Business Transformation New Work

Managen im Morast

Kommentar Die Welt des neuen Managements ist voller hochtrabender Begriffe und gut gemeinter Ratschläge. Was davon aber bewährt sich im harten Alltag eines Interim- und Turnaroundmanagers? Dr. Bodo Antonic gibt Antworten. Diesmal: „Good Organizations“.

Wo ist das Gute, Wahre, Schöne in Unternehmen?

Alle suchen das Wahre, Gute, Schöne – und ich wünsche ihnen sehr, dass sie es bald finden. Dann wäre auch mein Managerleben einfacher. Besonders verdienstvoll ist dabei die Initiative der St. Galler Vertrauensforscherin Antoinette Weibel und des Ex-ING-Managers Otti Vogt. Sie gehen in einer eigenen Gesprächsreihe auf YouTube der Frage nach, was eine auch moralisch gute Organisation ausmacht.

Allerdings sprechen sie meiner Beobachtung nach hauptsächlich mit Denkern und Wissenschaftlerinnen. Als praktizierender Manager, der seit zwanzig Jahren meist im Krisen- und Notfall gerufen wird, kann ich bestätigen: Das Unlautere, Hinterhältige und Häßliche ist in der Arbeits- und Wirtschaftswelt ein ernstzunehmender Faktor. Es ist verbreiteter, als wir glauben. Und keiner spricht gerne darüber.

Während andere aber darüber nachdenken, wie es konzeptionell zu beseitigen ist, muss ich in meinen Einsätzen immer wieder konkret damit umgehen. Und davon handelt meine heutige Kolumne. Wo also erlebe ich diese dunkle Seite unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt? Und worauf ist sie zurückzuführen?

Als praktizierender Manager kann ich bestätigen: Das Unlautere, Hinterhältige und Häßliche ist in der Arbeits- und Wirtschaftswelt ein ernstzunehmender Faktor.

Die dunkle Seite unserer Arbeits- und Wirtschaftswelt

Da ist erst einmal die Gier. Die treibt Investoren, die Firmen kaufen und wie Zitronen auspressen. Sie befällt aber auch Mitarbeitende, die eigene Vorteile, sei es Gehalt oder Karriere, um jeden Preis ergattern wollen. All das ist bedauerlich, ja verwerflich – für einen Manager aber zuallererst eine Entgleisung, der es in Richtung Shareholder wie in Richtung Mitarbeitende entgegenzuwirken gilt.

Dann erlebe ich immer wieder Neid, Missgunst und Manipulation. Auch die ziehen sich durch alle Hierarchiestufen. Da wird getrickst, getäuscht und antichambriert, was das Zeug hält. Das ist nicht schön – für einen Manager aber zuallererst eine Herausforderung, dieses Spiel zu durchschauen, aufzudecken und ihm einen Riegel vorzuschieben.

Gerade als Interim- und Krisenmanager erlebe ich es immer wieder, wie gekonnt sich ganze Gruppen um den Schlachtruf organisieren: „Den lassen wir auflaufen.“

Die Konfrontation mit Täuschung und Vertuschung gehört auch zu meinem Alltag. Fehler werden verheimlicht, anderen in die Schuhe geschoben, Vorgänge verschleiert, Fakten geleugnet. Für einen Manager bedeutet diese Unart zuallererst, mit allem zu rechnen, Frühwarnsignalen auf den Grund zu gehen und eine Kultur und Regeln zu schaffen, damit solches Verhalten auffliegt, ja bestenfalls gar nicht vorkommt.

Zu guter Letzt gibt es auch noch die Verschwörung und Fraternisierung. Gerade als Interim- und Krisenmanager erlebe ich es immer wieder, wie gekonnt sich ganze Gruppen um den Schlachtruf organisieren: „Den lassen wir auflaufen.“ Als Gutmensch kann ich das beklagen, in meinen Einsätzen als Manager dagegen muss ich solche Aktivitäten unterbinden und brechen.

Grundsätze beim Umgang mit der harten Wirklichkeit

Deshalb gilt für mich: Gerade in der Krise zeigt sich der Charakter von Menschen und Organisationen. Und bis die „gute Organisation“ konzeptionell durchdrungen und praktisch realisiert ist, müssen Managerinnen und Manager mit den Schattenseiten von Menschen und Organisationen allzeit rechnen und umgehen.

Folgende Grundsätze haben sich dabei in meiner Tätigkeit bewährt:

  • Schenke Vertrauen, aber vernachlässige nie die Kontrolle: Wenn letztere fehlt, machst Du es allen, die tricksen, betrügen und täuschen, einfach zu einfach.
  • Mach allen deutlich klar, was gut und erwünscht ist – zur Not auch auf dem harten Regelungsweg. Wenn Du nur ans Wahre, Gute und Schöne appellierst, bleibst Du vage und Dir fehlen wichtige Sanktionsmechanismen.
  • Kenne und beschreite auch den Rechtsweg. Vorschriften und Gesetze sind in unseren Breiten mit Bedacht und Augenmaß gemacht. Wer sie unterläuft, muss die Härte dieser Regeln spüren. Sonst fragen sich alle anderen, warum sie sich eigentlich noch an Regeln halten.
  • Ethik und Moral müssen vorgelebt werden, sie immer nur im Munde zu führen ist kontraproduktiv. Wenn die Menschen im Leitbild von Integrität lesen, aber belogen werden, dann ist das Leitbild für die Tonne.

Gerade in der Krise zeigt sich der Charakter von Menschen und Organisationen. Und bis die „gute Organisation“ konzeptionell durchdrungen und praktisch realisiert ist, müssen Managerinnen und Manager mit den Schattenseiten allzeit rechnen und umgehen.

Gerade als Managerin oder als Manager hat man wenig Zeit, über eine bessere Welt nachzudenken. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, konsequent mit den Schattenseiten der menschlichen Natur und den Unzulänglichkeiten von Organisationen umzugehen. Es ist schon viel gewonnen, wenn wir sie im Alltag im Griff behalten.

„Our Job to be done” im Management

Ich möchte daher alle meine Kolleginnen und Kollegen ermutigen, dieser ungeliebten Realität ins Auge zu blicken und den Umgang mit ihr als Teil ihrer Aufgabe anzunehmen. Man kriegt für die Auseinandersetzung in den dunklen Ecken unserer Arbeitswelt wenig Lob. Dafür gewährleisten wir so aber die gedeihliche Zusammenarbeit unserer Mitarbeitenden und sichern das Überleben unserer Unternehmen. Und das ist ja schon eine ganze Menge.