New Work Business Transformation

Schöner wohnen im Büro

Kommentar Die Welt der Informationstechnologie wandelt sich seit Jahren immer schneller und schneller. Wie stellen sich IT-Verantwortliche von heute dieser Wandlungsgeschwindigkeit, den Anforderungen der neuen Arbeitswelt und behalten ihren IT-Zoo aufgeräumt? Andreas Plaul berichtet aus seinem Alltag als CIO. Diesmal: „Schöner wohnen im Büro“

Wohnküche statt Schreibtisch? Das Büro von morgen als Ort, an dem wir sein wollen, nicht sein müssen. Foto: Skitterphoto on Pexels
Wohnküche statt Schreibtisch? Das Büro von morgen als Ort, an dem wir sein wollen, nicht sein müssen. Foto: Skitterphoto on Pexels

Cocooning statt pendeln

In der aktuellen Gesundheitskrise gewinnt der Trend „Cocooning“ an Relevanz. Menschen richten zuhause Arbeitszimmer ein, schaffen Ruheräume und bringen die Kaffeeecke in der Wohnküche auf Barista-Niveau. Das Homeoffice wird zum neuen Standard mit allen Annehmlichkeiten, die man im Office gewöhnt war. Natürlich nur dort, wo die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind. In jedem Fall, das zeigen Umfragen aller Art, möchte ein großer Teil der Beschäftigten weiterhin einen Großteil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen.

Das stellt das klassische Büro in Frage. Warum sollte frau ins Büro kommen, nur um dort dann allein am Schreibtisch zu sitzen und die verwaiste Kaffeeküche zu nutzen? Eine wichtige Frage für die Zukunft lautet: Was macht Menschen Lust darauf, das Homeoffice zu verlassen – die technische Ausstattung, die Bürogestaltung? Oder ist die Frage unerheblich, weil Unternehmen Büropräsenz einfach anordnen?

Ohne intrinsische Motivation scheitert der Schritt zurück ins Büro.

Natürlich können Unternehmen Modelle wie 3-2 oder 7-3 anordnen, also drei Tage im Büro und zwei im Homeoffice je Arbeitswoche oder sieben Tage im Büro und drei im Homeoffice innerhalb von zwei Arbeitswochen. Doch viele Mitarbeiter:innen haben in der Coronakrise die flexible Gestaltung schätzen gelernt. Starre Modelle kollidieren damit – Mitarbeitende akzeptieren sie nicht mehr ohne Weiteres. Und der hart umkämpfte Recruiting Markt reagiert darauf, Unternehmen werben zunehmend durchaus aggressiv mit 100 Prozent Homeoffice-Positionen.

Und so besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter:innen bei Zwang zur Rückkehr ins Büro abwandern zu Unternehmen, in denen Präsenz keine Rolle mehr spielt. In diesen Unternehmen mit hohem Homeoffice-Anteil wird natürlich remote zusammengearbeitet, und eine Vielzahl von Tools kommt zum Einsatz. Doch dabei droht die Zusammenarbeit zu verkümmern, weil sie sich nur noch darin manifestiert, dass alle dieselben Tools nutzen. Die Möglichkeiten, die ein Büro bietet, bleiben ungenutzt. Für mich folgt daraus vor allem eines: Menschen müssen ins Büro gehen wollen, nicht dazu gezwungen werden.  

Konkurrenz belebt die Kreativität

Es geht vor allem um eins: Darum, Möglichkeiten zur Entfaltung de:r Einzelnen zu schaffen und darum, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Das Büro steht heute deshalb in direkter Konkurrenz zum Homeoffice, weil beide Orte die gleichen Bedürfnisse nach einem Arbeitsplatz, einer Kaffeemaschine und Ruhe erfüllen. In dieser Konkurrenzsituation verlieren beide Orte an Unterschiedlichkeit. Am Ende bleibt man zuhause aus Bequemlichkeit oder geht ins Büro auf Grund einer Gewöhnung an diesen Alltag. Doch diese Motivationen stiften keinen Mehrwert.

Homeoffice und Büro: Beide Orte müssen im Wettbewerb ihre Stärken ausspielen und ein Profil entwickeln.

Beide Orte müssen im Wettbewerb ihre Stärken ausspielen und ein Profil entwickeln. Kann ich im Büro Räume der persönlichen und virtuellen Begegnung schaffen, die zuhause so nicht möglich sind? Gibt es Ausstattungselemente oder andere Faktoren, die mich bestimmte Aufgaben an einem Ort besser lösen lassen? Gibt es ein lebendiges Angebot an sozialem Austausch oder Freizeitgestaltung? Kann ich von und mit Kolleg:innen in meiner und in anderen Abteilungen etwas lernen? Und regt die Umgebung meine Kreativität an?

Zuhause gestalten die Mitarbeiter:innen ihre eigenes Umfeld vollkommen autark. Aber auch hier können wir von der IT unterstützen und tun dies bewusst und umfänglich – mit sicherer Integration der Homeoffices ins Unternehmensnetzwerk, mit geeigneter Hardware, mit kollaborativen Lösungen. Das Zuhause bietet für viele den idealen Rückzugsort für stille Einzelarbeit wie E-Mails schreiben, kreatives Denken oder auch für Artikel wie diesen. Warum sollte man das nicht unterstützen und sogar motivieren? Es hilft den Mitarbeiter:innen in anspruchsvollen Zeiten, weiterhin effektiv und effizient zu sein, einhergehend mit Alltagserleichterungen – der Weg zur Arbeit entfällt, Kinderbetreuung ist möglicherweise leichter zu organisieren etc.. Das kann eine Win-Win Situation für alle sein.

Theorie des dritten Ortes

In der Soziologie unterscheidet man Orte der Gemeinschaft: das Zuhause, die Arbeit und den dritten Ort, einen Treffpunkt für den nachbarschaftlichen Austausch zum Ausgleich zu den familiären und beruflichen Pflichten. Mit der Gesundheitskrise fielen für viele Zuhause und Arbeit zusammen. Besonders Familien mit Kindern oder in angespannten Wohnsituationen litten an der fehlenden Separierung.

Kann das Büro der dritte Ort werden, der Ort für Begegnung, Austausch und Kommunikation?

Zuhause fehlte oft die Ruhe, um konzentriert zu arbeiten, was den Stress im Kontext des Zuhause-Arbeitens noch erhöhte. Dieser Stress wurde wieder in die Familie getragen. Der Ausgleich vom ersten und zweiten Ort ging verloren, denn der dritte Ort verschwand mit den Lockdowns. Doch wie charakterisiert sich der dritte Ort? Der Soziologe Ray Oldenburg beschreibt folgende Eigenschaften:

  • Neutraler Boden. Jede:r kann diesen Ort betreten und zum Austausch beitragen
  • Bevölkerungsschichtenübergreifend. Soziale Unterschiede werden abgeschwächt
  • Austausch wird gewünscht und gefordert
  • Einfache Erreichbarkeit. Stammgäste. Es muss ein Basislevel an Stammgästen vorhanden sein, um den Austausch zu fördern.
  • Optik steht nicht über Funktion. Auch hier steigert die Funktion den Austausch und wird nicht durch Optik und Kunst gehemmt.
  • Spielerische Atmosphäre. Der einfache Austausch fördert den Ausgleich
  • Zweite Heimat. Hier etabliert sich der dritte Ort als stabiler Ausgleich.

In der neuen Arbeitswelt verschwimmen alle drei Orte. Ich glaube aber, dass die Notwendigkeit der einzelnen Ausgleichsfunktionen erhalten bleiben wird. Natürlich brauche ich Platz für mich und meine Familie. Die Arbeit sichert für viele die Existenz. Um dem Anspruch innerhalb der Familie und der Arbeit gerecht zu werden, ist der Ausgleich am dritten Ort umso relevanter. Kann das Büro der dritte Ort werden?

Menschen wollen kommunizieren und interagieren.

Das Büro muss schöner werden

Wenn Stillarbeit aus dem Büro ins Homeoffice wandert, bleiben für mich folgende essenzielle Funktionen im Büro präsent:

  • Kommunikation
  • Kollaboration
  • Kreativität

Niemand wird langfristig mit Zwang ins Büro zurückgebracht werden. Weil wegen Homeoffice Platz in den Büros vorhanden ist und freier als früher gestaltet werden kann, setzen viele Unternehmen auf kreative Teamspaces, in denen Menschen gemeinsam, flexibel und spielerisch interagieren können. Aber reicht das oder sollten Unternehmen in den durch Homeoffice freigewordenen Büroflächen den dritten Ort erschaffen?

Das Büro kann ein Ort werden, an dem Menschen nicht sein müssen, sondern sein WOLLEN.

Ich denke ja, denn das Büro kann ein Ort werden, an dem Menschen nicht sein müssen, sondern sein wollen. Dies sollte nicht nur primär Arbeitszweck getriebene Realisierungselemente beinhalten wie Teamspaces, schicke Meetingräume, Shared Desks, sondern es müssen Angebote geschaffen werden, die das Büro zum echten dritten Ort machen. Sei es die Erweiterung der Kaffee-Ecke im Stil der einschlägigen Kaffeehausketten, seien es Sportangebote, seien es Sportsbar-Elemente oder Events zum unternehmensübergreifenden Austausch.

Dabei sehe ich auch eine riesige Chance, die Arbeit mehr unserem Leben anzupassen und damit auch die Frage beantworten, welche Rolle der Mensch in der Gesellschaft spielt und in Zukunft spielen wird – als soziales Wesen und als Arbeitskraft. Lasst uns dazu schöner wohnen im Büro.