New Work Innovation

Organisationsrebellen Talk #3 mit Bastian Unterberg: Zerstört oder fördert Crowdworking neue Arbeit?

Im Interview traf Stephan Grabmeier, Chief Innovation Evangelist der Haufe Gruppe, Bastian Unterberg, CEO der Crowdworking Plattform jovoto. Seine Mission: Arbeit neu zu organisieren und die Art der Zusammenarbeit zu revolutionieren.

Zerstört oder fördert Crowdworking neue Arbeit?
Zerstört oder fördert Crowdworking neue Arbeit?

Flexibilität ist die Forderung an die neue Arbeitswelt. Die Gig Economy ist die Antwort darauf. Sie verspricht ein Maximum an Ressourcenfreiheit für Freelancer und Auftraggeber und wird begünstigt durch die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung. Dass und wie diese neue Art der Arbeit funktioniert, zeigen Erfolgsbeispiele wie der Fahrdienstvermittler Uber, Lieferservices wie foodora oder Book a Tiger, eine Plattform, die Unterstützung für haushaltsnahe Dienstleistungen vermittelt. Das Prinzip dahinter: Ähnlich wie ein Musiker, der sich von Gig zu Gig hangelt (daher der Name), nehmen auch Solo-Selbstständige auf entsprechenden Plattformen zeitlich befristet kleinere Aufträge an. Der Vorteil: Gig-Arbeiter sind beinahe unbegrenzt flexibel und können sich aussuchen, für wen sie wann wie lange arbeiten. Die Kritik: Das Angebot an Gig-Arbeitern ist groß, die Preise sind entsprechend niedrig und eine Absicherung für Krankheit und Alter ist quasi nicht vorhanden.

Crowdstorming ist das neue Crowdworking

Basis dieser Art der Arbeit ist das bereits seit vielen Jahren gängige  Prinzip des Crowdworking: Unternehmen lagern einzelne Tätigkeiten an eine größere oder kleinere Gruppe aus. Neuer ist das Prinzip Crowdstorming, das das bekannte Modell um den Aspekt der kollaborativen Innovation und Ideengenerierung erweitert und dem sich auch Plattformen wie jovoto verschrieben haben. Für Unternehmen, wie beispielsweise Audi oder die Deutsche Bank ist diese Öffnung für externes Innovationspotenzial, die sogenannte Open Innovation, bereits gängige Praxis. Denn sie hat gerade in volatilen Zeiten zahlreiche Vorteile: Durch Nutzung der Schwarmintelligenz erweitern sie die kreative Masse und kommen so schneller zu mehr Ideen. Das ist gerade durch die immer kürzeren Innovationszyklen für Unternehmen ein bedeutender Wettbewerbsvorteil. Zudem sind externe Experten in der Regel noch nicht „betriebsblind“ und kommen so auf ganz neue Ideen. Und natürlich ist es meist auch kostengünstiger, Freelancer für gewisse Projekte unterstützend einzusetzen. Doch gerade dieser Punkt ist Kritikern der Arbeitsform ein Dorn im Auge Es ist die Rede von Ausbeutung und davon, Arbeitnehmerrechte zu unterwandern. Auch Studien, wie die der Hans-Böckler-Stiftung zeigen: Das monatliche Einkommen, gerade im Bereich der Mikrotasks, beläuft sich im Durchschnitt auf 144 Euro. Brauchen wir also Regeln, um dieser Revolution in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen?

New Work braucht Fairness

Bastian Unterberg ist davon überzeugt und definiert dies auch als eines der Ziele seiner Plattform jovoto: „Eine wertschätzende gemeinsame Kultur ist der Erfolgsfaktor für Crowdworking-Plattformen“. Er beobachtet ein Grundproblem der Gig Economy: „Die nächste Generation an Talent hat ‚nur‘ ein selbstorganisiertes Netzwerk als Sicherheit. Was ihr fehlt ist eine Lobby.“ Der Befürchtung vieler Gewerkschaften, Crowdworking zerstöre Arbeit, stimmt er jedoch nicht zu. Crowdworking und Crowdstorming kann in seinen Augen ein alternatives Karrieremodell darstellen, das – mit den richtigen Spielregeln zwischen Unternehmen und Freelancern – vielen Wünschen an New Work entgegenkommt. Das Wort der Stunde lautet Fairness – für beide Parteien. Denn Unternehmen sind auf Gig-Arbeiter angewiesen. Ohne sie können sie Innovationen nicht im vom Markt geforderten Tempo generieren – und schulden es ihnen, sie dafür angemessen zu entlohnen. Es braucht Regeln zu Rechten am geistigen Eigentum, zu Mindestlöhnen und zu Preisen für Ideen, zu Versicherungen und Absicherungen für Krankheit und Alter von Freelancern. Es braucht eine Lobby, wie Bastian Unterberg sie fordert, die für die Rechte der Freelancer einsteht und ihre Interessen vertritt. Plattformen wie jovoto sind bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung. Sie sehen sich weniger als Vermittler von Dienstleistungen, als vielmehr als eine Art Arbeitgeber, der Kreativen einen geschützten Ort der Arbeit im Internet bietet, in dem sie arbeiten können. Auch Initiativen wie Fair Crowd Work der IG Metall setzen sich für die Rechte von Gig-Arbeitern ein. Sie bieten Beratung für Freelancer. Neben Handlungsbedarf bei Politik und Gesetzgebung zu Mindestlöhnen oder einer Öffnung der Sozialversicherungen bedarf es zu guter Letzt auch einer Änderung in der Kultur der Zusammenarbeit. Denn Crowdworker verändern auch diese und Unternehmen müssen sich darauf einstellen können. Dies zeigt auch eine Anekdote, die Stephan Grabmeier aus seiner Arbeit mit Freelancern bei der Telekom zum Besten gibt:

Wir hatten einen Wettbewerb für eine Recruiting App ausgeschrieben und über drei Monate super gute Resonanz darauf erhalten: Mehr als 80 sehr gute Konzepte aus der ganzen Welt. Unser Top Favorit kam aus Brasilien und wir haben den Kreativen eingeladen, seine Idee bei uns umzusetzen. Was sich dabei zeigte, war, dass unsere Konzernsicht nicht zur Kultur des Freelancers passte. Denn seine Reaktion war anders, als wir uns das in unserem Elfenbeinturm gedacht hatten. Statt froh darüber zu sein, mit einem Unternehmen wie der Telekom arbeiten zu können, antwortete er, er erledige gern alle gewünschten Tätigkeiten, wolle aber darüber hinaus nicht weiter mit einem Konzern zusammenarbeiten.

Damit beantwortet sich auch die Eingangsfrage: Crowdworking, Crowdsourcing und die Gig Economy zerstören unsere traditionelle Art zu arbeiten nicht. Aber sie verändern sie maßgeblich, schaffen neue Karriereformen, definieren Talent Management anders und erweitern sie gehörig um den Aspekt der Selbstbestimmung.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen auf dem Haufe-Blog „Mitarbeiter führen Unternehmen“.