämisse des nachhaltigen Wirtschaftens.

Durch den nachhaltigen Managementansatz werden traditionelle Nachhaltigkeitskonzepte wie die „Triple Bottom Line“ überholt. Dieses Konzept sah vor, dass Unternehmen den Fokus nicht nur auf ihren Profit legen, sondern auch auf die beiden Dimensionen Planet und People. Die Triple Bottom Line beziffert so den ökonomischen, ökologischen und sozialen Mehrwert, den ein Unternehmen schafft. Diese Differenzierung macht in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr – Unternehmen müssen alle drei Dimensionen gleichzeitig und gleichwertig behandeln. Es geht nicht darum verschiedene Dimensionen auszubalancieren – sondern in allen Bereichen miteinander zu verschränken.

Es geht darum, den „Sweet Spot der Nachhaltigkeit“ zu finden. Das ist der Punkt, der sowohl ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert für Unternehmen und Gesellschaft generiert.

Das ist das Ziel des nachhaltigen Managementansatzes (Sustainable Management). Nur so entsteht ein holistisches Nachhaltigkeitsverständnis, dass sich durch jede Entscheidung eines Unternehmens zieht. 

Werden Entscheidungen im nachhaltigen Management dann anders getroffen?

Definitiv. Entscheidungen sollten immer dort getroffen werden, wo die entsprechenden Kompetenzen und die meisten Informationen liegen. Momentan ist das Gegenteil der Fall: Alle Entscheidungen trifft oft die Führungskraft. Das führt zur Überforderung und ist nicht nachhaltig. Ein Beispiel: Mitarbeiter sollen auf Social Media über das Unternehmen kommunizieren. Die Posts müssen aber vom Vorgesetzten freigeben werden. Das endet entweder in der Überforderung des Vorgesetzten, aufgrund der nicht enden wollenden Freigaben oder die Mitarbeiter kommunizieren erst gar nicht. Nachhaltig wäre hier, den Mitarbeitern Freiraum zu geben und nur bei negativen Aktionen entsprechend zu reagieren.

Generell führt nachhaltiges Management zu einem neuen Führungsverständnis: Mitarbeiter arbeiten eigenverantwortlicher, Führungskräfte nehmen eine eher coachende Position ein. Ergo: Nachhaltigkeit erfordert flache Hierarchien und ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Fundamental für diesen Wandel ist die Etablierung traditioneller Werte in der Unternehmenskultur: Verlässlichkeit, Vertrauen und Ehrlichkeit. Nachhaltige Führung zeichnet sich dadurch aus, dass diese Werte tagtäglich mit Leben gefüllt werden.

Das klingt schon sehr nach New Work. Bisher haben Unternehmen vor allem wegen der Digitalisierung auf agile Prozesse und flachere Strukturen gesetzt. Wie verhalten sich denn Agilität und Nachhaltigkeit zueinander?

Meiner Meinung nach fordern gerade die großen gesellschaftlichen Herausforderungen eine hohe Agilität von Unternehmen. Somit bedingen sich Agilität und Nachhaltigkeit wechselseitig – in einer Welt, die im Umbruch ist. In der Zeit des Kalten Krieges versprachen feste Strukturen Sicherheit. Heute, in einer global vernetzten Welt, in der schnelle und schnelle nachhaltige Entscheidungen notwendig sind, geben diese „alten“ Strukturen nur mehr eine falsche – vermeintliche – Sicherheit. Die Erkenntnis, dass die neuen Herausforderungen sich nur durch Agilität und neue Strukturen erfolgreich meistern lassen, erkennen viele Unternehmen aber gerade erst. Nachhaltigkeit und Agilität können und sollten deshalb auf jeden Fall zusammengedacht werden – beide Trends verstärken sich derzeit wechselseitig.

Sind damit agile Unternehmen nachhaltig und nachhaltige Unternehmen agil?

Nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Es ist notwendig agil zu sein, um nachhaltig wirtschaften zu können. Allerdings gibt es viele Unternehmen, die zwar agil sind, aber nicht nachhaltig. In diesem Verhältnis gibt Agilität die Geschwindigkeit vor und Nachhaltigkeit die Richtung. Es hilft mir nichts, wenn ich schnell bin und in die falsche Richtung renne – da renne ich zwangsläufig irgendwann gegen eine Mauer. Nur wenn die Richtung (Nachhaltigkeit) stimmt, trägt Agilität zum unternehmerischen Erfolg bei.

Im Juli 2018 erscheint in Ihrer Management-Buchreihe ein Sammelband zu CSR und Digitalisierung. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der digitalen Transformation von Unternehmen?

Bis jetzt wurden die Diskussionen um Innovation und Nachhaltigkeit oft getrennt geführt. Gerade im Komplex Innovation / Digitalisierung war lange Zeit eine „anything goes“-Mentalität vorhanden. Aber für die Transformation unserer Wirtschaftssysteme ist das nicht ausreichend. Gerade im Innovationsprozess ist es wichtiger denn je zu überlegen, ob Innovationen auch einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten.

Denn einerseits sind Unternehmen verpflichtet, genauso wie die Politik und Zivilgesellschaft, Antworten und Lösungen für die drängenden gesellschaftlichen Fragen, wie Ressourcenknappheit, Klimawandel oder Demographischer Wandel zu finden. Andererseits skalieren neue Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung viel schneller als bisherige Modelle und stoßen so früher an ihre ökologischen und sozialen Grenzen. Das können Unternehmen verhindern, wenn sie Nachhaltigkeit von Anfang an in ihre Strategie integrieren. Innovationen sind somit auf Dauer nur erfolgsversprechend, wenn diese auch einen positiven Impact für die Gesellschaft bieten. Hierin liegen langfristig die größeren Gewinn- und Wachstumschancen für Unternehmen. Deswegen ist es unabdinglich, dass Unternehmen erkennen: Wirtschaftlicher Erfolg beruht in Zukunft auf dem Zusammenspiel von Innovation und Nachhaltigkeit. Die große Krux: Unternehmen und Politik sehen diese Verbindung häufig noch nicht.

Über Prof. Dr. Rene Schmidpeter

Prof. Schmidpeter hat den „Dr. Jürgen Meyer Stiftungslehrstuhl für Internationale Wirtschaftsethik und Corporate Social Responsibility” an der Cologne Business School (CBS) inne. Er forscht und lehrt insbesondere zum Thema CSR als Managementansatz sowie zu neuen betriebswirtschaftlichen Ansätzen wie zum Beispiel Social Innovation, Sustainable Entrepreneurship sowie Business and Society. Er ist unter anderem Herausgeber des deutschsprachigen Standardwerkes zum Thema Corporate Social Responsibility und Editor der einschlägigen Managementreihe “Corporate Social Responsibility”. Neben seinen konzeptionellen und wissenschaftlichen Arbeiten verfügt René Schmidpeter über 15 Jahre Projekterfahrung im Banken-, Medien- und Consultingbereich und ist Gesellschafter der M3TRIX GmbH in Köln.

Zuerst erschienen auf dem Haufe-Blog „Mitarbeiter führen Unternehmen“.