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Organisationsrebellen #5: Gender Diversity – Der Weg zu Next Generation Leadership

Im Interview traf Stephan Grabmeier, Chief Innovation Evangelist der Haufe Group, Monika Schulz-Strelow von FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e. V. Die Präsidentin des Vereins gab Einblick in ihr Organisationsrebellentum und rief Frauen und Männer zu mehr Engagement für Gleichstellung auf. Denn: Diversität ist Voraussetzung für Transformation.

Ohne Diversität keine Transformation
Ohne Diversität keine Transformation

Der 1. Juni 2017 war ein großer Tag für das Thema Gender Diversity: Als bislang jüngste Frau wurde Fränzi Kühne mit nur 34 Jahren in den Aufsichtsrat eines börsennotierten Unternehmens gewählt. Ob ihre Wahl in Zusammenhang mit der Frauenquote stand? Da ist Fränzi Kühnes Antwort klar: „Nein, denn […] ich [bringe] genau die Erfahrung mit, die gesucht wurde.  Die Frage erübrigt sich.“ Die Erfahrung von der Kühne spricht, ist digital. Denn genau dort wollte Freenet mit jenem neuen Aufsichtsmandat an Expertise gewinnen. Mit Fränzi Kühne – übrigens Mutter einer 15 Monate alten Tochter – fand Freenet die ideale Digital-Expertin, um das Thema voranzutreiben. Durch ihre Arbeit bei der Digitalagentur "TLGG – Torben, Lucie und die gelbe Gefahr", die sie gemeinsam mit Christoph Bornschein und Boontham Temaismithi gründete, verfügt sie nicht nur über digitale Expertise, sondern auch über langjährige Führungserfahrung. „Und [ich] bin ja auch noch eine Frau. Diese Komponenten zusammen finden Konzerne in Deutschland offenbar selten“, so Kühne in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Ihre persönliche Meinung zur Quote ist gespalten:

Die Frauenquote ist eine gute Sache, leider. Denn ich finde es immer noch befremdlich und bitter, dass wir sie brauchen. Hoffentlich müssen wir irgendwann nicht mehr darüber reden.
Fränzi Kühne, TLGG-Gründerin und Aufsichtsrätin bei Freenet

Das, so Kühne, sei übrigens auch der Grund, weshalb sie das Angebot des Freenet-Aufsichtsrats zur Kandidatur sofort angenommen habe: „Ich will jungen Frauen zeigen, was alles möglich ist.“ Ähnlich denkt auch die Organisationsrebellin Monika-Schulz-Strelow von FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. über die Quote:

Die Frauenquote ist nur ein Übergangsinstrument.
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V.

Als Präsidentin der Initiative verfolgt sie gemeinsam mit ihren 650 Mitstreiter(inne)n – darunter auch einige sich für Diversität einsetzende Männer – das Ziel, den Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten zu erhöhen. Entwicklungen, wie die Wahl von Fränzi Kühne, sind ein erster Schritt auf diesem Weg und zeichnen ein positives Bild für Gender Diversity in Deutschland. Aber entspricht das der Realität oder ist Freenet nur ein Einzelfall?

Gender Diversity in Deutschland: Status Quo

Einen Tag vor Kühnes Wahl – am 30. Mai – jährte sich zum fünften Mal der Deutsche Diversity-Tag. Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen:

Wir stehen schon weitaus besser da, als vor einigen Jahren. Im europäischen Vergleich befindet sich Deutschland aber nur im Mittelfeld. Deutlich vor uns liegen die nordischen Länder, aber auch Italien und Frankreich.
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V.

Studien bestätigen die Aussage von Schulz-Strelow:  Ende 2016 lag der Frauenanteil in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen – wohlgemerkt ohne Frauenquote, diese gilt nur für Aufsichtsräte – bei acht Prozent; elf Prozent in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen, so die Ergebnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW). In Aufsichtsräten sind die Zahlen aufgrund der verpflichtenden Quote höher: Laut dem vierten Public Women-on-Board-Index von FidAR ist der Frauenanteil in Aufsichtsgremien in den letzten drei Jahren um fünf Prozent auf 29,7 Prozent gestiegen. Das Ziel ist damit aber noch nicht in Reichweite, wie die Cranet-Studie unter der Leitung von Professor Rüdiger Kabst von der Universität Paderborn zeigt: Nur 25 Prozent der deutschen Unternehmen haben überhaupt eine Diversity-Richtlinie eingeführt. Im globalen Vergleich, so Cranet, ist das wenig.

Es besteht also Nachholbedarf. Dabei ist es wie bei jeder großen Veränderung: Es braucht diejenigen, die den ersten Schritt gehen. Bei Haufe gehören Frauen in Managementpositionen schon lange dazu: In der gesamten Gruppe liegt der Anteil an Frauen in Führungspositionen bei über 40 Prozent, im Vorstand der Haufe Holding sogar bei 50 Prozent.

Frauenquote für mehr Gender Diversity: Übergangsregelung oder Dauerzustand?

Diversity zu fördern, muss zur Selbstverständlichkeit werden. Das bestätigen auch Erkenntnisse der McKinsey Studie ‚Woman Matters‘: Diese verglich die Geschlechterverteilung in Vorständen mit der Performance der jeweiligen Unternehmen. Das Ergebnis: Die Unternehmen mit größerer Geschlechtervielfalt erzielten auch bessere Geschäftsergebnisse. Die richtige Kombination von Führungseigenschaften ist also erfolgsentscheidend. Schließlich lassen Umfragen, wie die von Faktenkontor, auf typisch weibliche und typische männliche Führungsmerkmale schließen. Die Mehrheit der Deutschen hält Männer in Führungspositionen für machtbewusst, durchsetzungsstark und selbstsicher, Frauen dagegen für diplomatisch, organisiert und engagiert. Ziel erfolgreicher Unternehmensführung muss es sein diese Unterschiede produktiv zu nutzen und bestmöglich zu kombinieren.

Dass das Bewusstsein über die weiblichen Stärken in der Führung und im Team selbst bei sehr fortschrittlichen Unternehmen noch nicht überall angekommen ist, zeigte jüngst ein Vorfall bei Google: Ein Mitarbeiter führte den geringen Anteil von Frauen im Technologiebereich auf biologische Unterschiede zurück und löste eine Debatte rund um Sexismus im Silicon Valley aus. Google reagierte mit der Kündigung des Mitarbeiters – und setzte damit ein Zeichen für die Gleichstellung von Mann und Frau. Positive Beispiele für erfolgreiche Gender Diversity Maßnahmen zeigen aber auch andere Unternehmen:

Beispiele für erfolgreiche Gender Diversity Maßnahmen
Beispiele für erfolgreiche Gender Diversity Maßnahmen

Genau darum, so Schulz-Strelow, geht es: Dinge anzustoßen.

Bei der Frauenquote geht es nicht um die Zahl. Es geht um die Veränderung in Unternehmen. Und in Deutschland haben wir leider kein anderes Mittel gefunden, diese anzustoßen.
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V.

New Work ist weiblich und Diversity das neue Normal

Frauen übernehmen über kurz oder lang den Arbeitsmarkt. Das zumindest prophezeien Erhebungen zur Ausbildung in Deutschland: Frauen machen öfter Abitur, haben bessere Noten und studieren häufiger als Männer. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ergeben sich daraus zwangsläufig – und Unternehmen müssen dem Rechnung tragen: mit Unterstützung bei der Kindebetreuung und flexibleren Arbeitsmodellen – für Frauen und Männer.

Die neue Arbeitswelt ist weiblich.
Robert Franken, “Digitaler Potenzialentfalter” und Feminist

Glaubt man dem Digital-Experten Robert Franken, wird die Zukunft nicht nur weiblich, sondern Frauen auch zu Schlüsselfiguren für den digitalen Wandel. Auch er befürwortet unter dem Begriff ‚Gender Empathy‘ die Fähigkeit, sich die individuellen Stärken von Mann und Frau gleichermaßen nutzbar zu machen. Die Stunde der Frauen, so Franken, schlage aber besonders seit der digitalen Transformation. Denn ihre Fähigkeit, eine Vielzahl von Parametern bei der Entscheidungsfindung einzubeziehen, ermögliche es Frauen, mit den disruptiven Herausforderungen der Digitalisierung besser umzugehen. Zu diesem Schluss kommt auch Mirjam Pütz, Head of Disruptive & Strategic Programs bei der Deutschen Bank. Sie bezeichnet Frauen als die Gewinner der digitalen Transformation. Denn mit der Digitalisierung verändert sich die Art unserer Zusammenarbeit und Kommunikation ebenso wie die klassischen Organisationsmodelle. Typisch weibliche Eigenschaften wie Empathie oder die Fähigkeit zum Netzwerken werden dadurch immer wichtiger. Letzteres empfiehlt auch Christiane Funken allen Frauen, die etwas bewegen wollen:

Frauen sollten sich im Unternehmen Verbündete suchen und gezielt netzwerken, um den Wandel der Arbeitswelt mitzugestalten und auch selbst weiterzukommen. Sie sollten ihre Stärken als Marktwert erkennen.
Christiane Funken, Soziologin

Ein Wandel hin zu einem weiblicheren Arbeitsmarkt und mehr Diversity ist bereits spürbar, wie das Beispiel Fränzi Kühne zeigt. Und auch in der Politik gibt es mittlerweile Vorreiter, allen voran der kanadische Premierminister Justin Trudeau und der französische Präsident Emmanuel Macron. Beide haben ihr Parlament paritätisch besetzt. Normalität wird Diversity jedoch erst, wenn Männer und Frauen an einem Strang ziehen. Männer müssen unterstützen, den Weg frei machen und Frauen ihre Stärken offensiver einsetzen. Sie müssen sich das Recht auf Mitgestaltung nehmen, denn geben wird es ihnen keiner.

Frauen müssen positiv über Frauen sprechen. Männer machen das automatisch. Nur so entstehen auch weibliche Vorbilder in Führungspositionen.
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR e.V.